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Kraukreich. Pans, 8. Aug. Die PairSkammer hat gestern nach Anhörung eines kurzen Be richts über Bittschriften die noch vorliegenden Gesetzentwürfe über die Ei senbahnen von Versailles nach- Chartres, die Zweigbahn von Dieppe nach Fecamp und über eine Anleihe der Stadt Marseille von 9 Mill. Fr. votirt. Hierauf kam das Gesetz über die Autorisation zu der neuen Staatsanleihe von 350 Mill. Fr. an die Reihe, wo Vicomte Dubouchage vom Finanz minister Aufschlüsse über die Finanzlage und die unerwartete Nolhwcndig- keit her neuen Anleihe verlangte, von Hrn. Dumon aber nur mit Dem adgefunden wurde, was derselbe in der zweiten Kammer bei derselben Ge legenheit erklärte. Er gedachte der Nothwendigkeit der Ausführung der begonnenen großen öffentlichen Arbeiten mit Hülse der letzten Anleihe und der nothwcndigcn Fürsorge wegen der durch die Calamitätcn von 1846 und 1847 hcrbeigcführtcn Ausgaben. Die Ausführung des großen Eisen bahnnetzes von 5000 Kilometrcs hielt er nun für gesichert. Der Gesetz entwurf wurde mit 124 gegen 7 Stimmen und sodann »och mit 115 gegen 5 Stimmen nach kurzer Besprechung das Einnahmcbudget für 1848 votirt, womit die Arbeiten der Session geschlossen sind. Zu morgen sind beide Kammern cinberufen, um die Ordonnanz über den Schluß der «Session zu vernehmen. — In dem gestern erwähnten Artikel des Journal des Debats über die Umtriebe der Jesuiten heißt cS unter Anderm: der Pater Rothaan erkläre es zwar als Jrrthum, wenn behauptet werde, die Jesuiten hätten in einer oder Ler andern Art sich in die Angelegenheiten Baicrns. gemengt. Er selbst habe dieses Land nicht besucht und die Jesuiten besäßen dort keine Häuser. „Nun, das Gegcnlheil haben wir nie behauptet, sagt das Journal des DebatS, und doch sind wir boshaft genug, um ihnen eine sehr directe Einwirkung auf die Ereignisse, die für ihre Freunde so schlimm ausgefallen, beigcmcssen zu habe» und noch beimessen. Wir haben un term 8. März gesagt, daß Baiern sich seit 1837 unter dem spirituellen Patronate der Jesuiten befunden. Freilich wäre es schwer gewesen, das Patronat unter eignem Namen auszuüben, da die erleuchtetsten ^Klassen der Bevölkerung, da die protestantische Hälfte des Königreichs, da der weltliche Klerus, da endlich die NeichSstände ohne Unterlaß und zum voraus selbst den Gedanken an irgendwelche Wiedereinführung der Gesellschaft Jesu auf dem nationalen Gebiete bekämpften. Sollen wir so grausam sein, den ehrwürdigen Pater Rothaan an jene denkwürdige Sitzung der bairischen Abgeordnetenkammer am 23. April 1846 zu erinnern, wo 84 gegen 40 Stimmen den bedeutsamen Wunsch aussprachen, wie die Kam mer von der Weisheit der Krone erwarte, daß man keine geistlichen Cor porationcn zulasscn werde, die durch ihr Ziel oder ihre Tendenz den kirch lichen Frieden gefährden könnten? Und mochte Hr. v. Abel auch noch so sehr bctheuern, daß er die Jesuiten nicht habe berufen wollen, die Mehr zahl der Votanten erklärte ausdrücklich, daß sie insbesondere die Aus schließung der Jesuiten im Auge hätte. Waren Das etwa leere Besorg nisse? Wir möchten es gern dem ehrwürdigen Pater zugeben; aber wir können es nicht. Der ehrwürdige Pater schreibt uns, daß im Monat März d. I. keine Jesuiten in München gewesen seien; das war doch ein unglück licher Monat! wir wissen gar wohl, daß seit etwa zehn Jahren sehr häufig Jesuiten aus Frankreich, Belgien und der Schweiz nach München kamen; wir könnten Deren nennen, welche, auf die Einladung gewisser Prälaten, den Diöcesanklcrus gewandt an das Lenkseil nahmen. Und weil cs denn sein muß und um den ehrwürdigen Pater Rolhaan zu überzeugen, daß wir nicht im mer so schlecht unterrichtet sind, könnten wir sogar noch hinzufügcn, daß jener bedauerliche Beschluß, welcher das Gymnasium von Luzern den Hän den der Jesuitcngescllschaft überlieferte, von München auSging und nicht von Luzern. Wir glauben weder allzu viel noch allzu wenig an die Af filiationen und die Zwischenglieder, welche die Gesellschaft Jesu sich be kanntlich unter den Laien zu erwerben versteht; aber wir vergessen nicht, wie anfangs von ihr in Baiern die Rede gewesen. Laien waren es, welche im Jahr 1834 die Agitation begannen und bereits damals «petitionirtcn», um die Zulassung der Jesuiten zu erlangen; von 1836 — 37 verbanden sich dieselben Personen mit großen Damen und mit Staatsmännern; diese führten von 1837 — 47 die Verwaltung. Unter dieser Verwaltung sah man die ehrwürdigsten Geistlichen, den Hrn. v. Diepenbrock, ge genwärtig Fürstbischof von Breslau, den verstorbenen Bischof von Regensburg und so viele andere Geistliche niedriger» Ranges sich of fen erheben gegen die Intoleranz der jungen fanatisirtcn Priester; un ter dieser Leitung entfernte sich die Erziehung in den Seminaren mehr und mehr von den ursprünglichen Bahnen, um sich zu isolirrn und sich abzuschlicßen, wurden Lie Protestanten auf allen Kanzeln auf den In dex gesetzt und dem Hasse ihrer katholischen Mitbürger denuncirt, wurde das Innere der Familien zerrissen durch tobendes Eifern gegen die Misch ehen, bedrängte man die Ausübung des protestantischen Cultus, verviel fachte man die Jnvertirungcn, entzog man die Minderjährige» mit List dem Glauben ihrer Väter. Aber das Schreiben des Paters Rothaan enthält noch eine besonders auffällige Erklärung. Er erinnert daran, daß die weisen Institutionen der Gesellschaft Jesu allen Mitgliedern dersel ben bei den strengsten Strafen jede directe oder indircctc Einmischung in die öffentlichen Angelegenheiten verbieten. Nun, sei» ein paar Jahrhun derten hat man sich doch ein solches Verbot gar nicht mehr träumen las sen. Wir indeß können dem Jesuitengcneral nur Glück wünschen, daß er seinen Augenblick so gut gewählt hat, um dieses Verbot zu erneuern, und wir hoffen, daß man in Nom ihn beim Worte nehmen wird." — Der französische Minister des Innern, Graf Duchatel, ist in Scheveningcn zum Gebrauche des Seebades angekvmmen. — Hr. de Lamartine ist von Mäcon nach Marseille abgereist, um seine Gattin ins Seebad zu bringen und wird dann Neapel und Sicilicn besuchen. — Das zwölfte Wahlcollcgium der Seine hatte ein Mitglied des Ge- ncralconscils zu ernennen und die Wahl dazu wurde erst bei der dritten Abstimmung mit 305 Stimmen fürHrn. Dclcstre, der zur entschiedenen Opposition gehört, gegen Hrn. Jude, einen progressiven konservativen, entschieden. Belgien. Dieser Tage stand Hr. Outen dirck, der sich in Antwerpen mit an der Spitze der zur bessern Beförderung deutscher Auswanderer gebil deten Gesellschaft befand, vor dem Assiscnhofe der Provinz Antwerpen. Die Anklage lautete auf Schriftverfälschung. Outendirck hatte anfangs dieses Jahres von der Regierung eine Anweisung auf 10,000 Fr. erhal ten, um ein Schiff, das eine Anzahl jener bekannten unglücklichen belgi schen Ansiedler aus Guatemala nach der Heimat zurückbringen sollte, zu vcrproviantircn und auszurüstcn. Er behielt aber davon einen Theil für sich und reichte dem Ministerium zwei Rechnungen nebst Quittung über Lieferung von Lebensmitteln ein. Es hatte sich herauSgestcllt, daß diese Schriftstücke vom Angeklagten nachgemacht waren, und so wurde Letzterer von den Geschworenen für schuldig erklärt und vom Gerichtshöfe zu fünf Jahren Zwangsarbeit verurtheilt. (Fr. I.) Ski e der lande. Die Berathungen des Budgets dcr Ausgaben sowie des der Ein nahmen für die Jahre 1848 und 1849, welche die 11. Kammer der Generalstaatcn seit Ende Juli beschäftigte, wurden von dcr mit jeder Finanzperiode wachsenden Opposition mit dem Borsatze begonnen, die Bewilligung wenigstens einzelnen Capitcln des Ausgabebudgcts zu ver weigern oder die Berathung auszusehen. Nachdem aber die Abschnitte I und 2, Haus des Königs mit 1,250,000 Fl., Staatsrath und oberste Behörden mit 652,939 Fl. für 1848 und 650,939 Fl. für 1849 ange nommen waren, gaben in dcr Sitzung am 2. Aug., wo dcr dritte Ab schnitt, die auswärtigen Angelegenheiten betreffend, auf der Tagesord nung war, mehre zu der Opposition gehörende Mitglieder die Erklärung ab, daß sie nunmehr von dem Widerstande gegen das Gcsammtbud- gct absehen und jeden Abschnitt für sich betrachten würden. Bei der dann folgenden Diskussion ertheiltcn die Minister des Auswärtigen, der Colo nien und der Fiuanzen nach einander auf die Beschwerden und Anfragen Antwort, welche unter Anderm wegen Borneo und des Vertrags mit England von 1824 sowie über den neuen Handelsvertrag mit Belgien er hoben worden. Borneo anlangend, so ist der mit England darüber be gonnene Notenwechsel noch im Gange; hinsichtlich Sumatras erkannte dcr Colonialminister an, daß die Niederlande kein Recht hätten, den eng lischen Handel dahin zu beschränken, England aber politische Beziehungen dort nicht anknüpfen dürfe. Ueber de» Vertrag mit Belgien ward er klärt, daß er die wie bekannt seit 1835 datircndcn und durch die 1844 von Belgien beliebte Anwendung von Differentialzöllen empfindlich gesteigerten Mißverhältnisse des niederländische» Ha»delS beseitigt und die lange drohende Frage eines Zollanschluffcs von Belgien an Frankreich ganz entfernt habe. Es sei dadurch eine Art von Zollvcrband mit Belgien dem mächtigen Frankreich gegenüber errichtet worden. Specicll hob der Finanzminister hervor, daß die Niederlande durch den belgischen Vertrag im Vergleiche mit andern Staaten nicht blos ein Vorrecht, eine Art von Monopol (oono soort van mo- nopolis) erlangt haben, sondern daß Belgien auch in seinem Diffcrential- zollsysteme mit andern Staaten nichts ohne die Zustimmung dcr Nieder lande beschließen könne. Endlich Iheiltc er Angaben über Ein - und Aus fuhr einer Menge Artikel nach und von Belgien mit, und schloß mit dem Nachweise, daß die Einfuhr aus Belgien seit Abschluß des Vertrags um Vieles abgcnommen habe, die Ausfuhr dahin aber ausnehmend ge stiegen sei.*) Schließlich erfolgte die Annahme des Capitels mit 32 ge gen 26 Stimmen. In dcr folgenden Sitzung wurde Capitel 4, die Rechts pflege betreffend, mit 35 gegen 23 Stimmen votirt. Dcr fünfte Abschnitt für die innern Angelegenheiten erhielt nur 31 Stimmen für und 27 da gegen. Bei dem zweiten Abschnitte, der Aufwand für den rcformirtcn und für den katholischen Cultus, äußerte Hr. Storm, daß cr die zwei CultuSministcrien als nicht verfassungsmäßig und die Gcwi/scnSfrciheit Derer beeinträchtigend, welche keinem vom Staat anerkannten Cultus angchörtcn, gänzlich beseitigt wünschen müsse. Auch behauptete cr, daß *) Das ist der wahre Schluß der Erklärung des Finanzministcrs van Hall. Die «Deutsche Zeitung» hat für gut befunden, denselben in Nr.38 nicht mitzutheilcn. Diese Unterlassung erscheint aber neben ihrer in Ausdrucks- Weise und Motivirung knabenhaft scheltenden Anmerkung gegen einen unse rer berliner Correspondenten in derselben Nummer als ein Umstand, über welchem ertappt zu sein wenigen Berichterstattern rühmlich Vorkommen dürfte.