Volltext Seite (XML)
Nr. 216. 4. August 1847. Mittwoch WM Deutsche AAgemeine Zeitung. -ML «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» 1te»-*rliS. Deutschland. sAus Süddeutsehland, Der Sonderbund. — Bekannt machung in Chemnitz. Nreußen. **Kerlin. Der Polenproceß. *Kerlin. Replik. KÄönias- berg. Die Acrnte. vr. Rupp. Die Reformjuden. Homöopathische Ver- sammlung. *Äöln. Hr. Mevissen. Die Dombaukasse. Spanien. Die Wahlen. — Die Minister. <Ar»fj-rttanuten. Die Wahlen. — Unterbrochene Wahlhandlung. — Pater Mathew. — Prinz Waldemar. — Die Limes. — Admiral Mar tin stirbt. Aeankeeich. Die Julifcste. Die Journale. Hr. Lhicrs. Der Assisenhof deS Cherdepartementk. Hr. de Laboulie. Missionar in Cayor. Colonial- rath in Guadeloupe. Rußland und die Pforte. ** Paris. Die Juli feste. Das Journal des Dcbats. Neigten. * Krüssel. Die Finanzlage. Gieberlanbe. Aus dem Haag. Generalstaatcn. Der König von Würt temberg. .LFtalien» Die Borgänge in Parma. — Rescript des Großherzoge von Tos cana. * Nom. Die Journale über das Complot. Nom. Verhaftungen. Rüstungen. Di« Provinzialdeputirten- Die Bürgergarde. Die österrei chischen Truppen. Ernennungen. Nom. Die Gerüchte. Vorgang in Faenza. Die Viterbeser. Neapel. Eine oppositionelle Broschüre. Der König. Griechenland» Die türkische Differenz. Handel und AnbuKrie. »Leipzig.Börsenbericht.— Lotterie. — Berlin. Wnkünbigungen. Deutschland. sÄUS Süddeutschland, 26. Jul. Wenn es sich bei dem Son derbunde ltdiglich um die Beibehaltung oder Vertreibung der Jesuiten handelte, so verstände es sich von selbst, daß er auf irgendwelche Sym pathie, außer bei Leuten desselben Schlages, nicht zu rechnen hätte. Doch würde auch dann noch ei» Zeder, dem es mchk bloS um sein Recht und seine Freiheit, sondern um Recht und Freiheit überhaupt zu lhun und der nicht selbst in gänzliche Äefangenheit oder politischen Jesuitismus verstrickt ist, sich zu fragen haben, ob und wer ein Recht habe, gegen «in Volk, daS nun einmal ein «ns unbegreifliches Attachement an die Jünger Loyolas hat, mit Gebot und Gewalt einzuschreiten, und ob die Vertreibung der Jesuiten, dem Bundesvertrage gemäß, innerhalb der Competenz der Tagsahung liege. Etwas Zweifel daran muß cs jedenfalls erwecken, daß die Jesuiten schon lange unbeirrt in der Schweiz gelebt und öffentlich ihr Wesen getrieben hatten und daß man erst dann ihre Bundeswidrigkcit entdeckte, als sie auch in den wichtigen Canto» Luzern berufen wurden. Gewiß ist, daß sich die Vertreibung der Jesuiten nur mittels allerlei juristisch nicht erweisbarer Voraussetzungen und auf sehr künstlichem und indirektem Weg auf den Bundesvertrag stützen läßt, wäh rend die Aufhebung der aargauer Klöster mit einem sehr klaren, bestimm ten und ausdrücklichen Artikel desselben collidirte. Wer sich nun aber vollends der Freischarengeschichte erinnert, und dieses eben so tollen als perfiden Verfahrens dabei, wo sich unter den Augen der Behörden der Nachbarcantone und mit deren Connivenz die revolutionären Horden sam melten, um den Rechtsstand eines Cantons zu stürzen und ihm, gewalt sam und unberechtigt, ein System aufzudrängen, was, wie sich gezeigt hat, weder Regierung noch-Volk wollten, der wird sich nicht wundern, wenn sich die bedrohten Cantone zur Dertheidigung gegen Angriffe zu- sammenthun, gegen welche der Bund sie kaum schützen kann und, wie sich gezeigt hat, sie nicht schützen will. Eine Regierung, welche die An hänglichkeit ihres Volks besitze, brauche die Frcischaren nicht zu fürchten, sprach eine weise Stimme auf der Tagsatzung. Nun, Luzern hat sie auch nicht gefürchtet. Im Uebrigen ist jener Satz unwahr. Eine Regie rung, welche die Anhänglichkeit der Mehrheit oder doch des thatkräfti- gen Kernes in ihrem Volke besitzt, braucht eine unzufriedene Minderzahl nicht zu fürchten, das hat erst neuerlich Freiburg bewiesen; aber wenn burch Zuzug Fremder aus den Nachbarstaaten die malcontente Minorität verstärkt wird, so kann sie doch der mit der Regierung haltenden Majo rität zu Köpfen wachsen, daS in der Schweiz so gefeierte Majoritäts regiment zur Lüge machen unv mit fremder Hülfe das anhängliche Volk «inem System unterwerfen, das cs in seiner Mehrheit nicht will. Außer dem ist es keinem Staate zu verargen, wenn er sich gegen die fortwäh rend drohenden Neberfälle solcher LandfriedenSbrecher sichern wils Und daß ein Vorort, an dessen Spitze der Anführer eines solchen ZugcS, da bei ein Radicaler und politischer Renommist, steht, sich nicht sehr becifem wird, einer konservativen Regierung gegen irgendwelche Gewältigung zu Hülfe zu kommen, liegt sehr nahe. Die schweizer Cantone sind fouveraine Staaten, haben das Recht der Bündnisse, selbst mit dem Ausland, und haben im Wege dieses Recht» ihre Freiheit begründet und erhalten. Auch die liberalen Cantone habe« von diesem Rechte Gebrauch gemacht. Man hat gegen die Beziehung auf diesen Vorgang nichts anzuführen gewußt, als daß das liberale Bünd- niß öffentlich gewesen sei, der Sonderbund aber geheim. Nun wenn daS wirklich etwas an dem Recht ändern könnte, so wäre doch dieses Gebre chen jetzt schon völlig geheilt. Der Sonderbund ist nicht gegen den eid genössischen Bund gerichtet. Das Gesetz der Mehrheit, überhaupt nur ein letztes Auskunstsmittel, in einer Versammlung von lauter Gleichge stellten und Glcichgcachteten die präsumtive Wahrheit zu finden, und schon in den gemischten Verhältnissen des Staats höchst bedenklich und trüge risch, ist in einem Staatenbund, außerhalb der klaren und sichern Com petenz seiner Bundcsgewalt, durchaus nicht anwendbar. Mit demselben Rechte, womit die Mehrheit die Auflösung des SondcrbundcS gebietet, könnte sie den katholischen Cantoncn auch gebieten, protestantisch zu wer den. Unrecht wird durch keinen Mehrheitsbeschluß zum Recht, und Ty rannei und Unterdrückung bleiben das, auch wenn sie von einer Mehrheit geübt wurden. Wir freucn uns der Zustände in Luzern, Uri, Schwyz rc. keineswegs, aber wir sehen auch keinen Vorschritt darin, wenn diese Hir ten von Schwyz und Uri auf die Stufe der Radikalen von Waadt und Genf gebracht würden. Besser alle die Schatten der „frommen Einfalt" als jene Verbildung, jene Uebel der Halbbildung und falschen Bildung von Leuten, von denen man mit Recht sagen kann: sie sind faul, bevor sie reif wurden. Alle Verwahrungen, daß die Tendenz zur Centralisation gar nicht bestehe, find haltlos: in jenem Begehren, die Rechte derMehr- hrit über ihre Berechtigung auszudrhnen, liegt schon die Aufhebung der Cantonsouvcrainetät, und daß die kleinen Cantone ihre durch so viel Jahr hunderte behauptete Selbständigkeit nicht dem nackten Mechanismus der Zahl opfern wollen, ist ihnen nicht zu verarge». Die Kopfzahl ist gar nicht daS einzige Moment, worauf Kraft und Recht der Staaten beruhen. Oer Sonderdund kämpft für die alte Schweizcrfreihcit. seiner Sitte, seines eignen RcchtS- seines eignen Glaubens leben zu können. Gäbe die hö here Bildung, diese noch vorausgesetzt, das Recht zur Unterdrückung, so müßte man auch den Russen gegen die Tscherkessen, den Franzosen gegen die Kabylen Recht geben. Die neuen Tendenzen können erst dann für sich Freiheit und Duldung mit Grund in Anspruch nehmen, wenn sie de» alten Richtungen dieselbe Freiheit und Duldung zugestehen, und aller Glanz des Zwecke? macht das schlechte Mittel nicht besser. Ein schöner Zustand, der der Minderzahl der Cantone, wenn erst die Mehrzahl willkürlich beschließt, waS der Sinn des BundeSvcrtrages sein solle und dann in Kraft dieser willkürlichen Auslegung weiter handelt! Wie würde man dieses ganze Verfahren brandmarken, wenn es von einer konservativen Mehrheit gegen «ine liberale Minderzahl geübt würde! Auch wir sympathisiren mit de» Tendenzen wahrer sittlicher Freiheit und Geistesbildung, aber wir möge» sie Niemandem durch Gewalt aufgcdrängt wissen und halten auch den wichtigsten Vorsckritt auf Kosten des Rechts für zu theuer erkauft. — Der Rath der Stadt Chemnitz veröffentlicht folgende vom I. Aug. datirte: „Bekanntmachung, den Exceß zu Chemnitz betreffend. Wir halten für angemessen, Folgende» öffentlich bekannt zu machen. In voriger Nacht wurden durch eine große Menge zusammengelaufener Leute aus den untersten Klassen mehren Bäckern allhier, nachdem sich das Gerücht unter den Leuten verbrei tet, daß einzelne Backer Brot versteckt hätten, die Fenster eingeworfen. Die a Wistellenden Erörterungen werden das Weiter« ergeben. Dagegen ist außer dem nirgend irgend eine Demonstration gegen irgend eine Behörde oder sonst eine Persönlichkeit wahrzunehmen gewesen. Auch ist durch die Communal- garde nach einigen Stunden die Ruhe hergestellt worden, obschon, weil die Erreffe an verschiedenen Orten stattfanden, «s außer der Möglichkeit lag, alle jene Excesse zu verhindern." Preußen. * *Perlm, 2. Aug. Heute Morgen um 8 Uhr wurden in der zum Sitzungssaal umgcwandeltcn Kirche des neuen Gcfanqcnenhauses in Moa bit die Verhandlungen des PolenprocesseS eröffnet. Der GerichtSsaal, um zuerst über die Lokalität zu sprechen, bildet ein Oblongum. Durch die HaupteingangSthür gelangt man auf einen nach vorn sich abtteigendtch.