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Sonntag —— Rr» 213. —— 1. August 1847. UM Deutsche Allgemeine Zeitung. KM! V Ausland»!. - - "' ' «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Uederbliik. .Deutschland. »Äus Norddeutschland. Die Corruption. — Die Ein wohnerzahl von Baiern- — Die Landbäckcr in Dresden. *lllm- Oef- fentliche Schlußverhandlung. — Die Retter'sche Sache. — Denkmal Winter's in Karlsruhe. — Der Herzog von Braunschweig, s-Detmold. Gustav-Adolf-Berein. Schützenfest. Die Aernte. treusten. * Aus der Mark. Daß Prcußenthum. *Aus der provin; Sachsen. Missionßwcsen. r Königsberg- Liberalenversammlung. Die Rupv'schc Gemeinde. Bigamie. * Aus Schlesien. Wasserstraßen, ^vom Rhein. Die katholische Kirche und daß Militair. — Die Landtagsfest- ' lichkeitey in Breslau. — Die Uhlich'sche Sache. — Graf Schwerin. Portugal. Scheinbare Beruhigung dcß Landes. Spanien. Der König. tSrvtzbtitannien. Die Blätter über das abgetretene Parlament. Ver sammlung conservativer Wähler in London. Manifest des Lords Ben tinck. Hr. Labouchere. Sir W. Somerville. Graf v. Dalhoufie. Sir Henry Pottinger. O'Connell'ß Leiche. Das Geschwader unter Napier. Das Hauß von Shakespeare. N London- Die Emancipation der Juden. Frankreich. Die Kammern. Die Bergbauconcessionen in Algerien. General Cubiereß. Die Unruhen in Mühlhausen. Das Fort Noisy-le-Sec bei Pa ris. Sparis. Die Stimmung bei den Julifesten, y-Paris. Die Ver untreuungen. Daß Ministerium. Die Spaltung unter den Conservativen. Miederlande. Der Wahlgesetzcntwurf. Gchweiz. Der französische Gesandte. Der Staatßrath von Freiburg. Atalien. Rom. Lageßbefehl.—Cardinal Fieschi. — Die Oesterreicher in Ferrara. »Aus Lucillen. Der König. Der Prinz von Joinville. Wersonalnachrichten. Handel und Industrie. * Leipzig- Börsenbericht. *Myslowift. Ei senbahn. — Eisenbahn von Altona nach Lübeck. — Berlin. Ankündigungen. Deutsch land. * AllS Norddeutscyland, 20. Jul. Ihr pariser *^-Correspon d nt hat keinen glücklichen Griff gethan, wenn er, um das üble Licht, in wel ches Frankreich durch die jetzt immer mehr an den Tag getretene Kor ruption gekommen, etwas zu mildern, auf England verwiesen und von diesem behauptet hat (Nr. 202), cs böte dieselben Scencn dar. Er hätte allenfalls auf Rußland zeigen können, was überhaupt in mehr Punkten mit Frankreich Verwandtschaft hat, als Manche sich träumen mögen. Die Zusammenstellung Frankreichs und Englands in dieser Hinsicht wäre denn doch ein zu übles Augurium für die constitutioncllc Verfassung, als daß man ihr nicht widersprechen müßte. Zudem sind die innern Zustände, Grundsätze, Einrichtungen beider Staaten, es sind die tiefem, inner» Kräfte, von denen der moralische Charakter der Gesellschaft weit mehr abhängt als von der Verfassungsform, zu grundverschieden, als daß es nicht be fremden sollte, gleiche sittliche, vielmehr unsittliche Folgen in beiden hcrvor- brcchen zu sehen. In Frankreich auf so vielfachen Seiten der alte Halt, der alte Glaube gebrochen und aufgelöst und die Gesellschaft auf Gcld- interessen, Polizei und äußerliche Legalität zurückgeführt, in England die alten sittlichen Bindemittel durch alle Reformen nur verjüngt und ge stärkt. Dort die Geldaristokratie, hier die grundverschiedene GcburtSari stokratie, aber keine arme, sondern eine auf unabhängigen Besitz gestellte, folglich das der Corruption am wenigsten zugängliche Element überwie gend. Dort Polizciregiment, überall eingreifende Bevormundung und Rniformirungssuckl, hier die lebendigste Entwickelung und Bewegung der individuellen Freiheit. Dort die Oberflächlichkeit des politischen Raliona- kiSmus, hier die Tiefe des vom freien und sittlichen Geiste belebten ge schichtlichen Princips. Dort ein enges, nur vom GeldcensuS beherrschtes Wahlsystem, hier die weiteste, freieste Ausdehnung desselben. Dies nur einige Unterschiede, welche jede Uebercinstimmung in den Ergebnissen bei der Staaten unwahrscheinlich machen. In der That findet eine solche auch in der bercgten Beziehung nicht statt. Der englische Bcamtcnstand hat- seit langer Zeit den Ruf hoher Rechtlichkeit und Unbestechlichkeit behauptet, und die neuern Veränderun gen in England find eher zu Vermehrung dieses Rufs als zu seiner Verminderung angcthan gewesen. Einzelne überall und zu aller Zeit vor- gekomgicnc Ausnahmen schwächen die Regel nicht. Auch sonst ist der in den hohem Regionen des englischen Staatswesens waltende Geist wenig stens derjenigen Corruption, die in Frankreich zu Tage tritt, fast durch gängig unzugänglich befunden worden. Es mag der alte Sah nicht ohne Wahrheit sein- daß jeder Mensch seinen Preis habe, für den er feil sei, aber dieser Preis ist eben nicht für alle derselben Art, und die englischen Staatsmänner sind zumeist so gestellt und geartet, daß sie mindestens nicht für Geld zu haben sind. Auch hier kommt es auf die vorherrschende Rich tung an, welche die sittlichen Schutzmittel bald verstärkt, bald abschwächt und den Geist des Standes, daS Urtheil der Meinung bestimmt. Wabl- bcstechung ist ein altes Uebel in England was aber ^eit Abschaffung der Rotten Boroughs sehr vermindert worden. Eben weil es so alt und ver breitet ist, mehr eine Einrichtung als ein Vergehen, erregt es auch nicht dieselben sittlichen Bedenken. Im Ucbrigcn wird die Sache sehr über trieben. Die englischen Wahlen sind, trotz aller Bestechung, doch fast durchgängig solche gewesen, aus denen eine wahre Vertretung des Geistes und des Bedürfnisses des englischen Volks, aus denen namentlich eine Versammlung hervorging, wie sie zu solcher Zeit im Parlamente gebraucht wurde. Dem bloßen Geldintercsse wirken in England noch viele andere Kräfte entgegen, und Vieles wird noch verlangt, was mit ihm zusammen- tretcn muß. Hauptsächlich, wenn die englischen Wahlkörper nach Art der französischen zusammengesetzt wären, so würde von keiner Bestechung die Rede sein. Die Klassen, welche die französischen Wähler bilden, und noch eine gute Reihe von Stufen unter ihnen, trifft in England das Be- stcchungssystcm nicht. Aber in England hat man das Wählen so weit ausgedehnt, als nur möglich ist, bis in Klaffen, deren Zahlengcwichte man keineswegs gemeint war, das Geschick des Landes zu vertrauen, deren Wahlrecht vielmehr allerdings nur eine Schcinsachc ist, wobei sie höher» Gewalten folgen. Damit diese Leute aber doch etrbas von ihrem politi schen Rechte haben, sind ihnen von den Wahlcandidaten, nach alter Sitte, allerlei Genüsse und Vortheile z^ bereiten, ohne welche in der Regel die Wahlen nicht viel anders ausfallen würden, aber welche die Masse fodcrt- Das sind Uebelstände, aber die englische Verfassung und das englische Staats- und Volksthum sind so unverwüstlicher Art, daß sie auch darüber Meister werden. — Als Ludwig XVUk. dem Prinzen v. Tallcy- rand, mit dem er sich über die beabsichtigte Charte unterhielt, mittheilte, daß die Dcputirten keine Diäten beziehen sollten, erwiderte dieser: Das wird viel Geld kosten, Sire! Sein Schluß war richtig und ist prophe tisch gewesen. — Nach den neuesten statistischen Notizen aus-dem Ministerium des Innern hat das Königreich tNaiern mit Einschluß des MilitairS eine Einwohnerzahl von 1,005,620'Familien oder 4,504,874 Seelen. — Das Dresdner Tageblatt gibt seinen Lesern die Versicherung, daß die zeitherige unbeschränkte Zulassung der Landbäcker ohne einige Ab änderung fortbcstehcn und die so wohlthätige freie Concurrenz des Brol» vcrkaufS für die nächste Zukunft ganz bestimmt nicht aufgehoben werden wird. *UlM, 28. Jul. In einer gestern dahier stattgchabtcn öffentlichen Schlußoerhandlung wurde dec Dienstknecht Glöckler von dem nahegele- nen Orte Ruhethal vom königl. Gerichtshöfe wegen Todtschlags zu acht Jahren Zuchthaus verurthcilt. Der Fall war ein sehr einfacher, wurde aber dadurch interessant, daß der Untersuchungsrichter über die Art, wie er von dem Angeklagten durch unerlaubte Mittel ein vielleicht unwahres Gcständniß erpreßt, sowie die Gerichtsbeisitzer ihrer Unzuverlässigkeit we gen von dem Vcrtheidigcr arg mitgenommen wurden. Glöckler hatte sei nem Nebenknechte vorgeworfen, daß dieser heimlich seine Truhe unter sucht, auch geglaubt, cr habe ihm von einem Lottcricgewinnste 2 Fl. ent wendet. Es kam zu Wortwechsel, von diesem zu Thätlichkeitcn, wobei Glöckler seinen Gegner, der ihm die Kehle zuschnürte, mit einem Messer dergestalt durch die Rippen stieß, daß cr augenblicklich todt zur Erde fiel. Glöckler bekannte sich sofort als Thäter, räumte auch auf eindringliches Zureden ein, daß er die Absicht zu tödten gehabt halte, sagte aber später zu seinem Vcrtheidigcr, der Inquirent habe ihn zu dem letzten Geständ nisse gezwungen, indem er ihm mit dem Erscheinen des Geistes des Ge mordeten um die zwölfte Stunde gedroht, der ihn peinigen und ihm zurufen werde: „Alvise, Aloisc, sage die Wahrheit!" Nur diese Beängstigung mit dem Geisterrciche sowie das Vorhalten der blutigen Kleider, der durch, schnittcncn Rippe -c. habe ihn zu dem (unwahren) Geständnisse der Ab sicht zu tödten gebracht; cr habe entfernt nicht daran gedacht, daß sein Messerstich solch unheilvolle Folgen haben würde re. Der Vcrtheidigcr benutzte diese unerlaubten Mittel des Inquirenten, ließ sich von den Ge richtsbeisitzern protokollarisch bestätigen, daß der Untersuchungsrichter auch wirklich zur Erzielung eines Geständnisses jene verwerflichen Mittel ge braucht, und veranlaßte so die Wiederaufnahme der Untersuchung durch einen andern Inquirenten. Hierbei zeigten sich nun die Gerichtsbeisitzer