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Douro blockire, so dürfte eS sich nicht lange halten können. Höchst wün- schrnSwerth sei jedoch, daß die Zwecke der Verbündeten ohne einen An griff auf Oporto und ohne daö dann unvermeidliche Blutvergießen er reicht würden. i — Der Großfürst Konstantin und der Erbgroßherzog von Sachsen-Weimar besichtigten gestern die Arsenale, Werften und an dere Anstalten in Moslwtch, wo nachher eine Revue der dort garniso- nirenden Artillerie und Hebungen im Feuer vor ihnen abgehalten wurden. Abends waren die Prinzen nach London zurück und wohnten einem großen Hofball bei der Königin im Buckinghampalaste bei. Frankreich. Paris, 13. Jun. Die Pairökammer hat gestern di« ganze Sitzung mit Berathung des l. Artikels in der von der Commission amcndirten und vom Ministe rium gutgeheißcnen Fassung des Gesetzentwurfs über die Medicinalreform zugcbracht. Es besagt derselbe: „Der Unterricht in der Medicin wird durch die Fakultäten und die dazu vorbereitenden Lehranstalten ertheilt. An den Facultäten werden alle Theile der medicinischcn Wissenschaften ge lehrt. Die Wirksamkeit der andern Lehranstalten begreift die zwei ersten Studienjahre oder die drei ersten an denjenigen, die am Sih einer Fa cultät der Wissenschaften bestehen. Für diese zwei oder drei Jahre ist der Unterricht so vollständig wie der an den.Facultäten. Die Facultäten al lein stellen Doctordiplome aus." Er wurde nach einer sehr großen Anzahl von Vorschlägen zu Amendements endlich mit dem des Marquis de Bar thelemy angenommen, daß die vorbereitenden Lehranstalten für die Medi cin in Städten mit 80,000 Einwohnern denen gleichgestellt werden sol len, wo eine Facultät der Wissenschaften besteht. Dergleichen Städte sind nur Nantes, Marseille und Rouen, und der Minister stimmte Dem um so mehr bei, als er in denselben ohnehin Facultäten der Wissenschaften errichten wolle. Baron Thenard beantragte noch, daß die Studirenden zu Anfang des dritten Jahres das Baccalaureatsexamen machen müßten, was wegen der Nedaction des Artikels mit dem Schlußsätze desselben an die Commission verwiesen und die Debatte dann bis zum 15. Jun. ver tagt wurde. In der Deputirtenkammer wurden die versprochenen Actenstücke über die portugiesische Angelegenheit auf dem Bureau niedergelegt. Es sind nur 15 an der Zahl. Die ganze Sitzung ward von der Börathung eines Anleihegesetzcs für Angouleme in Anspruch genommen über das am Ende, wegen Unvoüzähligkeit der Kammer nicht einmal abgestimmt werden konnte. — Die vorgestrige Schlußverhandlung der Deputirtenkammer über die außerordentlichen Credite für Algerien hat die Zerrüttung der Re gierungsmaschine, das würdelose Treiben drs'CabinctS und das natürliche Echo davon in der Kammer wieder einmal recht vergegenwärtigt. Frank reich ist mit seiner sogenannten parlamentarischen Regierung, zu deren Ver wirklichung ihm dermalen aber außer Land und Volk fast Alles und in erster Stelle der unerläßliche Fonds öffentlicher Lugend zu mangeln scheint, auf geradem Wege zu neuen gewaltthätigen Krisen. Die Fäden, mit wel chen der gekrönte Egoismus die entfesselten 'Hlc^ente der Julirevolution umspann, wurden nicht zugleich von durch iynAy Mel dirigirenden Ideen geleitet; die Lockspeise, mit welcher das Jzchkönigthum seine Angel haken einhüllte, war mit entnervenden Opiaten für die Eitelkeit, Hab- und Selbstsucht viel zu reichlich verseht und brachte daher nach kurzem Rausche nur vermehrtes, krankhaftes Verlangen nach neuen Befriedigun gen derselben zuwege, d,ie immer bloS auf Unkosten des allgemeinen Besten ermöglicht werden konnten. Daher Demoralisation in allen Zwei gen der Verwaltung und eine Corruption, ein System der Unterschleife an der Tagesordnung, wie es in größern civilisirtcn Staaten außer Frank reich nur in Rußland anzutrcffen ist. Die Folg« davon muß zunehmende Zerrüttung sein, und die «Presse» hat so Unrecht nicht, wenn sie von den Ministern sagt: „Dort saßen sie auf ihrer Bank und ließen sich den ge ringschätzigen Ausdruck des öffentlichen Gedankens: «Es gibt keine Rc- gjerünA mehr!» ins Gesicht sagen, hingen die Köpfe und blieben die Ant wort schuldig." Im Februar wurde vom Ministerium der Gesetzentwurf über 3 Mill. Fr. zur Anlegung ackerbauender Lager in Algerien vor gelegt, fährt die «Presse» fort; man legte das größte Gewicht auf den selben. Ass kürzlich das Kriegsministerium im General Trezel einen neuen Chef erhielt, hatte dieser nichts Eiligeres zu thun, als der mit Be gutachtung des Entwurfs beschäftigten Commission der Deputirtenkammer seine volle Zustimmung zu diesem Entwurf, als wäre er sein eigner, aus zusprechen. Das Ministerium hatte noch keine Ahnung vom Rücktritte des Marschalls Bugeaud. Jetzt, nachdem dieser erfolgt ist, tritt derselbe Minister auf die Tribune und verliest eine königl. Verordnung über Zu rücknahme dieses nämlichen Gesetzentwurfs „vom größten Interesse," dem er vor acht Tagen erst eine neue und auffallende Sanktion ertheilte, als in dem Wechsel des Ministers eine ganz natürliche Handhabe für dessen Zurückziehung bestand, und stellt vor der Kämmer, vor ganz Frankreich, vor ganz Europa seine traurige Schwäche offen bloß. „O, leider ist cs nur zu wahr: es gibt keine Regierung mehr!" wiederholt die «Presse». In der Kammer erklärt übrigens der Berichterstatter de Tocqueville des- ISIS senungeachtet, daß die Commission einstimmig den Gesetzentwurf über die ackerbauenden Lager abgcwiesen habe. Der Entwurf war allerdings daS Werk des Marschalls Bugeaud, der, wie Hr. Gustave de Beaumont ih der Kammer rügend bemerkte, noch in seiner AbschiedSproclamation an die Soldaten in Algerien diesen erklärte, daß ihre Dienste, ihre Arbeiten ihnen ein Anrecht auf einen Theil dieses Bodens verliehen, den sie frucht bar zu machen wissen würden, wie sie ihn zu erobern verstanden und zn vertheidigen. „Ist das die einem General geziemende Sprache zu einer Zeit, wo jener Entwurf noch zur Berathung der Kammer vorlag?" fragte dabei der Redner, der noch als Muster der streng censirten Bu- geaud'schen Presse anführte, wie dieselbe rücksichtlich der Verlegung der Hauptquartiere der dortigen Militairdivisionen aus den Küstenstädtcn ins Innere rund weg erklärte: „Die Maßregel kann wol in Paris genommm werden, in Algerien ist sie unmöglich." Ebenso erklärt die ccnsirte Presse Algeriens über die kühle Art, mit der in der Sitzung der Deputitten- kammer am 6. Mai die Expedition nach Kabylien von der Regierung ver treten wurde: das Cabinet hat nicht verstanden, sofort eine angemessene Haltung anzunehmcn. In der That liegt ja die Frage nahe, ob das die Sprache eines Mannes sei, der auch gehorchen solle, und auf die Hr. Guizot damit antwortete: Das vollständige Vertrauen der Regierung in den Marschall rechtfertige das Ueberseben solcher Dinge, und wenn die Regierung solches Vertrauen zu ihren Agenten habe, sehe sie leicht über solche Nebensachen hinweg. Die Kammer möge dergleichen thun in Er innerung Dessen, daß der Marschall sie einst mit seinem Degen gegen die Emeute geschützt. Eine tuinultuarische und lange Unterbrechung folgte dieser Rechtfertigung, und als Hr. Blanqui dann der Kammer vorwarf, daß außer dem Organe der Regierung nicht Ein Mund für den Mar schall gesprochen, wurde auch ihm durch Toben und Lärmen das Wort genommen. Marschall Bugeaud hat darum Ludwig Philipp nicht weni ger sür sich, und Hrn. Guizot's noch so schüchternes Zugeben gewisser Unangemessenheiten der Mignons der Tuilericn wird nicht ohne Stirn- runzeln für ihn hingegangen sein. Bugeaud gilt dem Hofe nämlich für eins der brauchbarsten Werkzeuge, um in der Armee den Geist der für das System des unfruchtbaren Widerstandes wichtigen soldatischen Hofunter- thänigkeit pnd des Gardegehorsams zu pflegen, sür welchen Ludwig Phi lipp die sorgfältigste Anerkennung stets in Bereitschaft hat. Bon der elenden Civiloerwaltung von Algerien, die so erbärmlich sei, daß sie sich ihrer selbst schäme, entwarf Hr. de Tocqueville in wenigen Worten eintst Umriß, bekanntlich aus eigner Anschauung, gegen welchen kein Einspruch vernommen wurde. — Das Journal des Debats theilt die der Deputirtenkammer vorge» legten Aktenstücke über Portugal mit. Sic scheinen die dem britischen Parlament vorgeftgten nur zu bestätigen. Der Constitutionnel verbreitet sich heute über das Außerordentliche der Zurücknahme des Gesetzentwurfs über die ackerbautreibenden Lager in Algerien und sieht darin den Gipfel der Planlosigkeit. , ' . , — Graf Duchatel, Minister des Innern, ist gestern Abend in Paris wieder eingetroffen. — Die Königin Christine von Spanien ist in Paris angrkomMen. — Es ist die Rede von dem Abschlusse eines Handelsvertrags zwischen Frankreich und Griechenland. -X-Paris, 12. Jun. Der gegenwärtige Zustand Frankreichs im Innern und ausmgrts ist so zerrüttet und verzweifelt, die Symptome des politischen Tobender Verfassung sind so schreckend, zugleich ist der Geist des Volks so untheilnchmend und lau, daß eö wol die Klagen urib Vorstellungen der Opposition in der Kammer und in der Presse nöthig macht, man müsse schleunig helfen. Aber wie? Ich sehe de» französischen Staat in dem unerreichbaren Cirkel ciner freien Verfassung, die nur auf gute Bürger sich gründet, und gute Bürger ist nur durch eine gute Ver fassung zu bilden möglich. Um eine redliche Verwaltung, wahrhafte po litische Freiheit zu haben, müßte die Nation selbst eine andere sein, als sie vor der Hand ist; um die Nation sittlich zu heben, dazu bedürfte eS einer redlichen Regierung. Aber zu viele Leute haben ein Interesse, der Nation blauen Dunst vorzumachen, als daß sie in sich gehen könnte. Zu mal Diejenigen, welche das Steuerruder führen, reden ihr em, sie glänze an der Spitze der europäischen Bildung, und leiden nicht, daß man ihr verwerfe, sie sei verdorben, ohne Zweifel aus Furcht, man möchte sie selbst sür die wurrpstichigen Früchte der allgemeinen Verderbniß halten. Wie Frankreich aus dieser schlimmen Lage hcrauskommcn soll, weiß ich' nicht; aber mit der Wirksamkeit seiner jetzigen Doktrinen und Gesinnun gen reißt eö sich ganz gewiß nicht aus dem Morast, in den es versunken ist. Von je her flatterhaft und leichtsinnig, doch sonst fähig, sich zu gro ßen Tugenden aufzuschwingen, bewährt es jetzt seine Neuerungssucht nur noch in dem Wankelmuthe seiner Untugenden. Sind eö nicht die ehe maligen Feinde der Geistlichkeit, welche gegenwärtig die Frommen spie len und die Inquisitoren- und Jesuitenrollen übernommen haben? Und die Nachkommen Derer, die keine Könige mehr in Frankreich wollten, könnten Ludwig XIV. selbst Unterricht im Despotismus geben, während wüthende Demokraten, mit Titeln und Ehrenstcllen gesegnet, die Aristo-