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ISl» § 45 Sultus- und Schulwesen. Armen» und Krankenpflege ,e. Te«- gleichen finden die Vorschriften der §§. I«—34 Abschnitt I. über, da« Eul- tutwesen, über die Armen- und Krankenpflege, sowie über die Schulange legenheiten und wegen der Vorbereitung jüdischer Knaben zu einem nützli chen Beruf auch hier Anwendung. Diejenigen jüdischen Schulen, welche nach §. 10 der Verordnung vom l.Jun. 1833 al« öffentliche jüdische Schulen er richtet worden find, bleiben al« solche bestehen, so lange nicht eine ander weitige Einrichtung von den Regierungen für nothwendig erachtet wird. §. 4«. Lie bisherige Unterscheidung der jüdischen Bevölkerung de« Großhcr- zogthum« Posen in naturalifirte und nicht naturalisiirte Luden, sowie die darau« hervorgehendc Verschiedenheit der Rechte beider Klaffen bleibt zur Zeit noch bestehen. ' §. 47. Naturalifirte Juden. Zu den allgemeinen Erfodernissen der Na ¬ turalisation gehört: 4) tin fester Wohnfitz innerhalb de« Großhcrzogthum« Posen; 2) völlige Unbescholtenheit de« Lebentwandels , 3) die Fähigkeit und Verpflichtung, fich (n allen öffentlichen Angelegenheiten, Willenserklärungen, Rechnungen und dergleichen aurschließlich der deutschen Sprache zu bedienen. Von diesem Erfoderniß kann der vberpräsident auf den Antrag der Regie rung dkrpensiren; 4) die Annahme eine« bestimmten Familiennamen«, §.48. Unter diesen Voraussetzungen sollen in die Klasse der naturaliflrten Luden nur diejenigen aufgenommen werden , welche den Nachweis führen, daß sie ent weder einer Wissenschaft oder Kunst fich gewidmet haben, und solche derge stalt betreiben, daß sie von ihrem Ertrage fich erhalten können; oder ein ländliches Grundstück von dem Umfange besitzen und selbst bewirthschaften, daß dasselbe ihnen und ihrer Familie deN hinreichenden Unterhalt sichert; oder in einer Stadt ein nahrhaftes stehendes Gewerbe mit einiger Auszeich nung betreiben; oder in einer Stadt ein Grundstück von wenigstens 2Y00 Lhlr. an Werth schuldenfrei und eigenthümlich besitzen; oder daß ihnen ein Kapitalvermögen von wenigstens 50U0 Lhlr. eigenthümlich gehört; oder da sie ihrerHeere-pflicht als einjährige Freiwillige resp. durch dreijährigen Dienst wirklich genügt und gute Führungsatteste erhalten; oder durch patriotische Handlungen ein besondepeS Verdienst um den Staat sich erworben haben; oder endlich diejenigen, welche au« andern Provinzen unserer Monarchie ih ren Wohnsitz in da« Großherzogthum Posen verlegen. §. 49. Di« Juden, welche den im §.48 verlangten Nachwei« führen, sollen von der Regierung des Bezirk«, in welchem sie wohnen, mit Naturalisation-patenten versehen werden. §. 5V. Ehefrauen nehmen an den Rechten, welche ihre Ehemänner durch die Naturalisation erlangt haben, Theil. Dieft Rechte verbleiben ih nen auch nach Auflösung der Ehe bi« zur etwa eintretenden Berheirathung mit einem nicht naturalifirten Juden. Geschiedene, für den schuldigen Theil erklärte Ehefrauen verlieren die lediglich durch ihre Berheirathung erworbe nen Rechte der Naturalisation. §. 51. Sticht naturalifirte Juden. Die mit der Naturalisation verbun denen Rechte" gehen ohne weiteres verloren, wenn der Richter gegen einen naturalifirte» Juden auf Verlust,der Ratiönglcocard« erkannt hat. Außerdem können jene Rechte der Naturalisation durch Plenarbeschluß der Regierung entzogen werden, sobald da« Naturalisation-patent auf Grund wider besseres Wissen-^ gemachter unrichtiger Angaben erlangt ist, dergleichen in allen den jenigen Hallen, in welchen nach §§. 16 und 20 der revidirten Städteordnung vom 17. März 1831 da- Bürgerrecht entzogen werden muß oder von den Gtadtbehörden entzogen werden kann. Gegen da-,die Entziehungfestsetzende Resolut der Regierung ist der RecurS an den Minister de- Innern zulässig, dersrlhe muß jedoch,binnen einer zehntägigen präklusivischen Frist nach Eröff- »Mg de» Resolut« bei der Regierung angemeldet werden. §. 52. Ueher diejenigen Mischen Einwohner der Provinz Posen, welche sich zur Aufnahme in die Klasse der Mturatifirten noch nicht eignen, sind wie bisher vollständige Verzeichnisse zu füh ren. §.53. Auf den Grund derselben ist von der Ortspolizeibehörde jedem Fa milienvater oder einzelnen volljährigen und selbständigen Juden ein mit der Nummer de« Verzeichnisse- versehene« Certificat zu ertheilen, welche«, inso fern eS Familien umfaßt, die Namen der sämmtlichen Mitglieder derselben enthalten muß, und nach der jährlichen Revision mit einem Visa versehen oder berichtigt wird. §. 54. Alle noch nicht naturalifirten, mit Certificaten versehenen Juden sind folgenden besonder» Beschränkungen unterworfen: s> Vor zurückgelegtem 24. Jahr ist ihnen die Schließung einer Ehe, wenn nicht der vberpräsident in dringenden Fällen dazu besondere Erlaubniß er- theilt hat, nicht zu gestatten, d) Sie sollen ihren Wohnsitz in der Regel und mit Ausnahme der weiter unten unter o) angegebenen Fälle nur in Städten nehmen. Zu Gewinnung de« städtischen Bürgerrecht- sind sie nicht fähig, o) Auf dem Lande dürfen sie nur dann ihten Wohnsitz nehmen, wenn sie entweder einen Bauerhof erwerben oder pachten und denselben selbst be- wirthschaften, oder wenn sie sich bei ländlichen Grundbesitzern al- Dienstbo ten, oder zum Betrieb einzelner Zweige des landwirthfchastlichen Gewerbe«, ». B. al« Brenner oder Brauer, vermiethen; ä) da« Schankgewerbe darf ihnen nur aussen Grund eine« besonder»Gutachten- der VrtSpvlizeibehörVe Hinsicht« ihrer persönlichen Qualifikation von der Regierung, jedoch niemals auf dem Lande, gestattet werden. Der Einkauf und Verkauf im Umherzie- hen ist ihnen unbedingt untersagt, v) Darlehn-geschäfte dürfen sie nur ge gen gerichtlich aufgenommene Schuldurkunde, bei Strafe der Ungültigkeit, abschließen, k) Schuldansprüche derselben für verkaufte berauschende Getränke haben keine rechtliche Gültigkeit. §. 55. Zu ihrer Verheiräthung bedürfen nicht naturalifirte Juden eine« Trauscheins, der ihnen von Seiten de» Land- rathS ,stempel- und kostenfrei ertheilt werden soll, sobald sie sich darüber auS- weisen, daß sie da« 24. Lebensjahr erreicht haben, oder die Dispensation deS Oberpräsidenten von dieser Beschränkung beibringen. §. 56. Von den im Abschnitt l. in Betreff der bürgerlichen Verhältnisse der Juden getroffenen Bestimmungen finden diejenigen d-S § 35 wegen Zulassung zu unmittelbaren und mittelbaren Staat«-, Kommunal- und akademischen,Lehrämtern ,c. und deS §.H1 wegen der Gewerbebetriebs auf die naturalifirten Jude» deSGroß- herzogthum- Posen; dagegen die Bestimmungen der §. 36 wegen der stän dischen Rechtendes Patronat- rc., §. 38 wegen der Familiennamen, Füh rung der Handel-bücher rc., § 39 wegen der jüdischen Zeugeneide, §. 40 wegen der bei Trauungen unter den Luden zu beobachtenden Vorschriften, §. 41 wegen dir Ehen zwischen inländischen und fremden Juden, §. 42 we gen der Niederlassung und des Aufenthalt« fremder Juden, auf alle dortigen Juden Anwendung. §. 57. Die naturalifirten Juden bedürfen behuf« ihrer llebersiebelung au« dem Großherzogthume Posen in eine andere Provinz un ¬ serer Monarchie künftig nicht mehr einer besondern Genehmigung unser» Mi- nister« de« Innern. Dagegen bleiben die birherigen Beschränkungen in Be treff de- Umzug« der nicht naturaliflrten Juden in andere Provinzen und ihre« zeitweisen Aufenthalte daselbst bestehen. §. 58. In Betreff dev Schul- den der jüdischen Korporationen und deren Tilgung, wie hinsichtlich der Ver bindlichkeit zur Ablösung der Korporation-Verpflichtungen, verbleibt eS überall bei den bestehenden Vorschriften und Anordnungen. Da- ftstgestellte Abli- sung-capital kann von den Regierungen im Wege der administrativen Exe kution beigetrieben werden. § . 59. Allgemeine Bestimmungen. In Betreff der Personenstandsregi ster find die bestehenden Verordnungen in Anwendung zu bringen. §. 60. Alle von den vorstehenden im Abschnitt I. und II. enthaltenen Bestimmungen abweichenden allgemeinen und besondern Gesetze werdest hiermit außer Kraft gesetzt. §. 61. Unsere Minister der geistlichen rc. Angelegenheiten und de« Innern haben wegen Ausführung dieser Verordnung das Erfederliche zu veranlasstn. (B. P. 8 ) * * Berlin, 15. Jun. Aus der den Gesetzentwurf über die Verhält nisse der Juden begleitenden Denkschrift entnehmen wir, daß bereit« im vorigen Jahrhundert die Verhältnisse der Juden im preußischen Staate durch allgemeine Gesetze geregelt wurden. Die General - ZudenreglementS vom 17. April 1750 für die damaligen Landestheile der Monarchie und vom 17. April 1797 für Süd- und Neu-Ostpreußen bestimmten in um fassender Weise über den den Juden zu gewährenden Schutz, die von ihnen zu entrichtenden Abgaben, ihren Gewerbebetrieb sowie über die Re- ligionö- und Ritualverfassung derselben. Nach dem Tilsiter Frieden ord nete das Edikt vom 11. März 1812 die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in den bei der Monarchie verbliebenen Provinzen, behielt jedoch die Bestimmungen wegen des Cultus und der Verbesserung deS Unterrichts noch vor, bei deren Erwägung Vertrauen genießende Männer jüdischen Glaubens zugezogen werden sollten. Durch die Erweiterung, welche der preußische Staat durch die Friedensschlüsse der Jahre 1814 und 1815 in Folge der Befreiungskriege erfuhr, trat an die Stelle der durch daS Edikt vom Jahr 1812 erzielten Einheit eine Mannichfaltigkeit der verschieden artigsten Gesetzgebungen über das Judenwesen. In einzelnen der neu er worbenen Landestheile befanden sich wenige Juden, und gegen die Ueber- siedelung derselben aus andern Provinzen ward auf Grund der frühem Verfassung vielfach protestirt. Trat einerseits diese Abneigung geM di« Uebersiedelung der Juden einer allgemeinen Regulirung ihrer Verhältnisse entgegen, so bot andererseits der verschiedenartige Bildung-- und Cultur- stand der jüdischen Bevölkerungen nicht geringere Schwierigkeiten. Be vor im Wege der Gesetzgebung weiter vorgegangen wurde, bestimmte der König durch Cabinetsordre vom 29. April 1824, daß zuvörderst die Pro vinzialstände mit ihren Anträgen gehört werden sollten. Demgemäss wurde in demselben Jahre von den Ständen eine Erklärung darüber erfodert: ob und welche Vorschläge und Wünsche sie hinsichtlich der bcstehenhm Ge setzgebung über die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in ihremWWtinz vorzubringen hätten. Nach der in den Jahren 1824 — 28 abMelbepen Erklärung erachteten die Provinzialstände mehr oder weniger übrteinUm- mend Beschränkungen in den Rechten der Juden zum Schutze der christ lichen Bevölkerung für crfoderlich. Der preußische Landtag schlug neben dem Antrag auf scharfe Prüfung der Staatsangehörigkeit der vorhande nen Juden und Fortschaffung der fremden vor: das Edikt vom II. März 1812, dessen Zweck, die Juden zu andern Gewerben als dem Handel hin- zuleisen, versehlt sei, nur mit wesentlichen Beschränkungen beizubehalten und mit diesen in die neuen Provinzen einzuführcn. Der erste pom- mersche Landtag erachtete dafür, daß die beim Erlasse des Edikts vom I I. März 1812 gehegte Absicht, die Juden von dem sür ihre Moralität so verderblichen Schacherhandel abzuziehen, nicht erreicht worden; daß bei der Fortdauer des Gesetzes und bei der wachsenden Zahl der Juden di« Wohlfährt der christlichen Unterlhanen gefährdet werde, weshalb neben der Einwirkung auf die religiöse und sittliche Ausbildung der Juden Be schränkungen ihrer Rechte nothwendig seien. Die brandenburgischen Stände wünschten, daß das Edikt vom Jahr 1812 von denjenigen Landestheile» ausgeschlossen bleibe, wo dasselbe noch nicht bestehe, und daß solches da, wo eS bereits eingeführi sei, Abänderungen erfahren möge, weil die bis herige Erfahrung gelehrt habe, daß die den Juden zu einer höhern Aus bildung und zu nützlichen Berufsarten reichlich dargebotene Gelegenheit unbenutzt, ihre Neigung zum Schacherhapdel vorherrschend geblieben sei. Der sächsische Landtag hielt mit Rücksicht auf die gemachten Erfahrungen, wonach die Juden in die Eigcnthums-, Gewerbs- und sonstigen LebenS- verhältnisse der Christen störend und zerrüttend eingegriffen, Maßregeln ür erfoderlich, durch welche der Verbreitung der Juden und ihrem ge werblichen Verkehr insbesondere gesetzliche Schranken gesetzt würden. Die chlesischen Provinzialstände gingen davon aus, daß die bei Erlaß des Edikts vom Jahr 1812 gehegte Hoffnung, in den Juden Bürgersinn und Gemeingeist zu erwecken, bis dahin größtentheils unerfüllt geblieben; daß die Ertheilung der den Juden eingeräumten Rechte zu voreilig erfolgt ei, und daß das dieselben aussprechende Gesetz einer Beschränkung be- mrfe. Der westfälische Landtag hielt eS bei der fortdauernden moralischen Jerderbtheit der Juden und bei dem unglücklichen Einflüsse, welchen die- elben auf Vie christlichen Unterthanen in mehr als Einem Theile der Pro vinz übten, für eine dringende Pflicht, dieser verderblichen Einwirkung