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757 Beilage zur Deutsche« VLgemeine« Zeitung Nr. 87. (28. März 1847.) U-b-rbliS. Hr. v. Maurer und Hr. v. Abel in München. Gir vt. Peel, «orb Palmerston und Vr «ist. Mequenz der deutschen Eisenbahnen tm Jahr »8»«. Herr v. Maurer und Herr v. Übel in München. Von der Elbe, im März. Ich habe nicht die Absicht, mich über ! die Ursachen, die jetzt die allgemeine Aufmerksamkeit, nicht blos Deutsch lands, auf biesc beiden Männer von neuem gerichtet Haden, zu verbreit ten, sondern nur einen Rückblick zu werfen auf die Vergangenheit dersel ben, da beide mich schon früher, weniger wegen ihrer Stellung in Baiern! als durch ihre Beziehung zu Griechenland, lebhaft intercssirt hatten. Es möchte wol der Mühe lohnen, einen kurzen Blick zurückzuwcrfen l auf die Vergangenheit der beiden Männer, wovon der eine an beb Spitze des abgetretenen Systems stand, der andere an der des neuen steht. Beide Männer, so verschieden sic sonst von einander, sind darin gleich: daß beide ziemlich in einem Alter, Ar. v. Abel im 59. Jahre (geb. 1788), Hr. v. Maurer im 57. (geb. 1790) stehen, und daß beide bür gerlicher Abkunft sind: Hr. v. Maurer Sohn eines Predigers, Hr. v. Abel Sohn eines Professors der Rechtswissenschaft. Beide haben erst durch Verleihung des Civilverdicnstordens der bairischen Krone den damit ver bundenen Adel erhalten. ES. war in einer größern Soiree bei Herrn Gehcimrath v. k., wo schon M einiger Zeit ein Herr meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte btirch seine große Gestalt, sein offenes und distinguirtes Aussehen und «inen gewissen englischen Anstrich, der mich, im Allgemeinen genom men, sehr an Lord Melbourne erinnerte, den ich, als er noch englischer Premierminister war, mehrmals in London gesehen hatte. Ich hatte noch nicht Gelegenheit gehabt, mich nach dem Ramen jenes Herrn zu erkun digen, als Hr. Geheimrath v. k. auf mich zukam und mich bat, mich dem Staatsralh v. Maurer verstellen zu dürfen. Ich folgte ihm. und war sehr überrascht, als ich mich plötzlich vor jenem Herrn befand) der schon früher meine Aufmerksamkeit gefesselt hatte. Ich erlaubte mir, Hrn. ». Maurer zu bemerken, daß und warum er mich schon, ehe ich gewußt, welche berühmte Persönlichkeit er sei, lebhaft intercssirt und mich unmit telbar nach England versetzt habe. Es schien ihn nicht unangenehm zu berühren, und wir kamen io eine lebhafte Unterhaltung über England, die Zustände Irlands und O'Connell, den ich aus eigner Anschauung kannte und in mehren seiner großen Meetings gesehen hatte. Wir wurden bald durch Hinzukommende getrennt, aber Hr. v. Maurer hatte die Güte, mich mehrmals von neuem auszusuchen und mir Gelegenheit zu schenken, ihn läng«« Zeit ganz ungestört von der übrigen Gesellschaft zu genießen. Er hörte mit großem Interesse von meinem Wunsche, Griechenland zu sehen, und von meinem lebhaften Verlangen, durch eigne Anschauung kennen zu lernen, wie cs jetzt in diesem jungen Staate denn eigentlich außsehe, von dem man damals in Europa so gut wie gar keine Rotiz nahm und von dem man in München dämals kaum zu sprechen wagen durfte, da der „höchste Wille" übel gelaunt auf Griechenland war. Die wichtige Stelle, die Hr. v. Maurer in dem jungen Staate gehabt, ist bekannt. Nachdem Hr. v. Maurer m den vorgehenden Jahren zum Staats- rüth und zum lebenslänglichen Reichsrath ernannt worden war, wurde er im Jahre 1832, ungeachtet seines Widerstrebens, neben dem Staa^mi- nister Grafen ArmanSperg und dem Generalmajor v. Heidegger als Mit glied der Regentschaft in Griechenland bestimmt. Schon in der organi schen Zusammensetzung dieser Regentschaft lag der Keim der Zerwürfnisse, die sich später in ihr bildeten, denn die drei Mitglieder waren nicht ei- nrm unter ihnen subordinirt,' sondern sie waren sich alle drei coordinirt, sodaß alle drei gleiche Autorität hatten und dem Grafen Armansperg nur die Repräsentation nach außen vorzugsweise übertragen war. Bald brack auch offener Zwist unter den Neacntschaftsglicdern aus und Herr v. Maurer war es, der am entschiedensten dem Grafen Armansperg op- ponirte. Gräf Armansperg wußte cs bei dem König von Baiern durch- züsetzen, daß Hr. v. Maurer ebenso wie Hr. o. Abel, der später der Regentschaft beigegeben worden war, zurückbcrufen wurde und un seine Stelle ein dem Grafen Armansperg ganz ergebener Mann in der Per son des Hrn. v. Köbell nach Griechenland geschickt wurde. Hr. v. Mau rer gab einige Zeit-nach seiner Rückkehr nach Baiern zu seiner Rechtfer tigung das bekannte Buch heraus: „Das griechische Volk in öffentlicher, kirchlicher und privatrechtlicher Beziehung vor und nach dem Freihcits- kampfe bis I. Juli 1834." Hr. v. Maurer hat während seiner Laufbahn in Griechenland sich namentlich der Gesetzgebung gewidmet. Seine Werke waren die vier Ge setzbücher: ein Strafgesetzbuch, ein Gesetzbuch für daß Strafverfahren, «ine Gerichts- und Notariatsordnung und das Gesetzbuch über das Civil- verfähren. Er war dazu vor Allen befähigt durch seine früher» Stellun gen, und auch der Geist, der in diesen Gesetzgebungen herrscht, diemeist auf französische Gesetzgebung gegründet sind, erklärt sich aus seiner frü hem Stellung. In der jetzigen bairischen Rhcinpfalz geboren, ging er, nachdem er seine juristischen Studien in Heidelberg beendet hatte, zu sei ner weitern Ausbildung im Jahre 1812 auf 2 Jahre nach Paris und wurde gleich nach seiner Rückkehr, da er das Französische genau kannte, auf dem deutsch gewordenen linken Rhcinufer nach und nach an verschie dene Gerichtshöfe, zuletzt als SkaatSprocurator nach Frankenthal beru fen, von da im Jahre 1826 als Professor an die Universität nach Mün chen für das deutsche Privatrecht, deutsche Reichs- und RcchtSgeschichtc, sowie das französische Recht, nachdem kurz zuvor seine Geschichte des altgermanischen und namentlich altbairischcn mündlichen Gerichtsverfah rens von der Akademie der Wissenschaften zu München mit dem ersten Preise gekrönt worden war. Es ist mir später bei dem Interesse, das ich unwillkürlich an Hrn. v. Maurer nahm, eine höchst erfreuliche, aenugthucnde Erfahrung gewe sen, überall in Griechenland von Hrn. v. Maurer mit der größten Ach tung und Anerkennung sprechen zu hören, während die Regentschaft im Allgemeinen von allen Griechen nur mit Abscheu genannt wurde, und mich zu überzeugen, daß von Allem, was die Regentschaft getban, eigent lich nur Das, was Hr. v. Maurer geschaffen hatte, ihr- Existenz über lebt hat. Denn die Gesetzbücher, die Hr. o. Maurer während der kur zen Zeit seines Aufenthalts in Griechenland gegeben, bestehen noch jetzt und werden noch immer als ein wahres und wohlthuendcs Geschenk der Regentschaft anerkannt, während alles klebrige, was die Regentschaft ge- than, entweder längst beseitigt ist oder nur bittere Früchte getragen hat. Die Schrift, die ich oben erwähnte, welche Hr. v. Maurer nach sei ner Rückkehr zu seiner Rechtfertigung heraußgab, hat vielfachen Tadel erlebt-, und jedenfalls kann man sich beim Durcklesen derselben nicht des unangenehmen Gefühls erwehren, daß sic nicht ohne Leidenschaft und nicht mit'rechter .ruhiger Würde geschrieben, daß sie Einzelheiten und Klein liches erwähtit, die man in einer solchen für das große Publicum be stimmten Schrift nicht wünscht. Allein man wird, sie nachsichtiger beur- thcilen, wenn man sich die Verhältnisse vergegenwärtigt, durch welche Hr. v. Maurer zu derselben genöthigt wurde, und bei denen ihm diese Schrift als das einzige Mittel übrig blieb, sich zu rechtfertigen. Er war plötzlich, ohne Angabe eines weitern Grundes, von Athen abberufen worden und hatte in München vergeblich auf Untersuchung seines Verfahrens gedrun gen; man hatte ihm ebenso wenig diese Untersuchung, als eine Genug- Ihuung gewährt, und nachdem er über ein halbes Jahr vergeblich wieder holt darauf angetragcn und auf keine Weise weder das Eine noch daß Ändere erlangen können, vergeblich erklärt hatte, er sei außerdem gcnö- thigt, selbst seine Rechtfertigung zu übernehmen, hatte er sich zur Her ausgabe dieser Schrift genöthigt gesehen, um nicht vor seinen Zeitgenossen in einer Sache, welche die Aufmerksamkeit von ganz Europa erregt hatte, gebrandmarkt dazustehcn. Erst als man erfahren, daß sein Buch bereits gedruckt sei, welches das ganz unverantwortliche Treiben des Grafen Ar- manßperg enthüllte, hatte man von Seiten der bairischen Regierung sich anschicken wollen, etwas zu feiner Rechtfertigung zu thun, doch da war es bereits zu spät. Eine direkte Genugthuung war ihm zwar auch nach her nicht geworden. Indessen wenigstens auf indirecte Weise wurde ihm die Rückkehr der königlichen Gnade zu Theil. Er wurde, nachdem er vorerst nach seiner Rückkehr ohne alle Anstellung gelassen worden war, nach Erscheinen jenes Buchs als wirklicher Staatsrath wieder einberufen, und wenn bei Gelegenheiten wie an der könial. Tafel später die Rede auf Graf Armansperg kam, wendete sich der König, indem er das Ver fahren und den Charakter des Grafen Armansperg mit höchst mißfälli gen, oft ziemlich starken Ausdrücken bezeichnete, stets nach der Seite hin, wo Hr. v. Mäurer saß. Außer der Bearbeitung jener Gesetzbücher, mit denen Hr. v. Maurer Griechenland beschenkt hat, verdankt ihm dasselbe noch eine höchst wichtige Maßregel, die zu jener Zeit vielfach getadelt und damals durchaus nicht gehörig gewürdigt worden, die aber von dem aller- entschiedensten und nützlichsten Einfluß aus die ganze Existenz von Grie chenland gewesen ist: ich meine die Trennung der griechischen Kirche vom Patriarchate zu Konstantinopel, wodurch erst Griechenland wirklich von der Türkei und Rußland faktisch unabhängig und der König als Ober haupt der Kirche zugleich selbständig wurde, eine Maßregel, die ebenso die Klugheit des Hrn. v. Maurer als Staatsmann, wie dessen große Energie beurkundet. Hr. v. Maurer hatte an jenem Abend, als ich zuerst seine Bekannt schaft machte, mich mit der zuvorkommendsten Freundlichkeit aufgefodert, ibn zu besuchen. Ich säumte nicht lange, von dieser mir so angenehmen Erlaubniß Gebrauch zu machen, und folgte mit Vergnügen seiner Ver anlassung, später, theils bei größern Cirkcln, thcils allein, sein Haus mehrmals zu besuchen. Er war der liebenswürdigste Wirth gegen Jeder mann. Er beglückte mich später mit den gewichtigsten Empfehlungen nach Griechenland. Hrn. v. Abel lernte ich leider nicht kennen. Ich begegnete ihm nir gend in der Gesellschaft, und ihn sonst aufzusuchen hatte ich weder Veranlassung, noch wollte ich, so sehr ich gewünscht hätte, ihn persönlich kennen zu lernen, in seiner damaligen so beschäftigten Stellung mir er lauben, eine solche herbeizuführcn. Auch er nahm bekanntlich an der Re gcntschaft Griechenlands Theil, obgleich cr kein ursprüngliches Mitglied derselben war, sondern nur später derselben beigegeben wurde. Ich habe später in Griechenland nur mit großer Achtung und Anerkennung von ihM und seinem administrativen Wirken sprechen hören. Bekanntlich muß man in dem Leben des Hrn. v. Abel zwei total verschiedene Epochen unterscheiden: seine erste, eine entschieden liberale und aufgeklärte, seine zweite, eine fast absolutistische und bigote. In die erstere fällt noch seine Wirksamkeit in Griechenland. Hr. v. Abel wurde im Jahr 1827, nachdem er 1819 als RegierungSrath nach München gekommen war, Ministerialrath beim Ministerium des Innern. Allein seine politi sche Thätigkeit begann erst mit dem Landtage von 1831, wo er Regie rungScommissar war. Damals machten ihn seine freisinnigen Ansichten namentlich über die Presse, und Aeußerungen, wie: „Es sei für Jeden in der Versammlung beinahe eine Ehrenpflicht, der Censur, wie bei der