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Italien. Aus T»«eana vom 15. März schreibt man der augsburgcr All gemeinen Zeitung: „Die ultralibcräle Partei, welche, wie alle extremen Parteien, durch keine Erfahrung klug wird, sucht in TöSeana wie im Kirchenstaate Alles zu thun, um eine bessere Zukunft für Italien zu verei teln. EsD bereits berichtet worden, daß in Florenz im Theater aus einer Loge aufwiegelndc PaniPhlets auf das Parterre herab geschleudert wur den. (Nr. 57.) In Pisa benutzt die aufgeregte Jugend mit einigen un- bcsonncneN-Einwohnern jede Gelegenheit, um sich gegen eine deutsche Groß macht, welcher im größten Theile von Italien mit so viel Unverstand alles Schlimme zugeschricben wird, zu äußern. So wurde dem Erzherzog Ferdinand von Este, der bei seiner Durchreise im Palaste des Herzogs von Modena am Kai des Arno übernachtete- vor einigen Tagen von einem kleinen Haufen Ruhestörer ein Percat gebracht, worauf der Haufe, nach dem er einige Scheiben zertrümmert und ein paar Petarden geworfen batte, lärmend wciterzog. (Nr. 80.) Es sollte dies diesem Fürsten zum Theil als Commandirendem in Galizien ae^en; denn jene Partei sicht die jüngste Revolution in Polen nur im Sinne des National an. Dabei wurden aber noch weitere Verwünschungen vernommen. Einige Tage vorher hatte man gedruckte aufrührische Pläcate an verschiedenen Punkten der Stadt, unter andern selbst auf dem Dvmplatze, am Hellen Tage, wäh rend die Menge in die Fastcnpredigt strömte, angehestet. Einige Ver haftungen wurden zwar vorgcnommen, indessen wünschen die bessern Bür ger Pisas, und dies ist beiweitcm die Mehrzahl, eine strengere Polizei, welche in der Lhat in Toscana gegen die untere Volksklasse und deren Cynismus überaus lax ist. Auch bereitet man dem Vernehmen nach ehe Adresse an den Großherzog vor, um jene Exccsse exaltirter junger beute zu deöavouircn." ' 15- März. Wenig Zuverlässiges, aber sehr viele Gerüchte circuliren über die in Ancona und Rom entdeckte Confpiration dcr Rußland und Mol««. * Petersburg, 18. März. Die seit kurzem begonnene und noch in der Ausführung begriffene geistige Reform der Juden in Rußland ist ein zu wichtiges Ereigniß in der Völkcrbildungsgeschichte dieses Staats, als daß sie der Beachtung ganz entgehen darf; darum hier ein kurzer ge- scbichtlicher Rückblick auf die frvhcrn geistigen Verhältnisse der Juden in Rußland und den mit ihm incorporirten polnischen Provinzen, verglichen mit Dem, was. in den letzten fünf Jahren zu ihrer geistigen Reform von der Regierung geschehen ist. Die zahlreichste jüdische Bevölkerung zählt der russische Westen, hier befand sic sich bis jetzt noch in grasser Unwis senheit; ihr intelligentester Theil in Rußland findet sich unstreitig in den neurussischcn Provinzen, vornehmlich in dcr Stadt Odessa vor. In den russischen Westprovinzen bestanden bis zum Jahr 1840 israelitische Schulen in großer Zahl, waren aber in ihrer alten Form wenig ge eignet, geistige und sittliche Bildung der Juden auf kräftige Weise zu fördern. Schon im Jahr 1835 gab die Regierung den Juden die Er- parteiischcn Anhänger einer Partei. Daß es solche Amphibien in allen Zuständen und Verhältnissen der Lebens gibt, ist leider nur zu wahr; «S gibt Geschöpfe, die sich einbilden, etwas für sich selbst zu sein, weil sie Niemandem angehörcn wollen, aber doch nichts für sich selbst und folglich-gar nichts find; zufällig können sie allerdings ein Element der Stärke für den Ehrgeiz oder die Leidenschaft sein, aber wenn sie auf die^ Dauer in ihrer eitlen Vereinzelung bleiben könnten, so würden sie Alles hemmen oder verderben. „Hammer oder AmboS muß man sein", sagt Goethe, und nirgend ist dieses Wort wahrer als in der Politik, wo man entweder die Andern führen oder geführt werden, Feldherr oder Soldat sein muß. Ich bin jedoch weit entfernt, die Ernennung des Hrn. de Mallcville zu beklagen, sic könnte für das Ministerium eine Warnung fein, daß man kein Minister ist, um sich in dem lieben kar nionto zu sonnen und daß zwischen der Politik, die nichts thut, und der wahr haft erhaltenden Politik ein bedeutender Unterschied ist. Das Ministe rium kann daraus ersehen, daß Majoritäten nicht dazu da sind, um sich in ihnen wie in einem weichen Bett schlafen zu legen, daß sie nicht dem Stolz und dem Vergnügen eines Menschen, sondern einem Principe die ne», ein Princip aber, wie Alles was ist, sein Leben nur dadurch be urkundet, daß cs sich bewegt, mit andern Worten, etwas schafft, etwas zeugt, und die Beständigkeit der Dinge, die cs beseelt, hierdurch bestätigt, indem es sie verändert, ohne sie zu zerstören. Die Radikalen wollen an- dcrn, um zu zerstören; wenn die Conscroativen nicht ändern wollten, um nicht zu zerstören, wo wäre ihre Ucberlegcnheit? Es würden im,Gegen theile die Radikalen wenigstens den Ruhm der Energie haben, denn alles Mndern, zu welch verderblichem Zweck es auch geschehe, setzt Handeln voraus, und wie vortrefflich auch die Gründe zum Nichlsthun sein mö gen , cs ist immer ein Uebel. Dies gilt natürlich nur von dcr inner» Po litik, und auch da darf man es nicht so nehmen, als sei die Regierung in vollkommene Lethargie versunken, sie zeigt nur zur Trägheit größern Hang als zum Wirken; in seinem bcsondern Fache, in den auswärtigen Angelegenheiten, hat sich Hr. Guizot bekanntlich seit einem Jahre rüh riger als sc gezeigt, das erkennt die öffentliche Meinung ganz gut an, aber sic hält ihn für einen zu bedeutenden Mann, um ihm eines bloßen guooes cl« spooialilö wegen ein Zeugniß dcr Zufriedenheit auszustcllen. '/- Paris, 23. März. Dcr so überraschend zwischen dcr russischen Regierung und dcrBank von Frankreich abgeschlosseneRentenkauffährt fort, die gcsammte finanzielle und politische Welt in Bewegung zu setzen.. Ich unterlasse, von all dem lächerlichen Geschwätz zu sprechen, welches die Journale darüber zu Tage gefördert haben. Es licsert einen aber maligen Beleg zu den Übeln Gewohnheiten der französischen Presse. So- hald eine geheime Unterhandlung aus ein Resultat hinausgegangen ist, sobald von irgend einer vorhandenen Combination verlautet, tischen die meisten von unsern Blättern die absurdesten Gerüchte auf. Es geschieht von den allen officiellcn Beziehungen am fernsten stehenden Blättern, und gerade Diejenigen, welche durchaus keinen Zutritt in die Ministerien und Kanzleien haben, bringen yic meisten Einzelheiten. Man sollte glauben, sie hätten sämmtliche Depeschen gelesen und alle Besprechungen mit an- achört. Je geheimer alle diese Dinge sind, je unmöglicher die Erzäh- jungm, je reichlicher werden sid vorgcbracht. Am meisten zu beklagen ist, nicht, daß sich Federn sür solche Albernheiten finden, sondern daß cs genug leichtgläubige Leser dafür gibt. Der Vorgang zwischen der Bank und Rußland war zu seltsam, um nicht unsere Nouvellistcn in Gang zu bringen, und wir haben denn auch alle Einzelheiten desselben von Stunde zu Stunde erzählt bekommen, was deshalb zwischen der Fürstin Lieven, dem Könige der Franzosen, dem Kaiser Nikolaus und Hrn. Gui zot verhandelt wurde. Doch genug von diesem kindischen Treiben; reden wir ernsthaft von ernsthaften Dingen. Ein bisher bestrittener Punkt,'von wem nämlich die Initiative in der Sache ausgegangen sei, ist jetzt außer Zweifel gesetzt. Rußland hat den Antrag dazu gemacht, und Hr. Guizot erhielt durch Hrn. v. Kisseleff die ersten Eröffnungen. Das Einschlagen dieses diplomatischen Weges für eine rein finanzielle Sache hat ihr eine politische Färbung gegeben. Hätte der Kaiser nur Renten kaufen wollen, ko würde er dies durch einen Bankier oder Wcchselagenten haben bewir ken können; allein er ließ die Bank von Frankreich durch seinen politi schen Geschäftsträger um Ucberlassung ihrer verfügbaren Renten angcben. Dadurch wurde die Sache zu einer ungewöhnlichen Demonstration. Der Kaiser hatte es hiernach offenbar auf einen großen Effect abgesehen. Er hat ihn erreicht. War aber dieser Effect ein günstiger? Im Allgemeinen, ja! Alles erkennt das Vortheilhafte für die Bank an, welche dadurch -die Mittel erlangt, die in England gemachte Anleihe zu tilgen, und das Vortheilhafte für Frankreich, weil es demselben ohne neue Baarscndungen gestattet, das in Rußland angekaufte Getreide zu bezahlen. Dem russi schen Interesse ist das Geschäft ebenfalls in mehr als Einer Hinsicht gün stig. Die Erwerbung von Renten zu niedrigem Curfe gibt die Aussicht auf Gewinn beim Wiederverkauf zu höhcrm; auch zieht die Operation den französischen Hgydcl von neuem nach den russischen Häfen. Der mo ralische Effect bestand wol darin, Diejenigen, welche an eine üble Lage der russischen Finanzen ^glauben, zu überzeugen, daß Rußland mit Leich tigkeit über große Capiialc verfügen kann. Der politische Effekt geht daraus hervor, daß der Kaiser durch jenen Schritt Vertrauen in Fränk- wcichö öffentlichen Eredit bezeigt, dies auf diplomatischem Wege bekennt .und einem großen französischen Institut in seiner augenblicklichen Verle genheit in einem Zeitpunkte zu Hülfe kommt, wo di« Beziehungen zwi schen Frankreich und England erkaltet sind. Manche wollen in der An nahme von des Kaiser« Antrag ein Entgegenkommen zu einer vertrauten Allianz mit Rußland, das gänzliche Aufgebcn der englischen Allianz, Ber läugnen der liberalen Ideen, di« Ueberlicferung der. Türkei in russische Hände, Deutschland dem moö^owitischen Einfluß oh',,« Gegengewicht »uber- mit der neuen Regierung Unzufriedenen, welche ausschließlich aus Emis sären einer Priesterreaction gegen die Wiedereinführung der secularen Rechte der Bevölkerung des Kirchenstaats besteht. Das ist ein Factum; ebenso, daß man sich verbunden hatte, in der allgemeinen Verwirrung dcr Dinge selbst den Papst mit den ihm ergebensten Cardinälcn aus dem Wege zu räumen. Die Verhaftungen der Mitschuldigen dauern fort; doch hofft man von der überschwänglichen Milde Pius' IX. cjne zweite Amnestie, welche ein noch edlerer Willensact fein würde als jene erste, da sie persönlichen Feinden Verzeihung ««gedeihen ließe. Eine Verschwörung gegen die neue Ordnung der Dinge im Kirchenstaat ist das Ihoüchtste Beginnen von der Welt, denn das Volk schwärmt für den jetzigen Papst, und des ganzen Landes bedeutendste bewaffnete Macht sind die neuorganisirtcn Bürgergarden dcr kleinsten wie der größten Städte. Dazu ist das immer glimmende Feuer auf dem revokutionairen Herde zu Bologna so gut wie ganz erloschen, seitdem die dortige Guar dia civica ihren Kameraden der Stadt Rom eine kostbare Fahne, unter welcher sie mit ihnen für Pius IX. bis in den Tod zu streiten schwur, unlängst zum Geschenk übcrschickt hat. Der Papst will diese Fahne selbst am Ostertage consecriren und der. römischen Bürgcrgarde alsdann aus händigen. — Das erste geheime Consrstoriüm dieses Jahres ist nach der neuesten Bestimmung deS Papstes auf den 22. März anberaumt. In demselben wird die päpstliche Bestätigung einer ungewöhnlich großen Zahl von Bischöfen und die Ernennung mehrer Eardinäle erfolgen. liefert, kurz, eine vollständige und nah« diplomatische Revolution erkenn««. Dir öffentliche Meinung beunruhigt sich über diese Vorhersagungen niO. Sie nimmt eine gute Sache günstig hin und sieht im Uebrigen unbesorgt der Zukunft entgegen. Schweiz. In »een ist die Bewegung wegen dcr Berufung des Do. Zeller immer noch im Wachsen begriffen. Die an den großen Rath eingegebe nen Petitionen gegen Do. Zeller S Berufung sollen bereits gegen 14,000 Unterschriften enthalten. Der Pfarrer der reformirten französischen Kirche in Bern hat sich geweigert, die Proklamation der Regierung von der Kanzel zu verlesen. Am folgenden Tag ist er vor das Statthalteramt zur Verantwortung gezogen worden. DaS gleiche Verfahren wird durch das ganze Land beobachtet werden. Mehre Volksversammlungen wurden für und gegen Do. Zeller abgebalten. Die Versammlung deS Volksver eins von Bern hat sich für Festhaltung an der Berufung Zellcr'S ausge sprochen. Dcr akademische Senat beschloß mit Mehrheit in der Sache neutral zu bleiben. Am 22. März ist der große Rath sehr zahlreich zu- sammengctreten. (N. Z.-Z.)