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1082 jösische Gesandte in China, wußte von dem Innern Griechenlands durch eigne Anschauung nichts, als waS er auf einer kleinen Exkursion nach Nau- plia, die im Ganzen drei Tage gedauert, gesehen hatte. Die Herren Ge sandten entschuldigen sich stets damit, daß sie sich wegen der Posttage nicht von Athen auf längere Zeit entfernen könnten; allein diese Post fand mit Abgang des Oampfbootes nur alle 14 Tage statt. Hat man nur unsere europäischen Verhältnisse im Auge, wo man von der Hauptstadt ganz bequem den Charakter des übrigen Landes er fassen und kennen lernen kann, so muß diese Rüge ziemlich überflüssig erscheinen; allein in Griechenland ist es nicht wie in den übrigen Thei len von Europa. Dort gibt die Hauptstadt kein Bild von den innern Zuständen des Landes, und wer Griechenland nach Athen beurtheilen wollte, würde sich tausendfach täuschen. Von den jetzigen Gesandten ist der französische, Hr. de Piscatory, auch mit dem Zustande des Landes durch eigne Anschauung etwas näher bekannt, indem er noch als Depu- tirter eine Reise durch Griechenland unternommen hatte. Hr. v. Laurin, Generalkonsul in Alexandrien, ist ebenfalls bürgerlicher Geburt. Sein „von" ist nur Folge des ihm verliehenen Ordens der eisernen Krone, der den persönlichen Adel gibt. Er steht im Ausgange der fünf ziger Jahre. Er ist ein trefflicher Geschäftsmann, ein durchaus prakti scher und verständiger Mann, der mit regem Sinn und Auge die Sachen klar und nüchtern nimmt wie sic sind. Hr. v. Laurin war/ ehe er nach Aegypten kam, Generalkonsul in Palermo, genoß dort einer ausgezeich neten Achtung überhaupt und eines großen Einflusses auf den Gouver neur, bei dem er in besonderer Gunst war, und man erzählte mir noch nach seinem Abgänge von Palermo von der großen Achtung, in der er im Allgemeinen dort gestanden, sodaß sich oft Angehörige anderer Nationen nicht an ihren Generalkonsul, sondern an Hrn. v. Laurin gewendet hatten, um «ine Sache, die sie schon längst vergeblich betrieben, durch ihn zu erlangen. Ich habe nicht genau erfahren können, warum er diese angenehme Stellung aufgegeben; jedenfalls hörte ich es in Palermo eben sowol in seinem als im allgemeinen Interesse bedauern. Er hielt sich nachher einige Zeit in Neapel auf und wurde von da nach Alexandrien versetzt. Er steht bei dem Vicekönig in großem Respekt; es ist der Respekt, den die Furcht eingibt, indem Hr. v. Laurin zu verschiedenen Malen aus das energischeste ohne allen Hehl dem Bicekönig seine entgegenstehenden An sichten ausgesprochen hat. Ich war selbst bei einer Audienz des Vicckönigs Zeuge eines solchen Vorgangs. So war cs auch bei Gelegenheit der ägyptischen Frage, als Hr. v. Laurin von den Ansichten Oesterreichs, gegenüber dem Vicckönig, sprach, als ihn der Vicekönig höhnisch fragte: wie viel denn Oesterreich Fregatten habe? und Hr. v. Laurin ihm zur Antwort gab: daß Oester reich hinlängliche Transportschiffe habe, um in wenig Tagen IV,V00 Oesterreicher an die Küste von Aegypten zu führen, die in kürzester Zeit seine ganze ägyptische Armee zu Paaren treiben würden". Er gehörte früher zu der Gesandtschaft in Athen und hatte daher seine Berichte über Aegypten an Hrn. v. Prokesch einzuschicken. Da nun aber diese beiden Herren in ihren Ansichten über Aegypten auch direkt sich gegenüberstandcn, indem Hr. v. Prokesch über Mohammed-Ali und Aegypten ungefähr dachte wie der Fürst Pückler und in Aegypten ein Land sah, unbezwingbar an Größe und voll sich entwickelnden Reichthums, wäh rend Hr. v. Laurin schon lange vor der Katastrophe des syrisch-ägyptischen Feldzugs die Nichtigkeit und Leerheit der ägyptischen Macht fortwährend dargelegt hatte, so hat es Hr. v. Laurin endlich dahin gebracht, anstatt der Gesandtschaft in Athen, der Gesandtschaft in Konstantinopel unterge ordnet zu werden und dieser seine Berichte einzusenden. Hr. v. Prokesch war früher von dem Fürsten v. Metternich sehr be günstigt, was sich eine Zeit lang gemindert haben soll, während er jetzt wieder sich in dieser Gunst gehoben zu haben scheint. Man erzählt, ich weiß nicht mit welchem Rechte, daß die Aufmerksamkeit des Fürsten vor züglich dadurch auf Hrn. v. Prokesch gerichtet worden sei, daß in einer Conferenz wegen Ausbruch der polnischen Revolution, zu der Hr. v. Pro- krsch gezogen worden war, und wie di« meisten Stimmen sich dahin ver einigt hatten, daß man sofort Truppen nach den österreichisch-polnischen Provinzen schicken müsse, Hr. v. Prokesch auSgerufen habe: „Nicht nach Polen, nach Italien müssen Truppen geschickt werden!" Hr. v. Prokesch war seit vorigem Sommer auf Urlaub von seinem Posten in Athen abwesend und hat nach einem Aufenthalte von mehr als einem Monat in Wien eine Reise über Berlin, Hamburg, London und Paris gemacht, von der zu rückgekehrt er biß Ende März sich in Wien aufgehalten hat, und daher sich auch noch daselbst befand, als die Nachrichten von der Differenz zwi schen der Pforte und Griechenland eintrafcn. Daß diese Reise nach Lon don und Paris nicht ohne specielle Beziehung auf die Verhältnisse Grie chenlands gewesen ist, unterliegt wol keinem Zweifel. Es ist eben so gewiß, daß an den jetzigen für Griechenland günstigen Instructionen seine Anwesenheit daselbst und sein Gutachten manchen An theil hat. Man könnte glauben, aus diesen Rathschlägen ließe sich auf eine besondere Vorliebe des Hrn. v. Prokesch für Griechenland schließen; dies ist aber nicht der Fall; Hr. v. Prokesch liebt die Griechen nicht. Seine frühere Bekanntschaft mit denselben während hes Unabhängigkeits kriegs hat ihm keine Vorliebe für dieselben beigcbracht, ja er erklärt in seinen Denkwürdigkeiten geradezu , daß die Griechen zur Freiheit und Selbstregierung durchaus nicht reif seien. Er zieht die Türken weit vor. Eben so wenig ist Hr. v. Prokesch, als guter Oesterreicher, ein Anhän ger des konstitutionellen Systems, und er war daher stets gegen die Ein führung einer Constitution; allein er kennt aus eigner Anschauung recht j gut, wie cs in Griechenland und in der ganzen Türkei unter den Grie chen, gegenüber der Pforte, aussieht, und daß es nur eines einzigen Fun- ! kens bedarf, um dieses allgemeine Kriegsgcfühl gegen die Pforte zu Hel len Flammen anzufachen, die nicht so leicht wieder gestillt werden möchten. ! Er hält eben so wenig das KolettiS'sche Ministerium für das tüchtigste in Griechenland, und weiß recht gut, daß die KolettiS'sche Partei nicht gerade die der Capacitäten ist, die bekanntlich stets eigentlich die russische ' Partei in Griechenland bildeten. Allein die Kolettis'sche Partei ist die nationale und das Ministerium daß der Majorität, und bei allem Wi derwillen gegen constitutionelle Regierung hat er doch zu viel Einsehen und Takt, um nicht ein Ministerium, daß unbedingt das der Majorität und Nationalität ist, aus voller Ueberzeugung und offen zu unterstützen. Ein früherer Versuch deß Hrn. v. Prokesch, Oesterreich auf diese Weise in den griechischen Angelegenheiten wieder einen größern Einfluß zu verschaffen, mislang. Die jetzige Gelegenheit dürfte besser gewählt sein; denn es ist keinem Zweifel unterworfen, daß das jetzige Einschreiten Oesterreichs zu Gunsten Griechenlands, gegenüber der Pforte, nicht nur bei der Pforte von Einfluß sein muß, sondern auch für den Einfluß Frank reichs auf die griechischen Verhältnisse, gegenüber den wühlerischen Be strebungen Englands, ein bedeutendes Gewicht in die Wagschale legen muß. Diesmal haben Graf Stürmer und Hr. v. Prokesch ihre Naturen getauscht; die Rathschläge Prokesch's sind viel mehr ruhiger, conservati- ver, beschwichtigender, ja, ich möchte sagen, österreichischer, als das An- dringcn Stürmcr's auf Satisfaktion von Seiten Griechenlands. Stellt man die obenbezcichncten Persönlichkeiten des Grafen Stür mer und des Frhrn. v. Prokesch zusammen, so drängt sich wol von selbst der Gedanke auf, daß diese beiden in jeder Beziehung so ganz verschie denen Männer nicht ein besonderes Band harmonischer Ucbereinstim- mung und inniger Freundschaft verbinden kann, um so mehr, da Hr. v. Prokesch schon seit längerer Zeit auf den Gesandtschaftsposten in Kon- stanrinopel aspirirt, ebensowol wegen der höher» Stellung, die dieser gewährt, als wegen des höhern Gehalts, der damit verbunden ist, denn er selbst besitzt eben so wenig Vermögen als seine Gemahlin, eine Tochter des Hofraths v. Kiesewetter in Wien. Uebrigcns sieht man aus dieser jetzigen türkisch griechischen Streitfrage wieder einmal von neuem, an wie wenig die orientalische Frage hängt und wie plötzlich mit Einem Male etwas geschehen kann, was über Nacht englische und russische Kriegsschiffe in den Bosporus bringt. Wissenschaft und «Kunst *Aus Siebenbürgen, im April. Kronstadt ist ein sehr bedeutender Ort, schon deshalb, weil er, nahe der türkischen Grenze, sich durch seine deutsche Cultur außzeichnet. Zum Beweise darf man nur die hier erscheinenden Zeitschriften anführen. Zuvörderst erscheint eine politische Zeitschrift unter dem Titel: Siebenbürger Wochenblatt, welche sich aber meistens mit ein heimischen Gegenständen befaßt, da Siebenbürgen ein konstitutionelles Land ist, und besonders bei dem gut organisirten Gemeindewesen der hiesigen Sachsen viel öffentlicher Sinn herrscht und der Bürger hier an den öffent lichen Angelegenheiten mehr Theil nimmt, als dies mitunter in Deutschland der Fall ist. Ein mehr encyklopädisches Blatt, aber auch mit vorherrschen der Tendenz für das Inland, ist der Satellit, das Beiblatt des vorge nannten. Eine dritte deutsche Zeitschrift erscheint unter dem Titel: Blätter für Geist, Gemüth und Vaterlandskunde, welche ein bloßes Unterhaltungs blatt ist, berechnet für den im Ganzen hier ziemlich bemittelten deutschen Gewerbsstand. Diese drei deutschen Zeitschriften werden meist von einem sehr tüchtigen und fleißigen Literaten rcdigirt, dem als Schriftsteller rühm lich bekannten Hrn. Anton Kurz, der jetzt „Neue Fundgruben der sieben- bürgischen Geschichte" herauLgibt, eine Fortsetzung der vor ein paar Jahren von dem ausgezeichneten Geschichtsforscher Grafen Joseph v. Kemmeny her- auSgegebenen „Fundgruben". Die Zeitschrift für die siebcnbürgische Ge schichte, ebenfalls von Hrn. A. Kurz rcdigirt, erfreut sich mit Recht deß allgemeinen Beifalls und ist in der gelehrten Welt hinreichend bekannt. Fer ner erscheint in Kronstadt, in walachischcr Sprache die Gazeta de Transil- vania für die hier lebenden 2W,<M> Romanen, auch wird sie viel in der Moldau und Walachei gelesen. Endlich erscheint daselbst auch eine sechste Zeitschrift unter dem Titel: Foaie, ebenfalls in romanischer Sprache, für Unterhaltung und Literatur. Diese beiden letzter» werden von Hrn. Georg Baritz sehr gut redigirt. Verleger aller dieser deutschen und wala- chischen Zeitschriften ist der auS Frankfurt a. M. gebürtige Johann Gött, welcher hier vier neue Pressen in Gang gebracht hat; er bedient sich der schönsten neuen Lettern und die Ausstattung der gedachten Zeitschriften läßt nichts zu wünschen übrig. Dieser unternehmende Mann gibt jetzt eine Ur kundensammlung des Senators Trausch heraus, eines um die Geschichte seines Vaterlandes sehr verdienten Mannes- Es ist erfreulich, zu sehen, wie zwei Meilen von der türkischen Grenze die deutschen Einwanderer seit beinahe 8l>v Jahren, ungeachtet aller oft gewaltsamen Trennung, dem deutschen Wesen treu geblieben sind. Verantwortliche Redaction: Professor Bülau. Druck und Verlag von U. Broykhau« in Leipzig.