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ZUR EINFÜHRUNG Johann Christian Bach (genannt der Mailänder Bach) ist der jüngste Sohn Johann Sebastians. 1735 in Leipzig geboren, war er Schüler seines Vaters. Nach dessen Tod vollendete sein älterer Bruder Philipp Emannel die Grundausbildung. 1754 setzt er das Studium in Mailand fort, wo er zugleich Hauskapell meister ist und später das Amt des Domorganisten übernimmt. Nach 8-jähriger Tätigkeit wendet er sich nach London und wird königlicher Musikmeister. Seino zahlreichen Werke, von denen heute die Sym phonie in B-dur erklingt, sind ganz anders geartet wie die seines Vaters. Er bevorzugt den heiteren Stil, der besonders an Mozart erinnert. Der erste Satz, ein Allegro assai, bringt nach dem einleitendem B-dur-Akkord das Hauptthema in den Violinen, das bald von den Flöten übernommen wird. Ein kleines Motiv der Flöten folgt, die Oboen ant worten, aber Klarinetten und Hörner behaupten eich und behalten das letzte Wort in diesem wechsel vollen Dreigespräch. Das Andante des zweiten Satzes beginnt mit einer lieblichen Kantilene der Violinen und Oboe, die alsbald von Flöten und Klarinetten übernommen und fortgeführt wird. Die Oboe setzt von neuem ein, begleitet von dem Piccicato der Streichinstrumente, bis das ganze Orchester in einer Wiederholung der ersten Melodie den Satz zu Ende führt. Das Hauptthema des dritten Satzes (Presto) beginnen wieder die Violinen. Die übrigen Instru- mentengruppen des kleinen Orchesters übernehmen es im weiteren Verlauf und führen so im 3/8 Takt die Symphonie zum heiteren Ende. Fünf Konzerte für Violine hat uns W. A. Mozart hinterlassen, von denen das in A-dur heute erklingt, jenes, das jedem Geiger noch heute ans Herz ge wachsen ist. Schon die nach dem Orchestervorspiel einsetzende überirdisch schöne Kantilene leitet ein Werk von seltener Kostbarkeit ein. Nach diesen sehn suchtsvollen Tönen des Soloinstrumentes setzt es un mittelbar mit dem herben, schönen A-dur-Thema ein, das uns durch die Schönheiten des ersten Satzes führt. Noch einmal läßt er im zweiten Satz den ganzen Sinnenrausch und die beseligende Schönheit der Vio line vor uns erstehen und schließt das Konzert ah mit einem im Menuett-Charakter gehaltenen dritten So ist dieses Konzert schönster Ausdruck für die in der Ruhe der Salzburger Jahre sich immer herrlicher entfaltende Genialität Mozarts, die diese Zeit des Reifens so überaus fruchtbar gestaltete, ehe ihn sein Ruf neuen Zentren des Musiklebens entgegenführte. Joseph Haydn (1732 —1809) schrieb seine Sinfonie in C-dur im Jahre 1791. Sie heißt wegen eines über raschenden lauten Paukenschlages im 16. Takt des Andante, des 2. Satzes, der bis zu diesem Takte im zartesten Piano verläuft, die ,,Sinfonie mit dem Paukenschlag“. Unter diesem Namen ist sie volks tümlich geworden. Der „Paukcnschlag" ist ein Zeichen für allerlei, womit sich Haydn auscinanderzusetzen hatte. Zunächst war Haydn, den wir heute fälsch licherweise gern den ,,Papn Haydn“ nennen, womit wir ihm eine gewisse Genügsamkeit und auch Be grenztheit seines Wesens und Temperaments an dichten, zu seiner Zeit ein wagemutiger und kühner Experimentator, der in seinen Werken allerhand ris kierte. Er experimentierte also in diesem Werke mit sehr unterschiedlichen Lautstärkeverhältnissen, mit Überraschungswirkungen, mit bis dahin noch recht wenig gebräuchlichen Effekten der Instrumentation. Die Wirkung dieses Experimentes war so, wie heute Neue Musik auf unser heutiges Publikum wirkt. Alan war damals schockiert, das heißt: von dem Paukenschlag erschreckt. Wir wissen heute, daß Haydn durch seine damals immer neu wirkenden Werke die Musik auf die Höhe der Wiener Klassik hinaufgeführt hat. Wir sehen heute nicht mehr, wie kühn für seine Zeit alles war, was er schrieb und wie unverständlich viele seiner Werke durch die Neuartigkeit der Tonsprache auf seine damaligen Hörer wirkten. Haydn hatte es also auch schon mit einer gewissen Trägheit seines Publikums zu tun, das sich durch die Musik leicht iu einen träumerischen Zustand versetzen ließ und ärgerlich bei der Zu mutung des Paukenschlages aus dem genießerischen Schlummer emporfuhr. Haydn liebte das Denken in der Musik, was er in seiner ganz neuen Art der Motivaufschlicßung und der Themenverarbeitung auch bewies. Mozart und Beethoven haben gerade diese Eigenart übernommen. Eine kurze, langsame Einleitung geht dem eigent lichen ersten Satze, einem sehr lebhaften, im Sechs achteltakte stehenden Musikstück, voraus. Das zweite Thema unterscheidet sich vom ersten durch eine größere Süßigkeit und eine graziöse Zartheit. Gerade dieser Satz ist ein Beispiel für das klassische Gleich gewicht zwischen Gefühl und Geist, das sich in seiner erstaunlichen formalen Abrundung zeigt. Der zweite Satz mit dem ominösen Paukcnschlag- experiment ist auf einer schlichten, volkstümlichen Melodie aufgebaut, die in verschiedenen Absätzen immer wieder verändert wird. Das Menuett ist dem volkhaften Musizieren noch am nächsten. Man sieht förmlich die Tänzer sich nach diesen Klängen drehen. Der Schlußsatz ist ein Rondo. In ihm kommt die Seelenheiterkeit Haydns und sein großer Witz, der sich mit einem außerordentlichen Können paart, zum Haydn war ein geistreicher Mensch, der gerade in den Schlußsätzen seiner Sinfonien seinen Geist fun keln läßt. Um ihn hier ganz zu verstehen, bedarf cs einer gewissen musikalischen Schulung, um sich dieser Fülle von motivischen Beziehungen und Verwand lungskünsten hingeben zu können. Johannes Paul Thitmnn