Volltext Seite (XML)
LV5 öffentliche« Bauten eingegangen und dir Ausführung verbleibt also zur , Keit der Regierung. — In der vorletzten Session versprach die Reaierung, der Bewässe- rüngSangelegenheit besondere Aufmerksamkeit zuwenden zu wollen. ES sind denn auch vom Minister der öffentlichen Bauten 100,000 Fr. zur Untersuchung im Interesse derselben auf das Budget für 1848 gebracht worden. , — Hr. Odilon-Barrot ist von seiner Reise nach der Levante wie der in Paris angelangt. — Die Eigenthümer und Versicherer der französischen Brigg EharleS-Auguste in Bordeaux, welche durch Zusammenstößen mit dem bri- tischen KrieqSdampfer Polyphem verunglückt ist, haben ein Dankschreiben an Hrn. Guizot wegen Unterstützung ihrer Entschädigungsansprüche bei der enguschen Regierung erlassen, worin sie zugleich den Empfang dieser Ent schädigung und das gerechte Verfahren der britischen Regierung und Ad miralität in dieser Sache anerkennen. * Varis, 7. Jan. Bekanntlich gibt es außer der heiligen Pfalzgräfin Genoveva von Brabant noch eine andere heilige Genoveva, die als Schutzpatronin von Paris verehrt wird. Dieser nahm man in der ersten Revolution ihrs Kirche und machte dieselbe, unter dem Namen des fran zösischen Pantheons, zum Tempel neuer Heiligen, die längst vergessen loder verwünscht sind. Die Sarkophage mit Rousseaus und Voltaire s Ueber- -resten stehen zwar noch in den Gewölben des Pantheons; aber wer pil gert zu ihnen? Kein einziger von den berühmten und berüchtigten Tobten, die damals canonisirt wurden, lebt im Gedächtniß des Volks fort. Das Andenken der heiligen Genoveva dagegen ist, nach 1400 Jahren, den Pa risern theurer als >e, und zu ihrem Grabe, in der benachbarten Kirche Saint-Etienne-du°Mont, wallfahrtet noch jetzt das ganze Jahr eine Menge Andächtiger. Die Hauptwallfahrt ist vom 3. chis 12. Jan. Während dieser neun Tage bildet sich auf dem Platze vor jener Kirche ein merk würdiger Jahrmarkt mit einer Masse von kleinen Buden, die den zahlrei chen, von nah und fern daher gcwallfahrteten Pilgern geweihte Sträuße, Rosenkränze, Heiligenbilder, Wachsfigürchen, Medaillen rc. verkaufen. Man traut seinen Augen nicht und meint, man wäre hundert Meilen weit weg von Paris bei einer berühmten Wunderkapelle, welche die von ärztlicher Hülfe verlassenen Kranken und die aus Seenöthen erretteten Matrosen belagern. Die Zahl der Wallfahrer steigt mit jedem Jahre. Die Umgänge und Feierlichkeiten der ncunlägigen Andacht zu Ehren der heiligen Genoveva sind im voraus bestimmt und an einem schwar zen Bret angeschlagen, welches die Tage und Stunden anzeigt, wann dieser oder jener Kanzelrcdner predigt, wann dieses oder jenes Kirchspiel aus der Stadt oder vom Lande seine Wallfahrt vollbringt. Die Predig ten, die Messen, die Proccssioncn, die Stationen am Grabe der Heiligen dauern ununterbrochen vom Morgen bis an den Abend, oft sogar bis tief in die Nacht hinein. Um dem großen Andrange vorzubcugrn, hat man für jeden Bezirk der Stadt und Umgegend einen besondern Tag ansetzen müssen. Die Leute vom Lande strömen scharenweise herbei auf allerlei drolligen Fuhrwerken, die ihre schwere Ladung hinter der Kirche im Pfarr hof absetzen. Man kann nichts Sonderbareres sehen als die bedeckten Bauerkarren, die altmodischen Landkutschcn und Stuhlwagen, über und über vollgepfropft mit gesunden und kranken Wallfahrern jedes Alters und Geschlechts, und man muß der Ausschiffung selbst beiwohnen, um sich eine/i Begriff davon zu machen. Es ist ein wahrer Noahkasten voll von Chor knaben, Chorsängern, Rauchfaßschwingern, Küstern und Pfarrern in abge schabtem Sonntagsornat, umwogt von Crucifixen, Fahnen, Weihwedeln, Schlangenhörnern, Hellebarden, Weihrauchbüchsen, die sich kreuzen, sto ßen und den Vorrang abläufen. Dieses Getümmel gehl in dem Hofe des Pfarrhauses vor, welches der Sohn des Regenten baute und bewohnte, als Lebensüberdruß und pietistische Mucken ihn bewogen, sich zum Geno- veoabruder zu machen. Der Gcnovevaorden besaß damals in Frankreich 900 Ordenshäuser und hatte 500 Pfarreien zu vergeben. Der Haupt- aegenstand der Ordensverehrung war der berühmte und kostbare Reliquien- schrcin, welcher die Gebeine der Beschützerin von Paris enthielt und bloß in Folge eines ausdrücklichen königl. CabinctSbefehls und Parlaments- deschlusscs proccssionsweise in der Stadt herumgetragen werden durfte. Im Jahre 1793 wurde dieser Schrein von massivem Gold und Silber auf Befehl der Regierung eingeschmolzen, und jetzt ist nur noch das Grab der Heiligen vorhanden. Um dasselbe herum brennen zahllose Wachsker zen; die Wände der Kapelle, worin es steht, find mit Exootos tapezirt; mehre Geistliche reichen nicht hin, die Evangelien und Messen zu lesen, die bestellt werden, und man schätzt die Anzahl der frommen Waller, die während der neuntägigcn Andacht nach dem Grabe der heiligen Genoveva pilgern, aus beinahe 200,000 Menschen. Die Menge der Trauringe, Flanelllacken, Hemden, Windeln, Halstücher, Schmucksachen rc., die an diesen Tagen gesegnet werden, scheint einem Ketzer fabelhaft. Dem Grabe gegenüber, an der Wand der Kapelle, fleht eine Frau mit geweihten Ker zen, Kreuzen, Bildern und Rosenkränzen aus, die in erstaunlichen Quan titäten abgehen. Zwischen diesem Heiligenkram und dem Grabe der Hei ligen sitzt ein Geistlicher in Ordenstracht an einem kleinen Bureau, vor welchem die Leute nicdcrknicn, die allerlei Gegenstände segnen lassen. Der Geistliche schließt in einem fort das vor dem Grabe befindliche Gitter auf, reibt den ihm zum Segnen cinmehändigten Gegenstand an dem wunder- thätigyi Monumcyte ein paar Mal hin und her, murmelt einige Segcns- wortc, gibt sodann das gesegnete Kleinod zurück und erwartet dafür eine kleine beliebige Spende. Zn der That trmangeln die frommen Wallfah rer nie, beim Weggehen einige SouS in den zu diesem Behuf ausgestellten Teller zu werfen, welchen der Geistliche alle fünf Minuten in die Schub lade seines Bureau ausleert, damit er unter der Kupfcrlast nicht zerbreche. Sin starker Geist, mit dem ich gestern das Grab der heiligen Geno veva besuchte, ärgerte sich hierüber sehr und fluchte auf die Pfaffen, die so etwas veranlaßten, und auf die Regierung, die dergleichen religiösen HocuSpocuS erlaubte. Der Mann sah die Sache vielleicht aus einem guten kameralistischen Standpunkt an, und hatte recht. Aber mich beru higte die Ueberzeuguna, daß man selbst das dumme Menschliche ehren muß, so lange man es nicht klüger machen kann, und es erfreute mich der Gedanke an die gemeinsame Stimmung, welche die Menge der Andächtigen beseelte, die hier vo« .allen Ecken und Enden zusammengcströmt waren. Mit un sern aufgeklätfen, auf die Gesetze der Arithmetik und die Principien der Kameralistik gegründeten StaatSverfassungcn sind wir endlich so weit ge kommen, daß wir kein Volk mehr haben und keine Volksversammlung, die durch einen gemeinschaftlichen Enthusiasmus und eine gemeinschaftliche Idee zusammengerufen wird. Alles ist daher erquicklich, was einer Volks versammlung, einem Volksfest ähnlich sieht, auch wenn die zu Grunde liegende Idee irrig ist, auch wenn man so gut weiß wie der gelehrteste Cameralifl, wie viel Taglohn an solchen Tagen verloren geht und wie viel Geld aus der Tasche des Volks in den unfruchtbaren Kirchenschatz der Geistlichkeit fließt. Im katholischen Cultus sieht man noch dunkel, was sonst das Volk war und der Priester. Unsere guten mechanischen Staatsverfassungen, in denen endlich kein einziger Gedanke mehr ist, den alle gemein haben, außer dem Eigennutze, werden innerhalb hundert Jah ren auch den katholischen Cultus planiren, und die Leute werden dann zu ihrem Seelenheile vielleicht so ordentlich vom Staate jeden Sonntag in die Kirche geführt, als jetzt die Soldaten gewisser Residenzstädte in die Garnisonkirche commandirt werden. Niederlande. Aus dem Haag vom 30. Dec. schreibt die augsburger Allgemeine Zeitung: „Fünf angesehene und unternehmende Niederländer, die sämmt- lich längere Zeit in den ostindischen Besitzungen in einflußreichen Aemtera gestanden oder als Besitzer ausgedehnten Grundeigenthums allda gelebt, haben den Plan gefaßt, eine Acticngesellschaft zur Beförderung der Aus wanderung von Europäern nach Borneo und zur Colonisirung dieser großen Insel zu gründen." Schweiz. Der Canton Freiburg ist in voller Bewegung. Unterm 6. Jan. wird von dort gemeldet: „Nachdem der Staatsrath in Erfahrung ge bracht, daß Abgeordnete verschiedener Gemeinden am verflossenen Sonn tag in Bulle zusammengekommen seien und dem ergangenen Verbot ent gegen die Abhaltung einer Volksversammlung auf den 10. Jan. auöge- geschrieben hätten, beschloß er, den großen Nath auf den 9. Jan. einzu berufen, ferner sammtliche Truppen des ganzen Cantons aufs Piquet zu stellen, um sich der auf den 10. Jan. festgesetzten Volksversammlung zu widersetzen, Zum Schutze der Hauptstadt werden morgen schon versam melt werden außer der Standescompagnie zwei Compagnien Embrigadirte und das erste Auszügerbataillon." — Aus Murten vom 6. Jan. Abends halb 9 Uhr heißt eö: „Die Revolution ist ausgcbrochen. Alles ist hier unter den Waffen. Von der Landschaft treffen jeden Augenblick neue Scharen Bewaffneter ein. Die Bezirke Boll, Greyerz, Stäfis sind in vollem Aufstande. Heute Abend ist das hiesige Schloß von einer Schar Bewaffneter gestürmt, der Obcramtmann verhaftet und die Herausgabe der Kanonen erzwungen worden. Die Stadt ist illuminirt, um Mitter nacht soll der Aufbruch gegen Freiburg erfolgen. Der Staatsrath hatte zwei Bataillone aus dem deutschen Bezirk, auf den er noch einigermaßen rechnen kann, einberufen. Auf die Kunde davon brach es überall los. An der Lroye sind 1000 Mann bereit, nach Freiburg zu marschiren, von Bulle her ist Alles im Anmarsch. Die Bewegung ist combinirt und, wie es scheint, wohl organisirt. Viel, wo nicht Alles, wird von der Haltung der Stadtfreiburger abhängen. Morgen in der Frühe wird Alles ent schieden sein." In Basel ging am 8. Jan. das Gerücht, nach Pri vatbriefen seien die Insurgenten bereits in Freiburg eingerückt. Nach andern Nachrichten sollen am 7. Jan. Morgens 200 Freiwillige aus Mur ten und Stäfis bereits vor Freiburg gelegen sein und den Zuzug von Bulle und Romont erwarten, um einen Handstreich zu wagen.— Der Regierungsrath von Bern hat zur Deckung der Grenzen das erste Aus zügerbataillon und die erste Scharfschützencompagnie aufgeboten. — Die Regierung von Waadt war in das Begehren von Freiburg um Gestat tung des Durchmarsches von Truppen (Nr. 12) nicht eingetretcn. — Der aus Zürich ausgewiesene Heinzen (Nr. 3) erläßt in der Ber ner Zeitung eine zweite vorläufige Erklärung, die also schließt: „Ich habe kein Asyl in der Schweiz gesucht, um den Preis vcr Ernie drigung als stummes Opfer roher Vcrfolgungssucht mich unter die Füße von «Rcpudlikanern» treten zu lassen. Hält man mich für rechtlos als Fremd ling, so bin ich nicht rechtlos als Mensch, und als Mensch werde ich mein Recht zu vertreten wissen, wo es auch sei. In kurzer Zeit werde ich mich über meine Angelegenheit in einer besondern Broschüre aussprechen. Bis dahin möge man das Endurthcil suspenbiren, wenn man nicht darauf ver zichtet hat, gerecht zu sein." Rußland und Polen. ** lVarschau, 5. Jan. Es scheint, als ob mit den Verurtheilungen der bei der letzten Verschwörung Bethciligtcn jetzt rasch fortaefahren werden solle. Es ist wenigstens in diesen Tagen abermals eine Guterconfisca- tion publicirt worden, die das Kriegsgericht über Joseph Rakowski, einen ehemaligen Sccretair bei dem Procurator des warschauer Crimi- nalgerichts, verhängt hat. Uebcr seine anderweitige Strafe verlautet bis jetzt noch nichts; doch ist zu erwarten, daß dieselbe jedenfalls in Depor tation bestehen wird. Merkwürdig ist in diesem Falle, daß, was sonst