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Ein Bayreuthpilger, über 80 Jahre alt: „Meine Herren (falls Sie nach Stellung Ihrer Rundfrage diese Anrede überhaupt noch verdienen), ich habe natürlich dieses zeitgemäße Machwerk nie gehört. Ein Leben lang bin ich ehrfürchtigen Schrittes zum Festspielhügel hinaufgewallt, um in andächtiger Versenkung den Bühnen weihfestspielen des Meisters zu lauschen. Niemals werde ich meine Seele durch Anhörung eines Tonstückes beschmutzen, das die göttliche Sprache der Musik zum Sinnenkitzel erniedrigt.“ Die Grundlage des Boleros bildet eine eigentümlich gegliederte Melodie von 16 Takten, sehr mäßig in der Bewegung, die länger als eine Viertelstunde ununter brochen wiederholt wird. Es fehlen Durchführungen und Verarbeitungen, es fehlen Modulationen. Die Bässe bleiben sich gleich, die Melodie erscheint lediglich einmal in Terzen, in Quinten und durch die Oktave verdoppelt. Lediglich beim 19. Themen eintritt moduliert Ravel plötzlich nach E-Dur, um in der Grundtonart abzuschlies- sen. Ein alltägliches, fast banales Thema, alltägliche Harmonien, ein gleichförmiger Rhythmus, und doch verzaubert und fasziniert diese Musik. Der Reiz des groß artigen Orchester-Crescendos ist einmalig, so primitiv und raffiniert zugleich, daß wir durch dieses „Karussell der Klänge“ ganz einfach überrannt werden. Ravel glaubte, daß seine Musik nur zum Tanz wirksam werden würde, und bei der Uraufführung in der Pariser Oper am 20. November 1918 wurde der Bolero auch als Ballett getanzt. Und doch: Erst durch die konzertanten Aufführungen wurde das Werk so populär. Ravel konnte sich der Einladungen, den Bolero selbst zu dirigieren, kaum noch erwehren; der Film schaltete sich ein, Rundfunk und Schall platte folgten. Der Welterfolg war eindeutig! Zur Zeit der Drucklegung dieses Programms befanden sich Partituren und Orchester material der beiden erstaufgeführten Konzerte für Violoncello und Orchester von Serge Prokofjew und Johann Christian Bach noch in der CSR. Aus diesem Grunde war es nicht möglich, eine Werkeinführung zu schreiben. Serge Prokofjew schrieb fünf Konzerte für Klavier und Orchester sowie zwei für Violine und Orchester. Das Konzert für Violoncello und Orchester erschien als Opus 58 im Jahre 1938, in einer Zeit also, da sich der sowjetische Komponist ganz für seine Heimat und sein Vaterland aussprach. In einem offenen Brief bekannte er sich zur Melodie als dem wesentlichsten Element der Musik: „Über die Frage der Bedeutung des Melodischen gab es für mich niemals Zweifel, ich liebe die Melodie, halte sie für das wichtigste Element in der Musik und arbeite viele Jahre lang an meinen Werken, um ihre Qualitäten zu verbessern. Eine Melodie zu finden, die auch einem nicht sachkundigen Hörer sofort verständlich und dabei originell ist, ist die schwerste Aufgabe für den Komponisten. Hier drohen ihm eine ganze Reihe von Gefahren; er kann ins Triviale oder Banale abgleiten, oder er läuft Gefahr, schon Geschaffenes zu wiederholen. In dieser Hinsicht ist das Komponieren komplizierterer Melodien wesentlich leichter. Es kommt auch vor, daß der Kompo nist sich lange mit seiner Melodie abmüht und an ihr herumbessert, ohne zu bemer ken, daß sie zu gekünstelt oder zu kompliziert ist. Man muß beim Komponieren besonders vorsichtig sein, damit die Melodie einfach bleibt und dabei nicht billig, süßlich oder epigonal wird. Das ist leicht gesagt, aber schwer getan. Und all mein Bemühen wird immer darauf gerichtet sein, daß diese Worte nicht ein bloßes Rezept bleiben, sondern daß ich sie in meiner künftigen Arbeit in die Wirklichkeit umsetze.“ Wolfgang Amadeus Mozarts drei letzte „große“ Sinfonien in Es-Dur, g-Moll und C-Dur sind oft als „Sinfonische Trilogie“ bezeichnet worden, obwohl zwischen den Werken kein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Im Sommer 1788 entstanden, wurden die drei Sinfonien anscheinend „auf Vorrat“ geschrieben, wahrscheinlich in der Hoffnung, im kommenden Winter im Rahmen der traditionellen Wiener Akademien eine Aufführung zu erreichen. Die Pläne zerschlugen sich jedoch. Wir dürfen mit Sicherheit annehmen, daß Mozart keine seiner drei großen Sinfonien