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„SCHEIN UND SEIN“ von Wilhelm Busch io Gesänge für eine Singstimme und Orchester von Fidel io F. Finke 1. Schein und Sein Mein Kind, es sind allhier die Dinge, gleichviel, ob große ob geringe, im wesentlichen so verpackt, daß man sie nicht wie Nüsse knackt. Wie wolltest du dich unterwinden, kurzweg die Menschen zu ergründen. Du kennst sie nur von außenwärts. Du siehst die Weste, nicht das Herz. 2. Leider ! So ist’s in alter Zeit gewesen, so ist es, fürcht’ ich, auch noch heut: wer nicht besonders auserlesen, dem macht die Tugend Schwierigkeit. Aufsteigend muß du dich bemühen, doch ohne Mühe sinkest du. Der liebe Gott muß immer ziehen, dem Teufel fällt’s von selber zu. 3. Die alte Sorge Er kriegte Geld. Die Sorge wich, die ihn bisher beklommen. Er hat die Jungfer Fröhlich zum Schatze sich genommen. Sie tranken Wein, sie aßen fein, sie sangen zum Klaviere, doch wie sie sich so recht erfreuen, da klopft es an die Türe. Die alte Sorge war’s, o weh, die magerste der Sorgen. Sie setzte sich aufs Kanapee und wünschte guten Morgen. 4. Wassermuhmen In dem See die Wassermuhmen wollen ihr Vergnügen haben, fangen Mädchen sich und Knaben, machen Frösche draus und Blumen. Wie die Blümlein zierlich knixen, wie die Fröschlein zärtlich quaken, wie sie flüstern, wie sie Schnaken! So was freut die alten Nixen. 5. Vertraut Wie liegt die Welt so frisch und tauig vor mir im Morgensonnenschein. Entzückt vom hohen Hügel schau ich ins frühlingsgrüne Tal hinein. Mit allen Kreaturen bin ich in schönster Seelenharmonie. Wir sind verwandt, ich fühl es innig, und eben darum lieb ich sie. Und wird auch mal der Himmel grauer; wer voll Vertrauen die Welt besieht,, den freut es, wenn ein Regenschauer mit Sturm und Blitz vorüberzieht. 6. Beruhigt Zweimal zwei gleich vier ist Wahrheit. Schade, daß sie leicht und leer ist, denn ich wollte lieber Klarheit über das, was voll und schwer ist. Emsig sucht ich aufzufinden, was im tiefsten Grunde wurzelt, lief umher nach allen Winden und bin oft dabei gepurzelt. Endlich baut ich eine Hütte. Still nun zwischen ihren Wänden sitz ich in der Weltenmitte, unbekümmert um die Enden. 7. Immerfort Das Sonnenstäubchen fern im Raume, das Tröpfchen, das im Grase blinkt, das dürre Blättchen, das vom Baume im Hauch des Windes niedersinkt — ein jedes wirkt an seinem Örtchen still weiter, wie es muß und mag, ja selbst ein leises Flüsterwörtchen klingt fort bis an den jüngsten Tag.