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Beilage zum KrzgeV. Wlksfreund. Freitag, den 13. September 1907 Nr. 314 Der eg zum Levem einem in den (Fortsetzung folgt.) vermiickles - Der Madras, dem denen Matura ernsthaft sagte: „Ich bin sioJ auf dich, mein Wolfgang!" Das war viel von dem Mann, der sonst schweigend alle- Geleistete als selbstverständliche Pflicht htnnahm. - schottische Missionar Or. Miller in «egen seiner großen Verdienste um die christ liche Hochschule in Madras die überaus seltene Ehre zu teil geworden ist, daß ihn die schottischen Universitäten zum Ehrendoktor der Theologie und Jurisprudenz promovierten, seine eigne Kirche ihn im Jahre 1896 znm Präsidenten ihrer Generalsynode erwählte, die Königin Viktoria ihm den höchsten indischen Orden verlieh, und seine Schüler, und zwar zum größten Teil Heiden, ihm bei seinen Lebzeiten ein Bronzedenkmal errichtet haben, hat jetzt nach 46jähriger Tätigkeit infolge eines Augenleidens von seinem Amt zu« rücktreten müssen. Der Alte hatte das in seiner gewöhnlichen feierlichen Art gesagt- und Wolfgang war gerührt gewesen. Pflicht und Eyre — ja, das waren die Götter, denen sein Vater geopfert hatte, lebenslang ohne Wanken, ohne Straucheln, ohne Kleinmütigkeit. Und Wolfgang war sein .Stolz ge wesen, weil er ihm darin nachzuschlagen schien .... Wenn der Alte ihn heute gesehen hätte! Mit einem Mate kam es Wolfgang zum Bewußtsein, welch tiefe Kluft zwischen dem gesunden, arbeitsfrcndigen, strebsamen und hoffnungsvollen Jüngling von einst und dem griesgrämigen, apathischen, energielosen Mann von heute war! Er schämte sich. Fort — dachte er — fort auS diesen entnervenden Verhältnissen, die mit ihn: spielten, statt daß er sie bezwang. Hinaus, in andre Luft, unter- andre Menschen, gesund, kräftig, widerstandsfähig werden und dann — von vorne beginnen! Ordnung schaffen in sich, um sich. Kämpfen mit den Widerwärtigkeiten, die sich Weg stellen. „Aber gewiß, dort sitzt sie mit ihren Töchtern in einer der letzten Reihen, gerade unter unsrer Loge, weshalb man sie von oben nicht sehen kann." Wolfgang erblaßte, seine Augen blickten finster drein, al» er den Freund nun hastig hinauszog. „Laß nur, eS ist iyr sicher lieber, wenn ich sie nicht sehe. — Und ich verbot ihr, die Mädchen in dies Stück zu führen/ sagte er heftig. „Beruhige dich, Wolfgang, es geht andern nicht besser - wenn Frauen sich etwa« in den Kopf setzen, sind alle Ber- nunftgrttnde umsonst, laß sie ihren Weg gehen." „Aber es sind meines Bruders Kinder, und sie haben so gute Anlagen! Wenn ich sie ihrem Schicksal überlaste, habe ich die letzte Aufgabe verloren, vor die daS Leben mich stellte. Wenn du wiißtest, Eckmann, wie mut» los, wie völlig apathisch ich schon geworden bin." Eckmann drückte ihm teilnehmend die Hand. „Ich kann dir'S nachfühlen, !denn auch ich verzweifle nachgerade an der Zukunft . . .," und als Wolfgang ihn überrascht anblickte, fuhr er hastig, leise und aufgereat fort: „Wolfgang, du weißt, wie ich Thora liebte — jahrelang aussichtslos, ohne Hoffnung auf ihren Besitz, und nun, wo sie wider Erwarten dennoch mein geworden, wo ich mich auf dem Gipfel des Glücks glaubte — nuu scheint alles in Frage gestellt durch ihr seltsames Gebaren. Als ich gestern vom Juristenabend heimkehre, finde ich sie mitten iu der Nacht am Haustor stehen! Sie erwartet mich. Aber nicht aus Liebe, nein, sie mißtraut mir! Immer, jede Minute des Tages. Bin ich in Geschäften auswärts, so sieht mich ihre Phantasie bei einem Rendezvous, und selbst in ihren Armen, an ihrer Sette bildet sie sich ein, ich gedächte an drer Frauen . . . Ein Hökenleben! In den drei Wochen unsrer Ehe hatte ich nicht einen Moment des Glücks! Was soll daraus werden?" Er atmete tief auf und strich sich daS Haar aus der Stirne, seine Augen gingen unruhig umher, eine nervöse Erregtheit spiegelte sich in seinen Zügen. Wolfgang, der jeden andern Konflikt ur dieser Ehe eher-erwartet hatte, als diesen, wußte nicht, was er denken sollte. Endlich sagte er: „Wenn du einen Nervenarzt fragen würdest? Thoras Wesen scheint von einer fixen Idee beherrscht, vielleicht würde ein geschickter Arzt durch Luftveränderung etwas erreichen." „Ach, damit dürfte ich ihr gar nicht kommen. Schon neulich herrschte sie mich damit an, als ich ihr Vorstell ungen machen wollte: „Glaubst du vielleicht, ich sei verrückt? Du möchtest mich wohl lossein?" Es ist unbegreiflich, daß ihr die Widersinnigkeit ihrer Behauptung nicht einfällt. Was hätte mich denn veranlaßt, sie zu heiraten, wenn nicht die Liebe?" Wolfgang seufzte tief. Ja, es hat jeder sein Kreuz zu tragen. Immer tiefer vergrub er sich in den Gedanken, raß es am besten wäre, nicht geboren zu sein. Wozu all die Qual? Stumm und leise betraten sie ihre Loge. Der zweite Akt hatte schon begonnen, eine allgemeine Stille lagerte über dem Zuschaucrraum. Kaum hatten sie ihre Plätze eingenommen, als Thora ich umwandte und ihrem Gatten hastig zuflüfterte: „Wo warst du so lange? Ich sah dich vor zehn Minuten bereits das Parkert verlosten . . ." Eckmann erötete, gab aber keine Antwort. Eilt droh ender Blick traf ihn, dann wandte sich Thora wieder der Bühne zu. Wolfgang konnte ein ekles Gefühl den ganzen Abend nicht loswerden, jedes freie Wort, das da unten ge- prochen wurde/ machte ihn erbeben für seine Nichten. Es var ihm, als müsse er aufspringen und sie hinwegführen, als dürfen sie das nicht mit anhören, als wäre es Gift ür ihre jungen Seelen. Wie mußte:: sie, die des Lebens Tiefen noch nicht kannten, erröten bei diesen Ausbrüchen wilder LiebeSleiden- chaft, bei dieser mit ätzender Schärfe zerlegten Darstellung »es Verhältnisses zwischen Mann und Weib. Er wagte nicht sich einzureden, daß sie dergleichen vielleicht nicht ver- tänden. Bei dieser Mutter! Zu Renaten ffagte er kein Wort von GretenS An wesenheit. Sie kümmerte sich überhaupt um ihre Nichten nicht mehr, seit sie mit deren Mutter einige heftige Auf tritte gehabt. Für sie existierte dieser Zweig der Familie nicht- nur in Gesellschaft sprach sie liebevoll von ihnen, )enn die Welt brauchte nicht zu merken, daß man unter ich des armen Theodors Angehörige als rettungslos dem Leichtsinn verfallen ansah. Frau von Willmann war nur roh, daß Grete sich selbst andern Verkehr gewählt hatte. Da wurde in der „eigentlichen" Gesellschaft ihre Art zu eben nicht so bekannt. - Endlich war das Stück zu Ende. Wolfgang atmete auf. Die Einladung Renatens, bei ihr zu soupieren, lehnte or ab, seine Stimme war düsterer und gar nicht ge eignet für Salongeschwätz. Und zu Hause in seinen vier Wänden überfiel ihn Nützlich das Gefühl seiner gänzlichen Vereinsamung mit olcher Wucht, daß er zum erstenmal daran dachte, ob es licht das beste wäre, diesen: zwecklosen Leben freiwillig ein Ende zu machen. Früher wP: ihm Selbstmord immer als Zeiaheit erschienen. Heute spielte er mit dem Gedanken, iebkofte ihn förmlich, sah in ihm allein Rettung. Aber während er sich haltlos diesen Grübeleien überließ, packte ihn jäh die Scham. Wohin war es mit lhm gekommen? Eine heiße Röte stieg ihn: ins Gesicht. Er sah sich wieder als Jüng ling- dem der Vgter nach eimr mit yiAeMM bestM- Roman von Erich Ebenstein. tNachbruck verboten)- (6. Fortsetzung.) DaS Theater war dichtgedrängt voll. Eine gewisse Spannung, wie Premieren vorangeht, lag auf allen Ge sichtern. Man hatte so viel über das Stück gelesen, der Dichter war ein Oesterreicher und sollte Grillparzers Nach folger werden! Das trieb alle Schöngeister M.'s hinein, und dann war da noch ein andrer Teil de« Publikums, welcher mit lüsterner Erwartung der Apotheose der grie chischen Dirnenherrlichkeit entgegensah- auch bei diesen Leuten hatten die Zeitungen „Stimmung" gemacht. Da zwischen, wie der Kitt des Ganzen war das eigentliche Prcmierenpublikum eingesprengt, Leute, die zu jeder ersten Aufführnng gingen, gle chviel, ob eS einer Oper oder Posse galr, einfach, weil sie „dabei gewesen sein" wollten. In einer Loge ersten Ranges saß Renate von Will- wann mit Frau Doktor Eckmann. Seit drei Tagen hatte erstere die tiefe Tauer abgelegt, und zum erstenmal seit dein Tode der Mutter erschien sie wieder im Theater. Ihren: Zureden war es gelungen, auch Wolfgang zu::: Mitgehen zu bestimmen. Gleich beim Eintritt hatte dieser indes ein Unbehagen empfunden, dem er sich da durch zu entziehen suchte, daß er sich mit Freund Eck- mann in den Hintergrund der Loge zurückzog. Hierher konnten die unverschämt neugierig heraufstarrenden Augen der Leute nicht dringen - er hätte ganz das Gefühl gehabt, als würde er durch diese Blicke festgenagelt. Renate war stolz auf die Sensation, welche ihre Anwesenheit hervorrief, wenn sie es im Grunde auch als selbstverständlich ansah - mit der ihr eignen Grandezza grüßte sie nach allen Seiten, dann atmete sie zufrieden die parfümierte, stauberfüllte Luft, die in heißen Wellen aufwärts stieg. Unten klappten Sitze, Theaterzettel knisterten, seidene Kleider rauschten, hin und wieder erhob sich aus dem allge meinen Gesurre ein lauteres Wort, oder das Kichern der Näherinnen auf der Galerie klang in den Lärm hinein. Zur Feier des Abends war der große Kronleuchter entzündet worden, und in den Theaterlogen drängte sich die gesamte Schauspielerschaft, soweit sie nicht beschäftigt war, zusammen. Auch fremde Gesichter, Gäste von aus- chärtigen, kleinern Bühnen sah man, und die Kritiker M.'s lehnten dazwischen mit undurchdringlichen Mienen wie steinerne Säulen in einen: wogenden Meer. Alle Damen waren der vorgeschrittenen Jahreszeit halber in bellen Kleidern erschienen, geschmückt mit Brillanten und frischen Blumen. Und der lebendige Duft dieser Maiglöck chen, Roftn und Veilchen wand sich schüchtern durch die staubige Atmosphäre des Hauses, erstickt und aufgesogen von Chypre und Mang-Nlang. Ein kurzes Vorspiel, dann begann das Stück. Großer Beifall folgte dem ersten Akt, und als habe man nur ge wartet, bis endlich wieder eine Pause sei, so brach das Ge summe und Geplapper von allen ^Seiten mit erhöhter Stärke los. Nun war man erst heimisch, nun hatte jeder seine Meinung, nun konnte man seine Bekannten aufsuchen und ein Urteil über das Gehörte anbringen. Renate zeigte Wolfgang eine Menge von Personen, die zu grüßen seine Pflicht sei. Da waren die Langen steins, der Maler Hirsch, Oberst Michalek und natürlich auch Käthe Vollberg, Renatens „Kandidatin", wie Wolf gang sie einmal spöttisch genannt hatte. Draußen im Logengang stieß man auf das Ehepaar Erdmann. Frau Erdmann war iu großer Toilette, kirsch- rc-tcm Seidenkleid mit Creme-Blonden, gelben ^.Clacss und im fettgläuzenden Haar einen Reiher, mit Brillanten gar- mert. Natürlich wollten sie ihn festhalten, und Frau Erd mann begann bereits, ihre moralische Entrüstung über das „unsittliche" Stück zu erklären, als Wolfgang sich kurz curfchuwigte und mit Eckmann weitereiltc. Fräulein Luz von Langenstein, heute als Vergiß meinnicht gekleidet, zeigte offen ihre Freude über sein Kommen, sie spielte sehr geschickt die Rolle einer treuen, wohlmeinenden Freundin, d:c das Recht hatte, sich nach alten: zu erkundigen, was ihn betraf. Ob er nicht wieder mit ihr vierhändig spielen wollte? Wie eS mit seiner Gesundheit stände, vielleicht würde ihm ein Aufenthalt in freier Luft gut tun, nächste Woche zögen sie alle nach Gleichcnberg auf ihre Villa, die Eltern würden sich sehr freuen, »nenn er ihnen da für ein paar Wochen bas Vergnügen machte. D.e Oberstin unterstützte ihr Töchterchen. Zuletzt fragte sie in mütterlich besorgten: Ton, ob er wohl mit seinem Diener zufrieden sei? Männer verstäuben so schlecht, jene kleinen intimen Be haglichkeiten zu schaffen, die einzig und allein ein Vorrecht der Frauen seien. . . Er war zu Tode froh, endlich loözukommen. Bei Käthe gelang dies leichter, die war stolz und hochfahrend, ganz wie ihre Protektorin Fran von Will mann, und Wolfgang fühlte sich von ihrer überlegenen Arc stets so abgestoßen, daß ein intimere- Gespräch gar nicht in Gang kam. Als sie das Parkett verlassen wollten, sagte Eckmann: „Willst du nicht deine Schwägerin begrüßen? Sie wird e- icher erwarten." „Grete hlzr? Unlstöglich!" — Neber das Deutschtum in Australien macht Johannes Zemmrich in den: soeben ausgegebenen Heft der Deutschen Monatsschrift einige interessante An gaben. Bon den über 100000 Deutschen, die in Australien eben, befinden sich über ein Drittel in Queensland. Die Stärke des Deutschtums liegt hier ebenso wie in Süd australien im Bauernstände- der Kaufmann tritt mehr zu rück, wenn es auch immerhin 150 Großhandlungen gibt. Politisch tritt das Deutschtum in Australien völlig zurück, und die Gefahr des Aufgehens im Angelsachsentum ist nicht unbeträchtlich, besonders für die deutschen Katholiken, die nicht einen einzigen deutschen Priester und nicht eine einzige Schule besitzen. Die evangelisch-lutherische Synode dagegen, die aber nicht Queensland mit umfaßt, unterhält 51 Schulen mit 49 Lehrern und hat 128 Gemeinden mit 13000 Mit gliedern und 35 Geistlichen. Sie hat im vorigen Jahre so gar eine Hochschule begründet, die gegen 100 Schüler zählt und vorwiegend zur Ausbildung deutscher Geistlicher und Lehrer dienen soll. — Die Melone. Einer Plauderei im Neuen Wiener Tagblatt über die Melone sind folgende Ausführ ungen zu entnehmen: Die Melone ist ein Kind des Südens. Ihren Namen hat sie von der griechischen Insel Melos, jetzt Milo. Wild kommt sie in Asien und Afrika, am Ganges und am Nil heute noch vor. Den Wohl geschmack erlangt sie erst, wenn sie kultiviert wird. Nach Europa haben sie die Araber gebracht, die sie in Spanien anpflanzten. Wo der Tajo rauscht und an den melan cholischen Ufern des Guadalquivir ließ sie eS sich wohl sein. Auf der Hoftafel Karls des Großen prangte sie bereits. Damals wurde sie in Italien ebenso stark kultiviert wie in Spanien. Die besten italienischen Melonen kamen auS dem Garten des päpstlichen Schlosses Cantalupo in der Mark Ancona. Der Name Kantalupe hat sich bis heute erhalten. Man bezeichnet damit die plattgedrückten, runzeligen Früchte, die entweder ein orangeroteL oder grünliches, schmelzendes, sehr zuckerreiches und würziges Fleisch besitzen- sie führen bisweilen auch den Namen Preskott, zum Unterschied von den bei uns häufigen Netz- oder Zucker- und dei: ganz glatten oder Malteser-Me onen. Bei der Wassermelone :ft nur das innerste Flei ch rot, süß und saftig, in ihm sind schwarze oder rötlich- chwarze Samen eingebettet, während die der Zucker- und MaltheserMeloncn weiß sind. Sowohl der köstliche erfrischende Geschmack als auch die zumeist rosig angehauchte Schö::he:t des Fleisches und nicht zuletzt die Herkunft aus Italien und Spanien haben der Meioiw eine bevorzugte Stelle im Dessertobst verschafft. Eine solche spielte sie schon zur Zeit der Fugger und Welser. Sie soll unter anderem daS LieblingSobst von Maria von Burgund und von Kaiser Friedrich 111. gewesen sein. Nach Oesterreich kommen die meisten Melonen aus Ungarn. „Teißperle" ist eine der feinsten Sorten. UebrigenS liefert auch die Türket schmackhafte Früchte und die „Turkestan-Melone" ist durchaus nicht zu verachten. Noch bi« spät in den Herbst hinein gibt e« in Oesterreich Kin vollwertige« Diner ohne Melonen als Abschluß. Merkwürdigerweise bilden sie anderwärts das Vorgericht zur Mahlzeit. In d esem Falle genießt man sie aber nicht mit Zucker, sonder» würzt sie mit-scharfen Stoffen - AN den Usern der «Ätze Mit TgyrMiPfEMd an den