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—, " ' —-—— ^.,1»». D,^,r -'.'MMÜM» Anlage zum Grzgeö. Molksfreund. ssssss-sssssss——s—sssssss^^—«sss« Nr. 12S. Donnerstag, den 6. Jimi 1907. der Otto, Gr will nix. gar gatten mit V vrr »vürziAflTN Nora Fiedler zu be- nicht gehen. Und Emmi Brandbuber trank au- rein menschlichem Befühl den dünnen Kaffee, und ließ deu Gchwall der Kla gen über sich ergehen, alle- au- Barmherzigkeit an frem dem Leid. Damit stellte sie die Kaffeetasse hin und ging energisch zur Tür. E- tat ihr um den Otto Hüssinger leid. Sie hatte ihn herzlich gern. Lieb? I, bewahre wenn man so we nig hübsch, so arg arm und dazu verständig für zwei ist, lägt man solche Bedanken sein bei Seite. Nein, sie ärgerte sich bloß, daß die „Lange un die Kurze" mit ihren golde nen Brillen auf den Nasen, die neulich im Klub „der Auf geklärten", in den sie die alte Frau Stemer begleiten mutzte, so klug und doch so töricht geredet hatten, vielleicht doch nicht so ganz im Unrecht waren, wie sie es in dem ersten Entsetzen gemeint hatte. „Schade, daß die ganze Welt nicht aus lauter solchen verständigen Frauenzimmern besteht, es könnte viel Un glück verhütet werden!" Und nun kam Otto Hüssinger und strafte ihre gut« Meinung Lügen. Na, der ollte es aber hören, wenn er ihr mal in den Weg lief. Und als sie das kaum ausge dacht hatte, kam er die Treppe empor, ihr entgegen. Er sah elend und verwacht aus und sein sonst so elastischer Gang war langsam und schwerfällig, wie der eines alte»» Mannes. Sie stand still und sah ihn scharf an, so daß er nicht einfach an ihr vorübergehen konnte. „Na — wie war's denn im Wasser —- Sie — Held." Er zuckte zusammen. »Woher wissen's — daß -- i — wollt?" Sie antwortete nicht auf die mühsam gestotterte Frage. „Pfui," sagte sie kurz. „Zugeben tut er'» auch noch, Schämen's sich s Wegen an Madel —" Er begehrte wild auf. „Was verstehen'- denn von der Lieb, Sie!" «in heißes, trotzige» Gefühl quoll in ihr hoch. Da war ja gar nicht Verachtung — da» war — ja Eifersucht. Aber sie preßte sie mit harter Hand in den Winkel zurück, au- dem sie scheu und verzagt hervorkroch. „Weil i häßlich bin, meinens — das tut dabei nix. Die Lieb ist nämlich im Herzen, wissen's I Und an tiefe, stille Beschicht, aps der nit jeder zum Spott oder zur Un terhaltung 'nau-lesen soll- Die darf wohl packen, und zu B^en schlagen, wenn'S gar niemand sieht. Aber, wenn sie so ist, da« « an alt, hinfällig Fraule in Angst und fremdländischen Worten beweisen wollen, daß Äe Männer ein schwaches Geschlecht wären. Viel schwächer, viel nachlässiger, wie die Frauen. Und weil eS so und nicht anders stimmte, sollten die Frauen ihnen fortan mit gutem Beispiel vorangehen dürfen. Viel leicht lernten sie'S dann mit der Zeit, wie ein richtiger, geistiger Kraftmensch beschaffen sein müßte. Emmi Brand huber hatte zuerst schrecklich über die ganze Geschichte gelacht. Aber als sie gar aus einer Saalecke „Bravo, Hurra" und „großartig, genial", schrieen und die beiden Bebrillten zu einer Zugabe den Mund auftun wollten, hatte ihre Er regung über den Unsinn lichtexloh in Flammen gestanden. Sie war aufgestanden und hatte ganz laut geschrien, damit den beiden Gefeierten auch kein Wort verloren ginge: „Sie, i will Ihnen mal was sagen. Schmeißen's doch das ganze, weise Naturgesetz nit einfach über den Haufen. Wissen's, Ihre Brillen taugen nix. Sie sehen alles ver kehrt durch die Gläser an. DaS ist'-. Kommen's mir bloß nit mit Ihren lateinischen und griechischen Brocken. Die verstehen's selbst nit ordentlich. Hören's lieber mal zu. Das kleine Fräulein da, mit dem Doppelgucker, soll sich gefälligst draußen bei Sturm und und Wetter hinstellen und Bäume fällen, oder auch recht zähes Buchenholz spalten oder drei Scheffel Korn auf den Buckel zur Mühle tragen, oder, wenn ihr das nicht fein genug ist, einen verlodderten Bauernhof wieder auf den grünen Zweig bringen. Und wenn sie das eine oder das andere ein paar Jahr ehrlich durchgeführt hat, dann soll sie wiederkommen, und die Red' vom richtigen Kraftmenschen und dem guten Beispiel noch mal halten." Nach diesen Worten, die nicht in dem sorgfältig aus- gewählten Programm der Rechtlerinnen standen, hatte sich ringsumher ein großes „Hallo" erhoben. Emmi Brand huber hatte sich furchtbar geschämt, daß ihr innerliches Gift töpfchen wieder einmal überkochte, aber nun war es doch einmal geschehen. Vielleicht schadet es auch nichts, wenn ihnen ein Kind auS dem Volk seine Ansicht klar legte. Die vorher „Hurra" und „äa oaxo" gerufen hatten, schwiegen jetzt ganz still. Nur ein paar alte, weißhaarige Frauen verließen ihre Plätze und gaben ihr die Hand. Ein vornehmer Herr mit gütigem klugen Gesicht sagte ganz laut: „Und wo ist's denn sonst?" „In eine hochnoble Pension, der Herr hat's sdoch htn- gebracht I" „Welcher Herr, wo kommt der auf einmal her?" „I weiß oloS das erste. Der Sohn von der feinen Dame, die immer für Fräulein Fiedler gesorgt hat, ist er. Tarenberg heißt er!" „Uno darum weine's wie an Gießkanne ? I der tausend, Krau, das ist ja ein Spektakel!" „Darum gar nit", versucht« sich Frau Hüssinger matt zu verteidigen. Emmr Brandhuber zuckte die Achseln, setzte drn kleinen verregneten Hut fester auf den Kopf und schickte sich zum Gehen an. Zum Rätsellösen fehlte ihr die Zeit und wenn e» hundertmal um di« Stunde war, daß der Herr Otto, der blitzsaubere, kreuzbrave Mensch, von seiner Arbeit heim kommen mußte. Sie hatte trotzdem kein« Minute für so waS übrig. Die wollte zur Expeditton der „Neuesten" laufen, um möglichst schnell Ersatz für ' kommen. Frau Annette aber ließ sie ... „Bleiben'S noch", bat sie. „Tun'S einer alten, un glücklichen Frau die klein« Lieb. Kommen's, trink«»- an Kaffee drüben bei mir. '» ist gerade um dir Zett. Nach her sicht' t Ihn«, all«." rvrann küre. Roman von A. Lubow-kt. tNachsn« verdaten.) (7. Fortsetzung.) Al- Emmi Brandhuber am nächsten Tage bei Hüs singer» die Klingel zog, um Nora zu dem üblichen Spazier gang qbzuholen, öffnete ihr Frau Annette. Sonst hatte Nora bereit- in Hut und Mantel im Korridor auf sie ge wartet, weil ihr die Zeit, ins Freie zu kommen, niemals schnell genug heran kam. Heute war sie nicht zu sehen. Emmi Brandbuber wunderte sich auS Grundsatz über nichts. Sie tat also keine Frage, sondern legte einfach die Hand auf die Klinke der Tür, hinter der sie Nora Fiedler zu wissen glaubte. Sie war eine kleine, energische Person, die allzeit fest auf ihren eigenen Füßen hatte stehen müssen. Ihren Vater batte sie nicht mehr gekannt, der war gefior» ben, als sie drei Jahre alt gewesen. Als sie da» vierzehnte Jahr eben vollendet hatte, ging die Mutter von ihnen. Nun saßen der Franzi und sie in der kalten, leeren Stube und weinten sich die Augen rot. Der Franzi war nämlich ihr Bruder. Genau solch rotwangiges, gesundes Blut, wie sie selbst, nur drei Jahre jünger. Es war ihnen damals hurt ergangen. Viele Menschen gingen ein und aus, die noch etwas von der Mutter haben wollten. Bäcker, Kauf mann und Schreiner, der noch die letzte Rate von dem väterlichen Sarg der Schwerkranken abzuringen hoffte. Aber sie waren alle still und betrübt wieder von dannen gegangen, als sie hörten, daß sie seit einer Stunde bereits auf dem Friedhof schlief. Nur eine, die Metzgerfrau von nebenan, hatte sich schadlos gehalten. Sie dacht nicht daran, daß sie der blassen, vergrämten nur das, was den andern nickt mehr frisch und gut genug erschien, gegeben hatte, sie dachte nur an ihren Verlust, der gedeckt sein mußte, koste eS, was eS wolle. Sie nahm den Küchenstubl und das ein zige Bett an sich. Emmi Brandhuber würde die Nacht, die darauf folgte, nicht vergessen. Sie hatten so gefroren. Es war kein Holz und keine Kohle da, und Geld, um neuen Vorrat zu kaufen, auch nicht. Da hatte die wacklige Tür, deren DÄcker im Laufe der Jahrzehnte abgenutzt, nicht mehr ordentlich arbeitete, geknarrt, ganz leise, und der alte, struppige Hund von der Metzgerfrau, mit dem der Franz des öfteren gespielt hatte, war hereingekommen. Der hatte sich zu ihnen gekauert und sie in der bitteren Kälte gewärmt. Seitdem behauptete Emmi Brandhuber, daß die Tiere barmherziger als die Menschen seien. Am nächsten Tage ging sie ernsthaft mit sich zu Rat, der Vormund war gerade verreist, und bis er wiederkam, würden sie verhun gert sein. Da galt eS allein zu schaffen! Und sie schaffte e»! Als der Franzi gefirmelt war, kam er zum Buchhandel in die Lehre- Sie selbst ging für Geld mit jungen und alten Damen spazieren, sah unnntzen Buben die Schularbei ten durch und las der Mutter des geprüften Rechtspraktt- kanten Stemer allabendlich zwei Stunden auS Journalen und Gebetbüchern vor. Das Anschmiegende und Mädchen- Haft Zarte fiel in dem steten Kampf mit dem Dasein aller- dingS von ihr ab. Aber ihre Seele wurde gesund und stark und das ist schließlich für eine alleinstehende Frau die Hauptsache. Als sie jetzt Nora Fiedler, die ihr ein Inserat in den „Münchener Neuesten" eingebracht hatte, mit einem Scherz wort herauslocken wollte, fiel ihr Blick in Frau Hüssingers Gesicht. Sie erschrak. Schön hatte man Frau Annette freilich niemals nennen können, aber so häßlich wie heute, war sie vordem doch nicht gewesen. Ihr Gesicht sah rot und verweint aus und ihre kleinen gutmütigen Augen blin zelten und zuckten wie in abbittender Scham über die nicht versagenden Tränenfluten unruhig hin und her. „Nanu", sagte Emmi Brandhuber und ließ die Klinke fahren, „wo drückt's denn? Jst'S Kochtöppel entzwei ge gangen oder hat der Herr Otto a'n Raptus gekriegt?" Frau Hüssinger schluchzte verzweifelter. „Fräulein Fiedler — iS — nämlich nit mehr — b«t un» l" „Und nu denken'S bloß an, Fräulein Emmi, da- Kind, hat sich'ö richtig zu Kopf genommen." „Daß sie wea ist, Fräulein Fiedler?" „Selbiges! Ist nix mit ihm zu machen. partout in» Wasser." »Na, dann lassen'- ihn doch getrost laufen." Frau Hüssinger starrte sie entsetzt an. „Sie — meinen — daß —" Emmi Brandhuber vollendete unbarmherzig. „Daß ihm an kaltes Bad nix schaden kann, Im Gegenteil —" „Noex — wenn — er — das gute Kind." „Kind hin — Kind her — an Waschlappen ist er — springt er 'nein — springt er auch wieder 'naus. Ver lassenes sich drauf." Schrecken bringt, dann ist sie an Jammerlapper sei» Ge dröhn. Und im nächsten „Aufgeklärten" halt t an AH über Ihne« — ja — — speziell über ihre Tapferkeit, wenn'S bis dahin nit wieder arg vernünftig geworden find!" Damit sauste sie an ihm vorüber, den» fie hatte soeben durch daS Flurfenster die, Elektrische „Harbenberg-AwinA- straße" vorbeiflitzen sehen, Vie sie haben muß, um zur Ex pedition zu kommen. Otto Hüssinger sieht ihr kopfschüttelnd nach, «Ger er lächelt doch ein ganz klein wenig dabet. VI. Ein Heller, warmer Sevtembertag ergießt sei» Acht über Trautenberg. Die breite Kastanienallee, durch die das Oberboffche Artillerie-Regiment heute au- dein Manöveraelkinde in die kleine Garnison einrücken wird, steht im Zeichen de- Herbste». Bom tiefsten Rot bi- zu« zattesten Organe leuchten die Blätter. Die Fäden des Alt weibersommers ziehen sich, fpinnwebenfeinen Girlande» gleich, von Ast zu Ast. Ueber dem leidenschaftslose« Naturgemälde strahlt das milve Gold der Sonne. ES ist alle« wunschlos und abgeklärt. Eine stille und dennoch ge waltige Predigt von erfülltem Hoffen und Sehnen geht durch die Welt. Auch den Menschen hat sich dies Gefühl der Zufriedenheit mitgeteilt. Sie sind glücklich, daß sie ihre „blaue« Jungen" wiederhaben werden Es war doch ohne sie ein« recht trüb selige Zeit. Zwar hat der stete Aerger mit den Dienst mädchen gefehlt, aber dafür auch jenes andere, jung und fröhlich erhaltende Zaubermittel, das die frische Straft uttd der kecke Uebermut hergeben. Der Raum zwischen den einzelnen Kastanien ist von Trautenberger Bürgern auSgefüüt. Die Jungen, für die heute die Kartoffelfetten begonnen haben, balanzieren in der Höhe auf den Aesten herum. Sie halten die Auge» starr nach der Gegend zu gerichtet, in welcher sie Kl- Mal chow, das letzte Quartier des Regiments, wissen. Endlich wälzt sich eine dicke Staubwolke heran. Die einzelnen Ge schütze und Pferde kann man freilich noch nicht unterschei den. Nur zuweilen blitzt es hell an dem dunklen Grav- schwarz auf. Wie Sternschnuppen, die erfüllte Wünsche verheißen, schießt es hervor und verschwindet wieder. Die Sternenaugen erweisen sich als die Kugelknöpfe der Helme — Jetzt sind sie' da. „Hurra — Hurra — uns' Artillerie!" Dicht an den Stamm einer Kastanie gepreßt, steht «in altes Mütterchen. Sie wischt sich mit dem Schürzenzipfel die nassen Augen., Ihr Wilhelm, der einzige, der ihr von den Sechsen geblieben ist, marschiert im 3. Glied der b. Batterie an ihr vorüber. (Fortsetzung folgte) vermiscbws. — Die Bedeutung der Touristik hat mqn vielfach in der Stählung des Körpers und der Willenskraft gesehen. Darin liegt sie nach den Ausführungen von Joseph August Lux in dem soeben erschienenen Juniheft von Wester manns Monatsheften (Verlag George Westermann, Braun schweig) nur zum geringsten Teil. Denn dasselbe läßt sich von jedem anderen Spott auch sagen. Ihr Schwerpunkt ist nicht in dem Physischen oder in dem moralischen Moment, sondern vielmehr in dem ästhetischen und seelischen zu suchen. Sie strebt über sportliche Ergebnisse hinaus und bezweckt die Bereicherung der Seelenbilder, die Vertiefung und Er weiterung der Empfindungssphäre, was Byron so schön ausdrückt: Sind Berge, Wellen, Himmel nicht «in Teil Von mir und meiner Seele, ich von ihnen? Sie geht von dem Naturempfinden auS und bedeutet ihrem innerlichen Wesen nach nicht mehr und nicht weniger als Erziehung und Uebung der Naturfreude und lenkt damit, bewußt oder unbewußt, zur Erkenntnis des Schönen hin. Da» ist daS Kostbare an oer Sache. Denn vom Schönen lebt daS Gute im Menschen und auch seine Gesundheit. Es ist notwendig, den Kern der Sache einmal herauszuschälen, denn den meisten entgeh» der kostbare Gewinn, weil sie von den gröberen Neben interessen, die bestenfalls nur Mittel zum Zweck sein können, ganz in Anspruch genommen sind und von ihnen wie von unsichtbaren Scheuklappen an dem eigentlichen Ziel vwcüberaeleitet werben. Da» Ziel ist die Steigerung deS DaseinSaefühls, die Bereicherung de- Innen lebens, die bewußte seelische Besitzergreifung der Erscheinung-- wett. Natur ist Offenbarung, Wer dazu den BLH«er braucht, erfährt sie nie. Denn Offenbarung ist innere- Schauen, Erleben. Und Natur ist etwas Allgegenwärtiges, wir sind in ihr und sie ist in uns. Werden wir nicht «in Teil von den,, was uns umgibt? Ist der Sonnenunter gang nicht ein tägliche- neues Erlebnis? Sind un- nicht hohe Berge ein Gefühl? Wer das niemals an sich erfcchven, dem ist die Natur wirklich nicht mehr al- ein SchaMel, eine Staffage, «in Motiv, und er selbst ist nicht mA als ein Dilettant, ei« Turner, ein Kletterer, «in Mo- meterfreffer. - " Der zerstreute Professor ist von jeher di« Freude der Schüler — und der Witzblätter gewesen. Sin Musterbild dieser Gattuna war Galletti, von N-3 hi» lö-8 am Gymnasium in Gotha Mia. Einige seiner Schüle, machten sich jahrelang da» lose Vergnügen, di« Widersinnig- eiten, die ihrem Lehrer in seiner außerordentlichen Zer streutheit üh«r die Zunge liefen» zu sammeln. DÄ RoM