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vorwärtsstrebenden Lebensgefühl gekennzeichneten Jahre zu gelten, in denen Mozart durch die schwierigen äußeren Verhältnisse seiner jungen Ehe gezwungen war, mit seinen pianistischen Fähigkeiten öffentlich zu glänzen und durch eigene Konzerte seine materielle Lage zu verbessern. Wohl erwächst angesichts dieser gespannten Lebenslage auch das Es-Dur- Konzert auf einem ernsten Untergründe, der immer wieder in elegischen Episoden und leidenschaftbewegten Äußerungen spürbar wird; doch d e angeborene Heiterkeit Mozartschen Wesens, die sich immer gegen den Druck der Armseligkeit und Dürftigkeit der äußeren Lebensumstände zur Wehr zu setzen suchte, weiß auch hier alles Häßliche und Dunkel-Leid volle der Welt in eine durch Anmut und Schönheit gebändigte Sprache zu kleiden und dem Werk im Rondoschlußsatz einen versöhnlichen und freien Ausklang zu sichern. So stehen sich in diesem Klavierkonzert frohe Laune und wehe Leidenschaftlichkeit, friedvolle Ergebenheit und schmerz liche Ausbrüche in vielfach fragmentarischer Äußerung schroff gegenüber. Auf einen Grundton ist sein erster Allegrosatz gestimmt, der sich ganz auf einem erhabenen Hauptthema aufbaut. Zarte Melancholie breitet sich über den langsamen Satz der Andante, einen ergreifenden Klagegesang in Moll, der bei allem melodischen Zauber von geheimnisvollem Ernst und tiefer Erregung widerhallt. Und selbst die ausgelassene Heiterkeit des abschlie ßenden Rondosatzes bleibt nicht ungetrübt und wird von einer Episode voll sehnsüchtiger Empfindung unterbrochen, bevor der Ausweg zu einer ungehemmten Lebensfreude endgültig gefunden und behauptet wird. • Peter Iljitsch Tschaikowskij (1840—1893) hat sich zu seiner 5. Sinfonie in e-Moll einmal in einem Notizheft selbst geäußert, und man: kann diese Bemerkung als Hinweis auffassen, gleichsam als das Motto, das über diesem Werke stehen könnte. „Vollständige Beugung vor dem Schicksal oder, was desselbe ist, vor dem unergründlichen Walten der Vorsehung.“ Mit der Sinfonie, die seine drei letzten großen Sinfonien ein leitet, war Tschaikowskij nicht zufrieden, weil sie dem Inhalt einen zu breiten Raum gönnt und dabei die künstlerische Form etwas vernach lässigt. Dafür spricht die Briefstelle: „Nach jeder Aufführung meiner neuen Sinfonie empfinde ich immer stärker, daß dieses Werk mir mißlungen ist. Die Sinfonie erscheint mir zu bunt, zu massiv, zu künstlich, zu lang, über haupt unsympathisch.“ Wir wundern uns über die Schärfe des eigenen Urteils, wir bewundern seine schonungslose Selbstkritik, die wir heute nicht mehr teilen. Das Werk ist viersätzig. Im ersten Satz leitet ein Thema das Ganze ein, welches gewissermaßen als Leitmotiv in allen vier Sätzen immer wieder erscheint. Der eigentliche erste Satz bringt die beiden sehr gegensätzlichen Themen, die die Form der Sonate verlangt. Der zweite Satz versucht, von dunklen Klängen zu lichten Höhen emporzuschwingen, der Schluß verklingt in Ruhe und Harmonie. Der dritte Satz heißt „Valse“, also ein eleganter, weltmännischer Walzer mit französischem Einschlag, der ein einziges Wiegen und Gleiten darstellt. Der Schlußsatz, das Finale, ist ein toller Wirbel der verschiedensten Stimmungen: ein aufreizender Tanz, ein eilig hastender Galopp, ein jauchzender Wirbel, ein hemmungs loses, brutales Gestampfe, das am Schluß in eine schmetternd-glänzende Fanfare mündet, die dem düsteren Werk einen überraschenden, aber um so. wirkungsvolleren optimistischen Ausgang verleiht. Johannes Paul Thilman. IV/10/23 Pz 5192/55 500 8383