Zwischen Hell und Dunkel Es gibt wohl keinen unserer großen Komponisten, dessen Leben leicht, mühe los und ohne schwere seelische Erschütterungen verlief. Waren es nur persön liche Verstimmungen? Die gab es natürlich, doch die wirklichen Gründe lagen tiefer, denn oft genug wurden die schweren menschlichen Krisen aus gelöst durch das gespannte und feindliche Verhältnis des Komponisten zu seiner Zeit und Umwelt. Beethoven wie Brahms hatten unter diesen Spannungen schwer zu leiden. Ihre Werke künden vom Ringen um diese Dinge, vom Ringen um eine Lösung und Befreiung von diesem belastenden Druck. Wie oft eilte Ludwig van Beethoven mit seinen Werken seiner Zeit voraus und erntete dafür Undank und offenen Haß. Seine Musik war nicht mehr nur für einen kleinen Kreis von Adligen und Höflingen gedacht, seine Werke glichen Botschaften an alle Menschen. Und Johannes Brahms, der selbst von sich sagte: „Ich bin etwas Einsiedler und schwerfällig nach außen!“, wie hatte er darunter zu leiden, daß er — „nur“ Sohn eines Tanzmusikers — aus dem Hamburger Gängeviertel stammte. 1862 wurde er als Nachfolger des Leiters der Singakademie seiner Vaterstadt bewußt übergangen, und auch fünf Jahre später übersah man feindselig den inzwischen berühmt gewordenen Johannes Brahms für die gleiche Stellung. Man entschied sich lieber für einen mittelmäßigen Musi kanten. Das war der Dank seiner Vaterstadt Hamburg. Das Auf und Ab der Lebonsbahn, das immerwährende Crescendo und Decre scendo zwischen Anerkennung und Ablehnung blieb nicht ohne Einfluß auf das Schaffen beider Meister. Zwischen Hell und Dunkel spannte sich der Bogen persönlicher Stimmungen, zwischen Hoffnung und Verzweiflung wur den viele Werke geschaffen. Daß die Sehnsucht nach dem Lichten fast immer dominierte, spricht für die innere Größe der Meister. Die Werke unseres heutigen Konzertes lassen uns in lebendiger Weise teil nehmen an diesem Ringen um die Gegensätze zwischen Hell und Dunkel, zwischen Hoffnung und Resignation, mit dem lichten D-Dur-Ausblick der 2. Sinfonie von Johannes Brahms. Ludwig van Beethoven hat sich des öfteren um die Komposition von Opern bemüht. Immer wieder ließ er sich Libretti zuschicken, las und verwarf sie wieder, denn er stellte an einen Operntext hohe Anforderungen. Alle Stücke, die die übliche „Zauberey“ zum Inhalt hatten, interessierten ihn nicht, weil in ihnen „Gefühl und Verstand oft schlummern“ mußten. Längere Zeit arbeitete Beethoven mit Heinrich Joseph von Collin zusammen, einem Wiener Literaten, der als Hofsekretär im Dienste des Kaisers stand. Collin