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Zur Einführung Es wird berichtet, daß Werner E g k, der in Dresden wohlbekannte Komponist,' auf folgende Weise zur Komposition seiner Kantate „Die Versuchung des heiligen Antonius nach Melodien und Versen des 18. Jahrhunderts für Altstimme und Streichquartett" kam: Bei einem Antiquar stieß Egk auf ein französisches Büchlein, das auch Noten enthielt. Es handelte sich um die Aufzeichnung alter französischer Melodien, die seinerzeit sehr populär waren und denen Michel Jean Sedaine, der geistvolle Librettist der ersten komischen Opern, der Mitarbeiter von Philidor, Monsigny Gretry, eigene Verse untei- legt hatte. Dieser Zeitgenosse des Voltaire muß ein sehr witziger und zugleich frivoler Herr gewesen sein. Er schildert hier die Geschichte von der Versuchung des heiligen Antonius (wie weit entfernt etwa vom Ernst der Hindemithschen Oper „Matthias der Maler"!) in zweideutigen und gelegentlich sehr derben Wortspielen, die in der fran zösischen Sprache gerade noch erträglich, keinesfalls aber ins Deutsche zu übersetzen sind. Wir erfahren, wie „Tausende von Dämonen", „aus der Stadt und vom Lande", Dämonen, „blond, braun, grau und kastanienbraun", den Heiligen bedrängen, wobei braunen vor allem „böse Plagegeister" waren (1. bis 4. Gesang). Einige von zogen dem Schwein des Heiligen eine Mönchskutte über (5. Gesang). Aber nichts kann seine Standhaftigkeit erschüttern. Auch nicht die kokette Teufelin, die „auf einem Sofa" ihre verführerischen Reize spielen läßt (6. Gesang). Aufs neue wird er bedrängt von abenteuerlichen Gestalten, bis schließlich der Teufel dem in sein Bett Fliehenden in Gestalt der Proserpina neue und höchste Gefahr bringt: er widersteht auch dieser (9. Gesang). Mit Weihwasser vertreibt er die „teuflische Kohorte" (11. Gesang) und seufzt tief auf (12. Gesang). Schließlich aber erfahren wir von dem augenzwinkernden Dichter den wahren Grund seiner Standhaftigkeit: Hätte der Teufel zur besten List gegriffen und einfach die Gestalt der Toinette angenommen, ihren Leib und ihre Reize, dann wäre Antonius in seine Arme geflogen . .. (13. Gesang). Werner Egk hat die alten Texte und die alten Melodien unverändert übernommen. Aber er hat sie in ein glitzern des, apartes Klanggewand gehüllt und sich wieder einmal, wie auch in andern Weiken, nicht zuletzt in seiner Oper „Peer Gynt", als ein Meister der „unerhörten" Klänge erwiesen. Sie sind hier um so raffinierter im rein musikalischen Sinne, als er nur die Farbe des Streichquartetts zur Verfügung hat. (Wie bei der Uraufführung in Baden- Baden ist es bei der Dresdner Aufführung chorisch besetzt.) Aber dieser Quartettsatz ist aufs äußerste differenziert, es gelingen Egk mit ihm Wirkungen erstaunlicher, auch solche klangsymbolischer Art. So hören wir das Schwein in der Mönchskutte grunzen, so sehen wir im Spiel der vier Streicher die Reize der kleinen Teufelin, sehen das sprühende Weihwasser, mit dem Antonius die Teufelsbande vertreibt, ohne daß sich Egk in bloße Klangmalereien verliert. Alle Effekte des Saitenspiels werden angewandt, Pizzikato, die Weichheit des sordinierten Spiels, die Härte des Am-Frosch-Spielem^ vierfältige Flageoletts. Das Raffinement dieser Musik auch der neuen Gestalt weg^Hk die ihm Egk gegeben hat, in die Nachbarschaft der französischen Musik, in die Näi^^^ Strawinskys und Ravels. Aus einer ganz anderen Welt kommt die Zweite Sinfonie Ernst Peppings. Dieser im gleichen Jahre wie Egk, 1901, geborene Komponist hatte sich dem Polyphonen in seinen früheren Werken mit unerbittlicher Konsequenz verschrieben. Sein Stil hat sich im Laufe der Entwicklung gelockert, dem Klanglichen wird mehr Recht eingeränmt, sowohl in den Chorwerken (etwa in den durch die Aufführungen des Dresdner Kreuz chores berühmt gewordenen Zyklen „Das Jahr" und „Der Wagen") wie in den In strumentalwerken. Das gilt für die (dem, der sich mit „neuer Musik" anfreunden will, sehr zu empfehlenden) Klaviersonaten und es gilt für die beiden Sinfonien, der Ersten, die seinerzeit in Dresden ihre Uraufführung erlebte, und dieser Zweiten, die ebenfalls eine Erneuerung der Form mehr im klassizistisch-formalistischen als im romantisch inhaltlichen Sinn anstrebt und erreicht. Dr. Karl L a u x