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JEAN RIVIER Geboren 1896 in Villemomble (Seine). Studierte am Konser vatorium Paris, wo er mit dem Ersten Preis für Kontrapunkt und Fuge ausgezeichnet wurde. Außerdem errang er sich auf Grund seiner klassischen Studien das Bakkalaureat in Philo sophie. Ein umfangreiches Werk, das schon viel Anerkennung ge funden hat, liegt von ihm vor. An Kammermusik schrieb er: Streich- und Vokal-Quartette, Klaviersuiten, eine ,,Kleine Suite“ für Oboe, Klarinette und Fagott und eine Sonatine für Violine und Cello. Von seinen Werken für Orchester seien ihrer Entstehung nach erwähnt: ,,Trauergesang“, ,,Danse du Tchad“, Drei Pastorale für kleines Orchester, Burleske für Violine und Orchester,,,Ouvertüre zu einem Don Quichotte“, Adagio für Streichinstrumente, ,,Ouvertüre für eine geplante Operette“ (sie erklang 1937 beim Internationalen Musikfest in Dresden), „Fünf kurze Sätze“, Sinfonie in D-Dur, „Land schaft für eine Jeanne d’Arc in Domremy“, Concertino für Bratsche und Orchester. Verschiedene Filmmusiken. Viel genannt wurde Rivier, als er für die Pariser Weltausstellung 1937 eine Musik zu den „Fötes de la Lumiere“ schrieb. Während der Ausstellung wurde auch seine komische Oper „Die Venetianerin“ in der Comedie des Champs-Elysees ge geben. Uber Jean Rivier, der als Mitglied des Arbeitsausschusses der Gesellschaft für zeitgenössische Musik „Triton“ sich große Verdienste um die neue Musik erworben hat, schrieb der bekannte Kritiker Emile Vuillermoz, ebenfalls ein Vorkämpfer der neuen Musik, im „Excelsior“: „Jean Rivier ist einer der bestbegabten, der am tiefgründigsten in die Geheimnisse ihrer Kunst eingeweihten, der für das geistige Klima ihrer Zeit empfänglichsten heutigen Musiker. Kein Snobismus; kein Bestreben, durch leichte Mittel in Erstaunen zu ver setzen; kein Sicheinlassen mit dem gewöhnlichen Volksruhm, dem es nicht gelungen ist, die Musikgeschichte dieser letzten Jahre zu fälschen, sondern ein sehr scharfes Verstehen dessen, was das moderne Ohr verlangt, und eine vollkommene Klar heit in der Wahl seiner Ausdrucksmittel und seines Aufbaus. Da ist endlich ein Musiker, der weiß, was er will, der weiß, wohin er geht, und der nicht auf vier Wegen dorthin geht, ein hochwertiger Musiker, von dem man nunmehr alles er warten kann . . .“ Die Sinfonie Nr. 2 in C-Dur für Streichorchester ist eine „Sinfonie“ nur im freien Sinne des Wortes. Immerhin ist es bezeichnend für die musikalische Lage, daß von den sieben Werken, die aufgeführt werden, drei sich der Sinfonieform bedienen. Riviers Streichorchester-Sinfonie ist dreisätzig. Der erste Satz beginnt mit einem heftig vorwärtsstürmenden Teil, dessen stark barock gefärbtes Thema nach kurzer Durch führung in die in Terzen und Sexten aufwärtsjagendc Ton leiter mündet. Dieser Teil wird am Schluß wiederholt, bildet also einen Rahmen um drei nicht so ausgesprochen begrenzte Partien, von denen die erste sich rein rezitativisch gibt, die zweite in großer Steigerung eines prägnanten Themas auf wärtsdrängt und die dritte wieder ausgesprochen expressiv (Duett der Geigen über raunenden Achteln der Bratschen) gehalten ist. Der kurze langsame Satz ist ganz auf die melo dische Linie gestellt, die gegen die Mitte stärker figurativ belebt ist. Auch im letzten Satz finden wir ein Rahmenstück vor, das mit seinem Wechsel von einem mehr spielerischen Thema (mit den für Rivier charakteristischen Quarten gängen) und einem ausdrucksvollen „Seitenthema“ das Bau prinzip des Satzes aufstellt. Auch im weiteren Verlauf werden immer solche Partien einander gegenübergestellt. Der Wieder holung des ersten Teiles wird eine sich überstürzende Coda angehängt.