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PAUL HÖFFER Geboren am 21. Dezember 1895 in Wuppertal-Barmen. Aul gewachsen in Rheydt (Niederrhein). Studierte in Köln, später in Berlin. 1923 Lehrer für Klavier und Musikerziehung an der Staatlichen Hochschule für Musik in Berlin, 1930 Pro fessor für Komposition. Bei den Olympischen Spielen 1936 wurde er mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Höffer begann sein Schaffen mit Kammermusikwerken, die vielfach auf Musikfesten aufgeführt wurden. Verschiedene Werke für Orchester, auch Chorwerke und eine Oper liegen vor. In letzter Zeil hat sich Höffer, ausgehend von seiner pädagogischen Praxis, mit besonderer Liebe und mit beson derem Erfolg der Komposition von .Jugend- und Gemein schaftsmusik zugewandt. Die pädagogische Neigung bestehl nicht von ungefähr, Höffer stammt wie so viele deutsche Musiker aus einem Lehrerhaus. Zuletzt schuf er eine groß angelegte Sammlung ,,Hundert Spielstücke zu deutschen Volksliedern aus sieben .Jahrhunderten“, Instrumentalstücke von unproblematischer Haltung mit starker Orientierung an der vorklassischen Musik. Höffer legt allerdings Wert auf die Feststellung, daß der Stil dieser Stücke „kein nachgemachter oder zitierter Stil vergangener Zeiten, sondern einzig der des Musikschaffens unserer Tage“ ist. Das gilt auch von seiner „Konzertmusik“, unter der sich eine „Sinfonische Musik“, ein Klavierkonzert, eine Partita für zwei Streichorchester und eine „Altdeutsche Suite“ befinden. Man muß das alles wissen, wenn man die „Sinfonie der großen Stadt“ betrachtet, die im Januar .1938 abgeschlossen wurde. Keinesfalls kann man von einem so gearteten Komponisten „Programmusik“ erwarten. Höffer sagt selbst: „Die »Sinfonie der großen Stadt* ist kein Tongemälde. Nur der unwidersteh liche Rhythmus der Großstadt beherrscht die Sinfonie.“ Wer also eine Schilderung etwa der erwachenden Großstadt, oder des Straßenlärms, oder des Abends in der Großstadt mit Bar und Tanzmusik erwartete, müßte sich enttäuschen lassen. Ja, man möchte noch einen Schritt weiter als der Komponist gehen und behaupten, mit dem Titel habe das Werk so gut wie nichts zu tun und es sei eben eine Sinfonie, sogar eine in regelrecht gebauten vier Sätzen. Das „Pädagogische“ (das man nicht mit Lehrhaftigkeit ver wechseln wolle!) drückt sich auch darin aus, daß Höffers Sin fonie sieh durch einen ungemein klaren Aufbau, durch sehr einprägsame Themen und eine feinsinnige, oft durchsichtig ausgesparte Instrumentation auszeichnet. So beginnt gleich der erste Satz mit einem über der ruhelosen Bewegung der Bässe (die dann später in andere Gruppen weilerwandert) kraftvoll aufsteigenden und wieder absinkenden Molltonleiter- Thema, dem als zweites eine gemessen sich wiegende Be wegung gegenübersteht. Die Sonatenform ist im Verlauf leicht zu erkennen. Der langsame Satz wird von einer weit gespannten Cello-Kantilene beherrscht, aber auch andere Instrumente treten solistisch hervor. Der dritte Satz steht zwar im Viervierteltakt, ist aber mit seinem Tanzcharakter (von exotisch-südländischer Färbung), dem Trio und der Beprise ein richtiges Scherzo. Dem vierten Satz geht, wie der Ilaydnschen Sinfonie, ein Adagio als Einleitung voraus. Das Allegro vivace beginnt mit einem spitz hingeworfenen Thema in den Bratschen, das fugenartig von den anderen Instrumenten übernommen wird. In einem großen Crescendo wird eine breite Kantilene erreicht, die als zweites Thema gelten kann. Wäre nicht die Überschrift und die an sie ge knüpfte Reservatio des Komponisten, so könnte man in diesem Teil tatsächlich das „Erwachen der Großstadt“ ver muten. Nach einem kleinen Halt und einer interessanten Abwandlung der Einleitung erfolgt sofort die Beprise, die in eine ungemein wirkungsvolle Coda ausläuft.