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«5V ständen und Stimmungen sehr leicht als natürlich voraussetzen. Und wel cher nur einigermaßen gebildete Mann möchte ganz gleichgültig bei der Richtung und Gestaltung des Schulwesens bleiben, da das Bedürfniß einer tüchtigen Erziehung und Bildung allgemein anerkannt wird, Staat und Gemeinde demselben eine Lhcilnahme schenken, selbst Opfer bringen, wi« dies in keiner früher» Zeit je geschehen ist. Und waS da- höhere Schul wesen insbesondere betrifft, so ist man seit 1830 mit mehr oder minder glücklichem Eifer bemüht gewesen, demselben denjenigen Umfang und die- >enige Vervollkommnung zu verschaffen, welche Sittlichkeit, Wissenschaft, StaatSwohl und die Federungen des Zeitgeistes in Anspruch nehmen. Auch die Gymnasien sind von den Bestrebungen jenes Eifers nicht aus geschlossen gewesen. Allein Jeder, der ihre Verhältnisse genau genug kennt, wird eingestehen, daß noch Manches zu wünschen übrig sei, und ihnen^namentlich rücksichtlich der Unterrichtsgegenstände so viel Neues zu- gctheilt wvrden, daß der Zweifel entstehen muß, ob nicht über die Gründe lichkeit das Zuvielerlei und die Oberflächlichkeit den Sieg davongetragen haben:-sie sollen humanistische und Realgymnasien zugleich sein; für jede einzelne Richtung enthalten sic zu wenig, als Ganzes betrachtet aber wird zu viel von ihnen verlangt. Wer diesem Verhältnisse nahe genug steht, weiß die hierbei obwaltenden Schwierigkeiten recht wohl zu würdigen; und daß auch die höchste Behörde dieselben fühle, ist uns nicht unbekannt und gibt auch der Umstand zu erkennen, daß sic beinaht unausgesetzt dem hochwichtigen Gegenstand ihre Aufmerksamkeit zuwendct. Wer ist nun aber am meisten berufen, der höchsten Behörde die crfoderliche Hülfe und Unterstützung in ihren wohlmeinenden Bestrebungen zu leisten, ihr Mate rialien zur Prüfung vorzulegcn, die Bedürfnisse und'Wünsche gegen sie auszusprechcn, und endlich die Resultate der Wissenschaft und der ge machten, zum Theil durch den Zeitgeist herbcigeführten Erfahrungen ihr mitzutheilcn, als die Sachverständigen, die Schulmänner selbst? Und ist cs etwa eine Unklugheit, wenn sie zugleich solche Männer um Rath fragen und deren Ansichten Werth beilegen, die, wenn auch nicht dem Hökern Schulstand angehörend, doch mit den Wissenschaften selbst im leb haftesten Verkehre stehen, ja wol zu den Koryphäen auf dem Gebiete derselben gehören? Wäre cs darum nicht höchst beklagenswerth, wcnn man über den Verein dieser Männer, die, bekannt mit den Verhältnissen, mit den Wissenschaften und mit den Wünschen selbst der Besten unfers Zeitalters, für eine Reform der Gymnasien stimmen zu müssen glauben, nicht nur überhaupt den Stab zu brechen, sondern ihnen insbesondere destructive Absichten unterzulegen sich für berechtigt hielte? Wir neh men hier keineswegs den Beruf in Anspruch, den dresdner Gymnasial- vcrein und die Art seines Auftretens nach jeder Richtung hin zu verthci- digen; aber wir stehen ihm nahe genug, um zu wissen, daß sein Zweck keine Tendenzen in sich schließt, die vic Berechtigung gewährten, ihn durch Beschuldigung von Nebenabsichten und Verdächtigungen gleichsam aus der Welt zu schaffen: er wird sich auch zu halten wissen, sobald, wie wir hoffen und aufrichtig wünschen, die Reinheit der Idee durch nichts getrübt wird. Unerklärlich aber ist es, wie man die Alterthums wissenschaft dadurch wahrhaft vertheidigcn und aufrecht erhalten zu kön nen glaubt, daß, wie dies jüngst in der Leipziger Zeitung durch eine Einsendung aus Dresden geschehen ist, dem Gymnasialverein verdächtige und Parteiabsichten untergelegt werden. Die Älterthumswissenschast hat wahrlich noch Lebenskraft und anerkannten Werth genug in sich, daß sie eine derartige Verthcidiaung entschieden zurückwciscn muß. Bedürfte sie zu ihrem fernem Fortbestand und zu ihrer Befähigung, die Geister anzuzie hen und zu bilden, bereits solcher Mittel, dann wäre es sicherlich nicht nur bald um sie geschehen, sondern sie verdiente auch, sofort ihres bisherigen hohen Berufs enthoben zu werden. Uebrigcns kann man dem antiken Humanismus in der öffentlichen Meinung durch nichts so sehr schaden als durch Verdäch tigung cntgegcnstehender Ansichten: seine Vertheidigungswaffcn können und müssen aus einem bessern Zeughaus entlehnt werden. Auch dreht sich die Gymnasialfrage keineswegs bloß um die Unterrichtsgegenstände, sie ist viel umfassender und muß auch umfassender genommen werden, wenn ihre Verwirklichung zum Segen der Jugend, der Wissenschaft und des Vaterlandes gedeihen soll. chAuS dem voigtlande, 26. Nov. Den lebhaftesten Anklang hat bei uns der Antrag gefunden, der in der letzten Versammlung des leipziger Vereins der Gustav-Adolf-Stiftung gestellt worden ist, daß Hr. Superintendent 0r. Großmann in Folge seiner Abstimmung zu Berlin veranlaßt werden möchte, sein Vorsteheramt freiwillig niederzule gen. Wir erkennen aus diesem Anträge, mit welcher Hcldenkühnheit eine gewisse Partei dem erhabenen Ziele der'Alleinherrschaft entgegenstrebt. Nur bedauern wir, daß der Hr. Antragsteller auf halbem Wege stehen geblie ben ist und nicht auf förmliche Landesverweisung angetragen hat. Doch was nicht ist, kann noch werden; denn jener Antrag ist ein Vorbote von dem goldenen Zeitalter, das. in Griechenland herrschte; als der OstraciS- mus in voller Blüte stand. Die Ankläger jenes Mannes werden nun nach solchen Vorgängen hoffentlich recht bald beginnen, den Gustav-Adolf- Vercin durch unsterbliche Verdienste zu verherrlichen, die sie wahrschein lich bis jetzt au« allzu großer Bescheidenheit zurückbehalten haben. Auch wird es denselben gewiß recht bald gelingen, den Mann zu verdunkeln, der bisher mit beispielloser Sclbstvcrläugnung Zeit und Kraft der guten Sache geweiht und dessen Namen bis jetzt die ganze evangelische Welt mit der dankbarsten Verehrung gekannt hat. In Erwartung dieser künf tigen Verdienste bringen wir den Anklägern des verdienstvollen Mannes im voraus unsere Huldigung dar. Wie mögen sich übrigens die andern Deputirten des leipziger Hauptvercins gewundert haben, daß sie durch eine einfache Abstimmung, die mit einem Ja oder Nein abgemacht war, zu einer Dankadresse gekommen sind! Auch mögen sic beschämt ihr Auge niedergeschlagen haben, daß ihnen ein solches Lob auf Kosten eines Man- und Liebe, welcher Ronge allenthalben genießt, nicht zu groß wäre, als daß sie durch unbesonnene Zeitungsbericht« erschüttert werden könnte. In dessen fehlt cS nicht an Leuten, welche auf solche Artikclchen triumphirend hindeutcn, als ob damit bewiesen sei, daß die Deutsch-Katholiken da- Joch, welches sie abzuschütteln meinten, bereit- in anderer Form und wo möglich noch größerer Schwere wieder trügen, und für diese und Dieje nigen aus der Masse, die ihnen blindlings nachbetcn, sind einige Worte der Entgegnung gar nicht überflüssig. Die Deutsch-Katholiken verehren in Ronge den Herold ihrer kirchlichen Befreiung und den muthigsten, edel sten, rüstigsten Kämpfer für dieselbe, und alle Anfeindungen wegen Man gels an wissenschaftlicher Bildung rc. haben und werden diese Verehrung nicht schmälern können. Dessenungeachtet aber räumen sie Ronge nicht das geringste Recht mehr ein als jedem Andern, und wer Ronge kennt, wer Gelegenheit hatte, sein von den Principien der jungen Kirche so ganz durchdrungenes Wesen kennen zu lernen, der ist überzeugt, daß Ronge am wenigsten eine Bevorzugung in Anspruch nimmt. Könnte aber Ronge feine ganze Natur verläugncn und ein Vorrecht für sich in Anspruch neh men, wollte er auf eigne Faust den „Deutsch-KatholicismuS weiter füh- rcn" und ihn mit den „freien protestantischen Gemeinden" vereinen, so dürfte man der im Principe starken und treuen brcSlauer Gemeinde zunächst wol vertrauen, daß sie gegen ihn ein gleich festes Benehmen beobachten würde, als Dasjenige ist, welches sie gegen Theiner beobachtete; auch wären gewiß alle deutsch-katholischen Gemeinden mündig genug, um sich nicht „führen" zu lassen. Ob die Vereinigung mit den freien protestantischen Gemeinden zeitgemäß, wünschenswerth und fördernd sein dürfte, darüber hier kein Wort; allein erwägen und vorbereiten könnte eine solche Ver einigung nur eine Kirchenversammlung, beschließen können sie nur die Ge tnrinden, die sich ihre Selbständigkeit völlig erhalten haben und sich selbst nicht von einem Concil, viel weniger von einem Menschen, er heiße wie er wolle, „führen" lassen. Daß Ronge behauptet haben soll, er confir mire und ordinire, ohne ein bestimmtes Glaubcnsbekenntniß zu beach ten — diese Behauptung macht die der Sache völlig fremde Stellung des Berichterstatters noch deutlicher, denn die Behauptung hat gar kei nen Sinn: die Confirmation ist nach den Concil- wie nach allen Syno- dalbcschlüsscn die öffentliche Ablegung des Bekenntnisses vor der Ge meinde, wie man aber ein Bekcnntniß ohne Bekenntniß ablcgt, das mag uns der Bremer-Zeitungs-Mann erst klar machen; bei der Ordina tion eines Geistlichen kommt das Bekcnntniß gar nicht in Frage. Die Berufung einer allgemeinen Synode (eines Concils) endlich ist nicht Ronge'S Sache, sondern die des Vorstandes zu Berlin, von dem wir allerdings lebhaft wünschten, daß er recht bald die Hand an diese seine Aufgabe legte, damit das Concil allgemein besucht und bei den Gemein den gehörig vorbereitet werden könnte. Ob dieses Concil auch Andere als Deutsch-Katholiken in sich aufnehmen und ihnen Stimmen geben will, darüber wird cs zunächst selbst zu entscheiden haben, wenn man es nicht vorzieht, die Gemeinden ihre Meinung vorher darüber abgeben zu lassen, was wol besser sein dürfte; auch der letztere Grund macht ein baldiges Handanlegen an die Vorbereitungen wünschenswerth. Die bis hierher entwickelte Weisheit des bremcr Berichterstatters läßt wol auch schließen, was von der Behauptung zu halten sei: „Ronge'S Be mühungen seien bis jetzt in Frankfurt a. M. und Leipzig gescheitert an dem immer noch fortdauernden Particularismus der Volksstämme oder der einzelnen Lande, an der Eifersucht der Süddeutschen gegen die Nord deutschen, der Sachsen gegen die Schlesier." WaS zunächst Leipzig und Sachsen betrifft, so können wir den Berichterstatter auf das bestimmteste versichern, daß Ronae's „Bemühungen" nicht gescheitert sind, denn er hat hier eine „Bemühung", den „Deutsch-Katholicismus weiter zu füh ren" oder ihn mit den „freien protestantischen Gemeinden zu vereinen", nicht gemacht, ja er hat auch nicht einen einzigen Brief deshalb bis jetzt geschrieben, und einen Besuch, welchen er den sächsischen Glaubensgenos sen fteundiich zugedacht hatte, zum innigsten Bedauern der Letztem we gen seiner schnellen Abreise nach Mecklenburg verschieben müssen; wahr scheinlich wird es hinsichtlich Frankfurts ebenso sein. Particularismus und Eifersucht aber hat sich bis jetzt im Deutsch-Katholicismus, zur großen Freude seiner Bekenner, nicht im geringsten gezeigt; vielmehr hat man sich — eine schöne und hcrzerhebcnde Erscheinung bei der Zerrissenheit un serS Vaterlandes! — über das Allgemeine leicht und freudig geeinigt, die provinziale Verschiedenheit aber eben so anerkannt und ihr auf den Pro- vinzialsynodcn Rechnung getragen. Oder bezieht sich die Behauptung darauf, daß cs Frankfurt ä. M. und Sachsen waren, welche die Idee der Gründung eines allgemeinen deutschen Vorstandes, die von Ronge aus ging, nicht adoptirtcn, vielmehr ihre Verwunderung darüber äußerten, daß die Württemberger gleich darauf cingegangen waren? Dann hätte der Berichterstatter auch sagen sollen, daß man die Frage selbst gar nicht in Betracht gezogen, sondern nur erklärt hat, daß zu derartigen Einrich tungen nur ein Concil berechtigt sei. Es war also keine Eifersucht und kein Particularismus, welche das Handeln der Genannten bestimmten, sondern das treue Festhalten an dem Allgemeinen, an den Rechten aller deut schen Gemeinden, die in der Kirchcnversammlung vertreten sind. In dieser Ansicht beharren die Sachsen auch noch heute — die Frankfurter unzweifel haft auch— und werden sie immer beharren; in diesem Bestreben aber haben sie gewiß an Johannes Ronge und an den Schlesiern, die sich so kräftig und musterhaft bis jetzt gehalten haben, die treuesten und rüstig sten Bundesgenossen, und werden darin selbst dann mit ihnen einig und vereint sein, wcnn sie über das Materielle eines Vorschlags verschiedener Ansicht sein sollten. *ÄUS dem Ermedirge, 25. Nov. Daß der dresdner Gym- nasialvcrein und die Conflictc, in die er gcrathen ist, auch bei uns einige Aufmerksamkeit erregt hat, läßt sich unter den obwaltenden Zu-