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Aus dem großen und reichen Schatz der Musik ist eine Auswahl der schönsten Perlen ausgewählt worden. Allen Völkern ist es ver gönnt gewesen, Kleinode zu diesem Schatz hinzuzutun — jedes Volk hat von sich oder seiner Sehnsucht etwas erzählt und in die Form eines Musikstückes gebracht, das wir immer wieder erklingen lassen können und das uns immer wieder von den Schönheiten dieses Volkes und seines Landes ahnen läßt. BEDRICH SMETANA (1824-1884) gilt als einer der größten tschechischen Meister. Er hat ein schweres Schicksal erlitten, das für einen Musiker tragisch ist; er ertaubte 1874. Aber gerade in diesem Jahr begann er, dem Schicksal trotzend, mit der Komposition einer Reihe zusammengehöriger sinfonischer Dichtungen, die die Schönheiten seines Vaterlandes besingen sollten. Aus diesem Zyklus „Mein Vaterland" ragt als schönster Teil die Dichtung „Die Moldau" heraus, in der Smetana das Leben dieses Flusses beschreibt. Wie sich aus den zwei kleinen Quellen im Böhmerwald, die über Steine hüpfen und durch ernste, schweigende Wälder murmeln, erst ein Bach, dann ein Fluß, darauf ein breiter Strom bildet, welche heiteren Landschaften er durchfließt, was für Städte und Burgen an seinen Ufern stehen, ist der Inhalt dieser sinfonischen Dichtung, die welt berühmt geworden ist. MAX BRUCH (1838-1920) lebte als deutscher Komponist etwa zur gleichen Zeit wie Smetana. Er war ein Freund von Brahms. Er gehörte der deutschen Spätromantik an, dieser Kunstrichtung in der Musik, die den schönen Klang sucht, die ihre Träume erzählt, die ihre Sehnsucht nach schöneren Ländern und besseren Zeiten schildert, die dabei aber auch sehr leicht die Wirklichkeit vergißt und dann erschrickt, wenn diese anders ist als ihre Träume. Max Bruchs Violinkonzert hat sich bis in unsere Zeit erhalten, weil in ihm so süße Melodien aufklingen, weil die Violine wirklich mit Sehnsucht singt, weint und schluchzt, weil sie sich den Menschen ins Herz schmeichelt. Es ist ein Schwelgen im Wohlklang, ja fast zu viel schöner Klang, der berauschend und hypnotisierend wirkt. Aber so waren die Spätromantiker, die sich eine Welt erträumten, weil sie sich aus der wirklichen Welt hinausflüchten wollten.