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ZUR EINFÜHRUNG „Tapiola" ist eine Tondichtung für Orchester. Jean Sibelius. der große finnische Komponist, hat mit diesem op. 112 eine seiner bedeutendsten sinfonischen Dichtungen geschaffen. 1865 wurde Sibelius geboren, er wuchs mit den Idealen der Spätromantiker aut, denen er auch heute nocli treu geblieben ist. Die finnische Welt, die herbe Seen- und Waldlandschaft dieses im hohen Norden liegenden Landes, seine Sagen und Märchen sind für Sibelius unvergeßliche Erlebnisse gewesen. Aus dieser innigen Verbunden heit mit der Heimat erwächst seine Musik. Wenn er, nur in diesem Sinne zeitgebunden, zur sinfonischen Dichtung als Aussagemöglichkeit greift, so schreibt er doch eine Musik, die ohne jede literarischeDeu tung sofort verständlich ist. Sibelius stellt seinem op, 112 einen Vierzeiler aus der Kalevala, der finnischen Mythensammlung, voran: Da dehnen sich des Nordlands düstre Wälder Uralt-geheimnisvoll in wilden Träumen; In ihnen wohnt der Wälder großer Gott, Waldgeister weben heimlich in dem Dunkel. Der große Gott heißt ,.Tapio“, nach ihm ist dieses Werk benannt. Drei Themen benötigt Sibelius, um die Weite und das Geheimnis des Waldes und seines Gottes zu schildern. Das erste Thema, gleich am Beginn kurz und rhythmisch einprägsam, ist das eigentliche Waldthema. Es wird immer wieder an einandergereiht und erweckt dadurch den Eindruck großer Monotonie. Das Raunen und Rauschen des Waldes malt Sibelius durch die hohen, gedämpfen Streicher, die durch ihre dissonanten Oktav sprünge das Wiegen und Sichbiegen der Baumwipfel symbolisieren. Das zweite Thema, weitgespannt und ausgedehnt, ist das Thema Tapios, des großen Waldgottes, das von den Holzbläsern gesungen wird. Das dritte Thema wird von den Klarinetten und Bratschen vor getragen — immer ertönt dazu das stetig anschwellende Rauschen des Waldes. Mehrere Motive, die aus dem zweiten Thema entnommen sind, werden wichtig für die weitere Entwicklung, ein Nebenmotiv mit einer 5-Ganzton-Leiter hat ein ausgesprochen finnisches Gesicht. Sibelius hat kaum ein zweites Werk von solcher Geschlossenheit geschaffen wie dieses, in welchem das Waldheim „Tapiola“, der Sitz des großen Gottes der Wälder, Tapio, bis zum Schluß Träger der musi kalischen Ideen ist. Er hat diese Rundung des Ganzen erzielt durch folgenden Aufbau, der in der Musik fachsprache mit Exposition — Durchführung — Reprise angesprochen, womit zugleich für das Werk die Sonatenform erkannt wird. Johannes Paul Thilman Der Komponist Günther Raphael — 30. April 1903 in Berlin geboren — gehört mit seinen vier Sin fonien, drei Suiten, Variationswerken für Orchester und großen Chorschöplungen zu den markantesten Persönlichkeiten des zeitgenössischen Schaffens. Die 4. Sinionie stammt aus dem Jahre 1947 und wurde am q. Dezember 1948 in Göteborg (Schweden) unter Issay Dobrowen uraufgeführt. Der 1. Satz bringt uns fünf Themen. Aus einem schwirrenden Tremolo der Streicher und Flöten auf h entwickelt sich das erste Thema in den Holzbläsern. Das zweite Thema, energiegeladen, in Trompeten und Posaunen, löst das erste Thema ab, um zu einem dritten Thema in C, das nur von den Streichern intoniert wird, zu führen, und das in schroffem Gegensatz zu den beiden ersten Themen steht. Darauf folgt der Übergang zu dem ersten Holzbläserthema, diesmal aut cis. Das vierte Thema, das eigentliche Gesangsthema, verbindet dann die drei Instrumentengnippen miteinander und führt zu einer großen Steigerung des vollen Orchesters. Aus der Reprise der vier Themen entwickelt sich dann das eigentliche Hauptthema, das choralartig über den vier ersten Themen den Satz zum Abschluß führt. Der sehr bewegte 2. Satz besteht nur aus einem Thema, das rhythmisch auf den verschiedensten Takt wechseln 3, 4, zumeist 5, auch 6 und 7 Vierteln, aufgebaut ist. Im langsamen 3. Satz beginnen die Celli und Bässe mit dem Hauptthema, das von der Oboe und später von der Flöte abgelöst wird Nach einer Streicherepisode, die aus demselben Thema entwickelt wird, übernehmen die Holzbläser mit dem zweiten Thema die Führung. Dann setzt die Reprise ein. Der ganze Satz ist rein kammermusikalisch instrumentiert, die Blechinstrumente schweigen ganz. Der 4. Satz sveist die Rondotorm aut, Bläser beginnen, Streicher intonieren das erste Thema das Fagott übernimmt die Führung des zweiten Themas, kontrapunktiert-von Pizzicato, Celli und Schlagbässen. Dann ist das volle Orchester daran beteiligt. Nach der Reorise des ersten Themas leitet eine kurze Durch führung zum dritten Thema, das aus den tiefen Saiteninstrumenten allmählich zum Tutti des ganzen Orchesters führt. Daran schließt sich die Reprise des zweiten Themas, ln der Coda tritt zu allen Themerr noch das choralartige Hauptthema des ersten Satzes und beschließt schwungvoll den Satz. Raphael beweist mit seiner 4. Sinfonie sein großes kontrapunktisches Können und feinsinnige Inslru- inentationskunst. Er verzichtet ganz auf Klarinetten und Hörner. Heinz Bongartz 7. Philharmonisches Konzert am Mittwoch, dem 15. März 1950, 19 Uhr Dirigent: Prof. Heinz Bongartz . Solist: Walter Butter, Flöte Werke von Schibier, Ibert und Bruckner