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1372 Schweiz. In Zürich eröffnete am 22. Mai Bürgermeister vr. Zehnder den großen Rath mit einer Rede. — Verhörrichter Ammann in Luzern hat sich (Nr. 143) von der Liste der Mitglieder der gemeinnützigen Gesellschaft im Thurgau streichen lassen. Rußland und Molen. * Von der russischen Grenzt. 20. Mai. Was man auch nach den neulichen Nachrichten im Interesse des Protestantismus der russischen Ostseeprovinzen hoffen durfte, daß nämlich der gewaltsamen Prosely tenmacherei der griechischen Kirche in jenen Gegenden Einhalt gethan die «Presse», sind heute früh nicht erschienen. Von den auSgegebenm beschäftigen mehre sich mit Hin. Dufaure'S Bericht über die außerordent lichen Credite für Algerien, der bekanntlich auf Einrichtung eines beson- dem Ministeriums für die zcither vom Departement des Kriegs abhängige Colonie gerichtet ist. Das Journal des Debats rühmt die talentvolle Ab fassung des Berichts, welcher die Unterlage zu der Debatte über die alaierische Frage in dieser Session, wo freilich vor dem Budget keine Aussicht dazu sei, oder wenn sie verschoben werde, in einer künftigen abgcben werde. Vom Commerce wird das beantragte Specialministcrium nicht günstig und nur als Gelegenheit angesehen, einen Minister mehr und damit auch neue Un- tcrbeamte und eine neue Belastung des Budgets hcrbcizuführcn. — Am 18. Mai ist der Prinz von Joinville mit dem Souverain und den beiden Linienschiffen Marengo Und Neptun, der Dampffregatte Des cartes und der Dampfcorvettc Cuvier von Toulon nach den Hyeren ab gegangen, wo er die zweite Abiheilung deS Ucbungsgeschwaders erwartet. — Der Constitutionnel brachte wie andere Oppositionsblättcr vor ein paar Monaten die Liste von 184 Mitgliedern der Deputirtenkammer, die er als öffentliche Beamte betrachtet. Heute füllt derselbe drei Spalten mit den Namen von 90 andern Beamten und Angestellten der Civilliste, die noch nicht Mitglieder der Deputirtenkammer sind und die Absicht haben sollen, bei der nächsten Wahl als ministerielle Candidatcn aufzulreten. Der Constitutionnel geht dabei so weit, für die künftige Kammer 24S Bcamtcn-Deputirte und darunter 229 ministeriell Gesinnte als Das vor- hcrzusagcn, was die Minister wünschen und erreichen könnten, wenn das Land sich nicht drein lege. — Ueber die Anleihe des Fürsten Czartoryiski von 100 Mill. Fr. (Nr. 142) sagt das Journal de la Haye, daß ein Theil von pariser und londoner Bankierhäusern zu 50 Proc. unter der Benennung „Anleihe der polnischen Kaffe" übernommen worden sei. Hr. Bossel in Nantes ist Director und Hr. Cassimir, ein Schwestcrsohn von Delavigne, Vice director der Gesellschaft. Viele Legitimisten und Israeliten sind bei die sem Unternehmen betheiligt. Die Legitimisten sind in dem aufsichtführen den Rathc durch Graf Fraicinet v. Costlogen und Graf Harcourt vertre ten; Letzterer ist Präsident. Hr. Cremieux rcpräsentirt die Israeliten. Die HH. Aug. Billard, Germain Sarrut und Corali sind dem Aus schüsse beigctrcten, sie verlangten aber zuvor einige günstige Bedingungen für die demokratische Partei. — Aus Oran melden Berichte vom 12. Mai, daß dort Alles fried lich und ruhig aussehc. Hr. Leon Rockes war am 9. Mai nach Tanger abgereist. General Lamoriciere befand sich in Oran. In dem Hafen Mer el Kebir verbreitete das Eintreffen von Dampfschiffen mit Truppen, an deren Stelle sie beurlaubte Soldaten und solche, die ihre Dienstzeit überstanden haben, an Bord nehmen, viel Leben. — Man schreibt aus Algier, daß die dortigen Ulcmas eine Adresse an den König Ludwig Philipp im Namen der muselmännischen Bevölke rung entworfen haben, um denselben zu seiner wunderbaren Errettung aus der Gefahr bei dem Lecomte'schen Attentate zu beglückwünschen. Die Adresse ist in dem Scd - Dschau genannten orientalischen Style (gereimte Prosa) abacfaßt, die Niederschrift selbst, mit Arabeskenverzicrungen in Gold eingefaßt, soll ein Meisterwerk sein. — Der Kaiser von Marokko beabsichtigt, eine Anzahl regulairer Bataillone zu bilden und seine Artillerie nach europäischem Systeme zu organistren. Er hat sich, wie^es heißt, deshalb mit dem Gesuch an die Militairbehörde in Algerien gewendet, ihm mehre Offiziere zu senden, welche die Ausführung dieses Plans leiten möchten. >?PanS, 22. Mai. Der Minister des öffentlichen Unterrichts, Hr. de Salvandy, gab gestern Ibrahim-Pascha zu Ehren ein glänzendes Fest. Nach dem Banket brachte er seinem berühmten Gast ein Geschenk von sehr gutem Geschmacke dar, nämlich ein Exemplar der „vosoriplion cts kLZypto", prachtvoll gebunden und auf einem der Bände mit der Auf schrift: „Sr. Hoh. Jbrahnn-Pascha gewidmet. Paris, 21. Mai 1846." Die schöne Galerie des Ministerialhotels, welche die Empfangszimmer vervollständigt, wurde bei dieser Veranlassung durch ein Concert cinge- wciht. Das Orchester der großen Oper befand sich auf einer im Hin tergründe errichteten Estrade; rechts davon gegenüber und in einer ihn hcrvorhebendcn Jsolirung hatte der ägyptische Prinz, der das große Band der Ehrenlegion trug, mit seinem Dolmetscher Platz genommen. Eine von den Brüdern Halcvy verfaßte und componirte Cantate: „Die Ge stade des Nils", ward von Baroillct vorgetragen. Der von einer arabi schen Ucbersetzung begleitete Text ward unter die Anwesenden in einem sehr luxuriösen Abdrucke verthcilt. Bei den andern Piecen wirkten Tam burini, Baroillct und Madame Damorcau; Jourdan sang Mehrcs aus David's berühmter Composition „l.v OSsoi-t". Alle ausgezeichneten Personen der diplomatischen, politischen und literarischen Kreise waren anwesend. Großbritannien. London, 20. Mai. Wir haben zur gestrigen O b erhaussi tzung die schließlich erfolgte erste Lesung der vom Unterhaus angenommenen Zollbill nachzutragen. Bei Eröffnung der Sitzung fand ein viel Heiterkeit erregender Vorgang statt. Da nämlich der Lordkanzler 5'/, Uhr seinen Platz auf dem Woll sacke noch nicht eingenommen hatte, trat Lord Campbell auf und be merkte, daßdie Lords in Abwesenheit des Lordkanzlers das Recht hätten, aus ihrer Mitte einen Sprecher (Vorsitzenden) zu ernennen, und daß er bei der vorgeschrittenen Zeit die Wahl eines solchen beantrage. Er sei überzeugt, sie könnten keinen bessern wählen als den edlen und gelehrten Lord (hier brach Alles in Gelächter aus, da Lord Brougham unbedacht- samerweise in der Richtung des Wollsacks cinherging). Er schlage Lord Brougham zum Sprecher vor. Dieser war eben im Begriffe den Vorsitz zu übernehmen, als der Lordkanzlcr kam und unter neuem Gelächter selbst den Platz auf dem Wollsack cinnahm, zu dem Lord Brougham beinahe wieder einmal, wenn auch nur auf einen Abend, gelangt wäre. Am Schluffe der gestrigen Unterhaussihung kam noch einmal die Wahl von Bridport zur Verhandlung, die mit 1 Stimme zwischen den HH. Cochrane und Romilly entschied und wo der erstere anfangs als Gewählter proclamirt, dann aber in Folge der Untersuchung der Wahl durch ein Spccialcomite Hr. Romilly als der Gewählte anerkannt wurde. Hr. Bankcö beantragte nun gestern die Vernehmung eines Wählers mit Namen Nockctt an der Barre des Hauses, der darthun wolle, daß seine Stimme zu Gunsten Hrn. Romilly's fälschlich gezählt und dieser dadurch Untcrhausmitglicd anstatt Hrn. Cochrane's geworden sei. Hr. Christie stellte dazu als Amende ment den Antrag, daß des Wählers Nockctt Petition an ein Special- comite verwiesen werden solle, das auch wegen etwa statlgcfundcncr Be stechung und dergl. zu untersuchen haben werde. Diesen Antrag amen- dirte der Generalanwalt von neuem, indem er-nur die Verweisung an ein Comite davon bestehen lassen und die Untersuchung wegen Beste chung beseitigt haben wollte. Hr. Bankes zog nun seinen ersten Antrag zurück, und Hrn. Christie's Amendement trat an dessen Stelle. Am Ende ward über das Amendement des Generalanwalts dazu abaestimmt, und da 47 gegen 47 Stimmen sich ergaben, entschied der Sprecher durch seine entscheidende Stimme für dessen Annahme, lieber den sonach auf Ver weisung der Bittschrift an ein Comite beschränkten Antrag des Hrn. Chri stie wurde die Debatte bis zum 21. Mai vertagt. — Daß Morning Chronicle meldet freudig, daß vier Pairs im aus wärtigen Dienste, die Lords Cowley, Westmoreland, Howard de Walden rind Holland, von Wien, Berlin, Lissabon und Florenz demnächst erwar tet werden, um im Oberhausc ihre Stimmen zu Gunsten der Politik des friedlichen Handels und des guten Einverständnisses mit der Welt abzu- aeben. Ucbrigens wird nicht unbemerkt gelassen, daß die Gefahr, die Getreidebill im Oberhause verstümmelt aus der Comitcbcrathung hervor-, gehen zu sehen, sich bestimmter herausstelle. Im Comite des Hauses geltem nämlich nur die Stimmen der wirklich anwesenden Pairs, während bei andern Abstimmungen durch Vollmacht gestimmt werden kann. — Von der Times wird im Betreff der am 18. Mai im Oberhausc bei der zweiten Lesung mit 40 gegen 41 Stimmen verloren gegangenen Regierungsbill wegen Einsetzung einer Centralbehörde zur Oberaussicht der Verwaltung milder Stiftungen und der gestern nur mit 47 gegen 46 Stimmen für die Negierung entschiedenen Abstimmung im Unterhausc (s. oben) bemerkt: Sir R. Peel möge zwar großartig indifferent sein gegen kleine Schlappen; der Verlust einzelner Plänkler und leichter Truppen auf den Flanken und im Rücken möge ihm geringfügig erscheinen. Allein «uö vielen Körnchen werde auch ein Haufen, und gebe es heute eine Nie derlage, und käme man morgen nur mit genauer Noth durch, so bilde sich eine Gewohnheit übler Erfolge, die einem Staatsmann sehr übel an- stche, zumal in Sir R. Peel'ö bedrängter und etwas doppelsinniger Lage. An zwei Tagen nach einander hätten die Minister in der obenerwähnten Art eigentlich zwei Schlappen erfahren. Wo waren denn die Untersccre- taire, wo istPeel's Leibgarde, seine zehnte Legion? wo sind seine 112? fragt die Times tadelnd und fährt fort: Diese Gentlcmcn sollten beden ken, wie sehr sie mit seinem Geschicke verwachsen sind. Können sie nicht mehr alö ein Drittel von sich entbehren, um im Hause auf dem Platze zu sein und ihren Mann vor einem Ueberfalle zu sichern: Sic dürfen wahr haftig nicht glauben, zum Nichtsthun privilcgirt zu sein. Sie werden der Gefahr nicht entgehen, indem sie derselben stets trotzen, und die Mög lichkeit einer ernstlichen Kalamität nicht vermindern, indem sic sich täglich ans Unterliegen gewöhnen. — Die neunte Jahresversammlung des Vereins zur Beschützung der Urbewohner fremder Erdtheile fand dieser Tage statt, und eS scheint nach dem von I)r. Hodgkin gegebenen Berichte, daß der Wir kungskreis desselben sich fortwährend erweitere. Unter den darin aufge zählten Bemühungen für den Fortschritt der Civilisation wird namentlich der Ostindischen Compagnie und Dwarkanauth Tagore's rühmlich gedacht, welche im westlichen Ässen Erziehung und Bildung erfolgreich fördern. Von Tschippcwä-Indianern wird berichtet, daß sie ansehnliche Summen zu Bildungszwccken aufgebracht und in Washington um Erlaubniß zum Besuche der nordamerikanischen Colleges für ihre Stammcsangehörigen gebeten haben. — In Gravesend ist das 65. Regiment, 639 M. stark, eingetrof fen, um an Bord des Schisses Java nach Neusüdwalcs abzugehen. . Frankreich. Pans, 22. Mai. Gestern, als am Himmelfahrtsfeste, fanden keine Kaminersitzun gen statt, die Börse war geschlossen und mehre Morgenblätter, z. B.