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L1S4 *) K. 3l der Verfassungsurkunde laufet: „Niemand kann gezwungen werden, sein Eigenthum oder sonstige Rechte und Gerechtigkeiten zu StaatS- gvecken abzutreten, als in den gesetzlich bestimmten oder durch dringende Xothwcndigkeit gebotenen, von der obersten Staatsbehörde zu bestimmenden Fällen und gegen Entschädigung, welche ohne Anstand ermittelt und gewährt werden soll. Entsteht ein Streit über die Summe der Entschädigung, und der Eigcnthümer oder der Berechtigte will sich bei der Entscheidung der Ver waltungsbehörde nicht beruhigen, so bleibt ihm unbenommen, die Sache im ordentlichen Rechtswege zur Erledigung zu bringen; cs ist aber einstweilen die Abtretung zu bewirken und die von jener Behörde festgesetzte Summe ohne Verzug zu bezahlen." Rcalbefugniß nicht nachgewicsen, daß dieses selbst, wenn cS nachgewiesen worden, wegen des nachtheiligen Einflusses, den der Siedercibclricb sür die Gesundheit der Umwohner habe, einflußlos auf die Entscheidung sein würde", verworfen und dabei verordnet, daß Bursche „auch künftig deS Betriebs der Flußsiedcrei in den Alaunhütten in Antonstadt bei außerdem zu erwartender höherer Geld- 'und nach Befinden Gcsängnißssrafc sich gänzlich zu enthalten, nicht minder die Kosten für die Verordnung zu zahlen habe", behielt demselben jedoch „die An - und Ausführung seiner ctwaniacn Ncgrcßansprüche im Rechtswege, wenn und gegen wen er sich damit fortzukommcn getraue", vor. Gegen diese Entscheidung rccurrirte Petent an das Ministerium des Innern, allein auch dieses verwarf sein Gesuch auf Straferlaß, wegen bewiesener Renitenz, und schlug demsel ben zu gleicher Zeit aus sanitätspolizcilichcn Rücksichten die nachgcsuchte Ertheilung persönlicher Concession zur Ausübung seines Gewerbes in Len gedachten Lokalitäten ab. Weitere von dem Petenten einqereichte Gesuche um tauschweise oder käufliche Ueberlassung eines fiscalischen Raums zur Verlegung seines Ge schäfts, und um Erlaubniß zum Fortbetriebc der Siederei in den jetzigen Lokalitäten bis dahin, wo er ein anderes Grundstück erlangt haben werde, hatten endlich nach vielfältigen Verhandlungen den Erfolg, daß ihm der gedachte fiskalische Naum unter gewissen Bedingungen zu dem von ihm beabsichtigten Zwecke käuflich überlassen werden, ihm auch, nach einer Ver ordnung vom 6. Dec. 18-12, gestattet sein solle, die Fkußsirdcrci in dem alten Lokale noch bis zum I. April 18-13 auszuüben; ein erneuertes Ge such um Kostenerlaß wurde aber wiederholt abgewiescn. Durch die ihm verursachten Proceßkosten, durch die Nothwendigkeit, einen neuen Platz anzukaufcn und daselbst neue Flußsiedcrcigebäude her zustellen, durch die von den Behörden herbcigeführte Unterbrechung seines Gewerbes und dadurch verursachten Mangel an Verdienst, endlich durch die nöthiae Abbrechung der alten Sicdcrcigcbäude war bei Petenten drin gendes Geldbcdürfniß cinactreten, und er faßte daher den Entschluß, das Areal der acquirirtcn Flußsiedcrei in Parzellen als HauSbauplätzc zu ver äußern, wozu derselbe auch die Genehmigung- des Ministeriums des In nern erhielt. Allein jetzt trat das Kriegsministcrium entgegen, welches darin insofern ein Bedenken fand, als die Bebauung dieser Parzellen die künftigen Bewohner der Häuser, bei den in der Nähe abzuhaltenden Mi- litairschicßübungen, gefährden könnte, überhaupt auch im Interesse der militairischcn Benutzung oes ExercirplatzeS eine Unterlassung des projectir- ten Baues räihlichcr erscheine. Auf Grund eines von Sachverständigen abgegebenen Gutachtens ward Petenten nun wieder die Bebauung der nach dem Exercirplatze zu gelegenen Parzellen untersagt. Dadurch und durch den immittclst begonnenen und vollendeten Neubau seines verlegten Siederei-Etablissements steigerten sich Bursche's Verlegenheiten dergestalt, daß er sich veranlaßt sah, das Finanzministerium unter Offerirung seines altern, auf 30ÜÜ Thlr. taxirten FlußsiederciarealS um Darleihung eines gleich hohen Kapitals zu bitten, und, da ihm dieses Abgeschlagen wurde, von Gläubigern gedrängt, seine Insolvenz anzuzeigeir. Auf diese That- sachen stützt Bursche in seiner bei der Kammer eingcrcichten Eingabe ein doppeltes Petitum, und zwar: g) „die Kammer wolle sich nach geschehener. Prüfung der vorliegenden Thatsachen bei der Stäatsregicrüng für ihn geneiatest dahin verwenden, daß er den durch den Abbruch der Hütten erlitte nen Schaden restituirt erhalte", und b) „dieselbe wolle die Staatsregierung zu bestimmen geruhen, daß ihm entweder der Platz, auf welchem jene Hütten standen, in 14 Parzellen zu zertheilen und diese als Bauplätze zu verkaufen gestattet, oder eine seinem dadurch entstandenen Verlust an gemessene Entschädigung gewährt werde". Zugleich hat der Petent in seiner Eingabe das Verfahren der Behörden gegen ihn einer Kritik un terworfen, und daß er sich dadurch beschwert fühle, ausgesprochen. Die mit der Prüfung dieser Beschwerden beauftragte vierte Depu tation (Referent S chumann), die ihrem Berichte die Bemerkung voraus schickt, daß nach allen vorliegenden Zeugnissen etwas Nachtheiliges gegen Petenten nicht bekannt geworden sei, trennt dieselben in zwei Klassen, nämlich 1) in solche, die durch Wcgwcisung aus seinem Bcsitzthum, und 2) in solche, die durch Verweigerung zum Verkauf der nach dem einge- rcichten und genehmigten Bauplan eingethciltcn Parzellen motivirt wer den, und gibt über jcdesi dieser beiden Punkte ein specielleß Gutachten ab. Hinsichtlich des ersten Punkts sagt die Deputation, daß sic die Be schwerden thcils unbegründet, thcils nicht wichtig genug halte, um näher darauf einzugchcn, und daß sie Petenten nicht recht geben könne, wenn derselbe behaupte, daß ihm die Einstellung seines Gewerbes nicht habe aufgegeben werden dürfen. Nach ihrer Ansicht komme hier Alles auf die Modalität des von den Behörden beobachteten Verfahrens an, und hier sei freilich Stoff zu der Annahme vorhanden, daß ihm nicht die scho nende Rücksicht von den Behörden gewidmet worden sei, zu welcher sie in Fällen, wo die Privatwohlfahrt mit der öffentlichen in Conflict komme, verpflichtet seien, und wozu tz. 26 der Verfassungsurkunde, welcher die Rechte der Landescinwohner für alle in gleicher Maße unter den Schutz der Verfassung stelle, auf cinc Weise auffodcre, die keinen Zweifel darüber aufkommen lasse, daß Privatrechtc durch Foderungcn des allgemeinen Wohls nicht ausgeschlossen, sondern für gleich berechtigt oder doch für vcrfassuiigs- gcmäß berechtigt zu achten seien. Don diesem verfassungsmäßigen Standpunkte aus würde die Depu tation gewünscht haben, daß die Stadtpolizeidcputation zu Dresden, an statt mit Strafauflagcn gegen Petenten zu beginnen, nach Maßgabe der im Jahre 1838 an sic ergangenen Krcisdircctorialverordnung, zuvörderst mit demselben wegen Beseitigung der Flußsicderci gegen Entschädigung in gütliche Unterhandlung getreten wäre; hätten diese, wie nicht wahr scheinlich, zu keinem gewünschten Resultate geführt, so würde cs sich dann haben rechtfertigen lassen, ohne Weiteres zur Erörterung der Entschädi- aungsfrage, unter Aussetzung des PönalverfahrenS, zu verschreitrn. Hierzu habe in Hinsicht auf tz. 31*) der Vcrfassungsurkunde die dringendste Dcrpflichtung vorgelegen. Zwar handle dieser Paragraph nur von Ab tretung des EtgenthumS für StaalSzwecke, un> richtig fei cs, daß im vorliegenden Falle kein Staatszweck, sondern ein Communalzweck in Frage gewesen s allein die Deputation halte cS nach der bisher bekannten Praxis für unzweifelhaft, daß Communalzwccke diesen Paragraphen nach Ana logie des uralten Polizeigrundsatzes: Villeum oonsulos nv rospudllou guid clotrimonti capim, ebenfalls sür sich ansprcchcn dürfen. Nähme nun auch die Deputation mit den Behörden an, daß dringende Nothwendigkeit die Beseitigung des Petenten gehörigen Etablissements geboten habe, so sei doch vor Gewährung der entsprechenden Entschädigung von jedem Zwangsverfahren abzusehen gewesen, denn die Vcrfassungsurkunde sage ausdrücklich: daß in Fällen, wo Privateigenthum (und Rechte und Ge rechtigkeiten seien diesem gleich) zu Staatszwccken abgetreten werden müsse, die Entschädigung ohne Anstand ermittelt und gewährt werden solle. Auch könne keineswegs davon die Rede sein, daß in Fällen, wo ein Ein zelner offenbar dem öffentlichen Wohl Opfer bringe, derselbe seine Ent schädigungsansprüche auf dem Rechtswege auSführcn solle, und zwar so wenig, als man Jemandem, den man erst wehrlos gemacht habe, mit Recht zumulhen könne, sich damit gegen lebensgefährliche Angriffe zu verthcidigen; denn wollte man der vollziehenden Gewalt erlauben, sich erst das Eigcnthum, resp. die Rechte und Gerechtigkeiten zu nehmen, und dann die Entschädigung folgen zu lassen, so würde dies zu den größten Härten führen, man würde den Staatsbürger geradezu ruinircn können. Dies wolle die Vcrfassungsurkunde durchaus nicht, vielmehr werde von Dem, dessen Privateigenlhum wegen des öffentlichen Wohls in Anspruch genommen wurde, auf dem Rechtswege nur Das auszuführen sein, was er über die ihm zugebilligtc Entschädigung hinaus oder mehr verlange. Die Deputation findet daher den von dem Petenten in keiner Ein gabe 8»b'n gestellten Antrag gerechtfertigt, ist aber der Ansicht, daß nicht der Staat, sondern, da die Behörden hier im Interesse des Com- munalwohlcs entschieden, die Stadtcommun Dresden die Petenten zuzu- billigendc Entschädigung zu gewähren habe, und räth der Kammer an, bei der Staatsregierung zu beantragen: „daß hochdieselbe auf dem Wege der Verordnung die unverzügliche Ermittelung und den Ersatz der dem Petenten durch Abbruch seiner Hütten verursachten Schäden durch die Stadtcommun zu Dresden, ferner Rückerstattung und resp. Ersatz der demselben abverlangten Sporteln und ihm verursachten Advocatcnkostrn anbefchle". Dieser erste Theil des Deputationsbcrichts wurde in der Abcndsitzung vom 4. Mal erledigt, wo dem vorstehenden Anträge der Deputation be sonders die Staatsministcr v. Falkenstein, v. Könncritz und v. Wieters heim entgegcntraten, indem sie auszuführen suchten, daß tz. 31 dcrVer- fassunasurkunde hier nicht Anwendung finden könne, da Petent ein „Recht" zum Betriebe der Flußsiedcrei gar nicht gehabt habe, mithin auch von „Abtretung" desselben nicht die Rede sein rönne. Auch wurde angeführt, daß die Regierung eine derartige Verordnung, wie sie die Deputation in ihrem Anträge wolle, nicht für verfassungsmäßig halte, und daß sie bei dem Umstande, daß Bursche in Concurs gerathcn sei, auch kaum wisse, wem sie die zu ermittelnde Entschädigung zuwcisen solle. Dagegen wurde in einer lebhaften Debatte das Dcputationsautachten von den Abgg. Schaff rath, Metzler, Henselu., Tzschucke und besonders von dem Referenten ver- thci'digt, obwol auch einige dieser Sprecher sich mit der Form des obigen Antrags nicht ganz einverstanden erklärten. Dies veranlaßte den Abg. Hensel U., für den Fall, daß der Deputationsantrag abgclehnt werden sollte, einen andern Antrag zu stellen, der dahin ging, daß die Negie rung den zu ermittelnden Ersatz des dem Petenten durch das Verbot sei ner Alaunslußsicderci verursachten Schadens auf geeignete Weise vermit teln möge. Der Antrag der Deputation wurde auch bei der Abstimmung mit 32 gegen 30 Stimmen abgeworfen, dagegen der des Abg. Hensel II. gegen 2t Stimmen angenommen. Hinsichtlich des zweiten Punktes sagt die Deputation, daß nach Prü fung aller cinschlagendcn Facta sich so viel ergebe, I) daß Petent berech tigt sei, sein Areal in der von ihm projectirtcn und hohen Orts geneh migten Weise zu parzellircn und bebauen zu lassen; 2) daß die ertheilt gewesene Genehmigung, auf Veranlassung des hohen Ministeriums des Kriegs, im Interesse des öffentlichen Wohls widerrufen, und 3) Petent nach seiner Behauptung dadurch verletzt worden sei; cs liege mithin hier in Hinsicht auf tz. 31 der Verfassungsurkunde der Fall vor, wo Jemand „sein Eigcnthum oder sonstige Rechte und Gerechtigkeiten" zu Staats- zwcckcn abzutretcn gcnöthigt werde, also auch sür das dem allgemeinen Besten gebrachte Opfer durch den Staat entschädigt werden müsse. Aus diesen Gründen hält die Deputation daß zweite Petitum Bursche's für vollkommen gerechtfertigt und empfiehlt der Kammer den Antrag an die Staatsrcgicruna: „sie wolle geruhen, dem Petenten zu gestatten, daß er entweder das Areal seiner Flußsiedcrei, nebcn dem Exercirplatz, nach der von ihm beabsichtigten und bereits genehmigten, aber bis jetzt widerrufe-