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Reaktion legte sich wie Reif auf die Gemüter sensibler Künstler — und daß Schumann darunter besonders litt, steht außer allem Zweifel. So sind die •28 ersten Kompositionen, alle für Klavier, wirklich genial. Hans Joachim Moser schreibt darüber, daß Schumann „einen Gipfel zumal in der Geschichte der Klaviermusik bedeutet. Ganz mit dichterischen Ideen gefüllt, unruhig und überschwenglich, beginnt er mit arabeskenhaften und zu gleich leidenschaftlichen Klavierminiaturen, voll Rubato und zackigen Umrissen, die bis ins Impressionistische verhuschen und synkopisch ver wischt werden. Diese ketten sich zu kaleidoskopischen Augenblicks bildern (Davidsbündler, Karneval, Kreisleriana, Ein Faschingsschwank) empfangen etwa Buchstabensymbole (Abegg-Variationen, Stücke über A-S-C-H, BACH-Fugen), bauen sich nun aber auch, weniger aus Weit räumigkeit der Thematik als aus Schwungkraft des dichterischen An triebes, z]/. großen Formen aus: Papillons, Sinfonische Etüden, fis-Moll- Sonate, C-Dur-Fantasie.“ Aber auch später, in der Zeit, in der er, nach Draeseke, nur noch ein Talent gewesen sein soll, bricht ab und zu sein immer vorhandenes Genie durch. Daß eine große Zahl späterer Werke nicht jene Schwungkraft zeigen, die die ersten auszeichnet, liegt eben tatsächlich daran, daß das gesellschaftliche Leben nach 1848 durch die Reaktion gehemmt und eingeengt wurde, daß die Kunst der Zensur unterworfen wurde und der Künstler gezwungen wurde, sich auf sich selbst zurückzuziehen. Dafür aber gewinnen manche der späten Werke an Tiefe, oft an Schwermut und Düsternis. Wie sich der gesellschaft liche Himmel verfinstert, so wächst in ihm selbst die Melancholie. Von seinen vier Sinfonien sind drei zu hören. Die erste Sinfonie B-Dur op. 88 hat heute noch den Titel „Frühlingssinfonie“. Aber da Schumann eine große Scheu hatte, die Menschen in sein I lerz schauen zu lassen, strich er später die ursprünglichen Satzbeischriften, die einen poetischen Hinweis auf den Inhalt geben konnten, wieder weg. Die zweite Sinfonie C-Dur op. 61 hat auch eine programmatische Andeutung, die im Zitat einer eignen Melodie im Schluß satz besteht. „Nimm sie hin denn, diese Lieder“, läßt er auftönen. Die vierte Sinfonie d-Moll op. 120 entstand schon im Jahre nach seiner Verheiratung mit Clara Wieck. Sie gibt das Hochgefühl dieser ungemein schöpferischen und glücklichen Zeit wieder. Er arbeitete dieses Werk um und gab es dann als vierte Sinfonie heraus. Von seinen Konzerten kommen das Klavierkonzert a-Moll op. ö l und das Violoncellokonzert op. 129 zu Gehörs Das Klavier konzert ist eins der bedeutendsten Werke Schumanns. In ihm vereinigen sieh alle Tugenden und Vorzüge des genialen Romantikers: der große Schwung, der sich aus dichterischen Ideen nährt, die Überschwenglichkeit der Phan tasie, die Unruhe eines von vielen inneren Gesichten heimgesuchten Künst lers, die Leidenschaftlichkeit einer glühenden Seele. Das Violoncellokonzert ist dafür lyrischer und weicher, verträumter und viel mehr getragen von tiefen Empfindungen.