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gen Einladungskarten auszuthrilen. Die Functionen eines Küsters hatte ein Kaufmann, Hr. Senck«, bereits übernommen, und zu elwanigen an derweitigen Dienstleistungen bei der jungen Gemeinde haben sich noch an dere Manner unentgeltlich bereit erklärt. So nahte her Sonnabend heran, al- plötzlich Nachmittags ein Befehl des Oberpräsidenten Bötticher beim pravisorischen Presbyterium eingeht, den beabsichtigten Gottesdienst nicht «her zu veranstalten, als bis «in Glaubenöbekrnntniß der neuen Sekte ihm eingereicht die höhere Genehmigung erhalten haben würde. Ein besonderer Grund, warum gerade jetzt, da schon die Karten ausgetheilt waren, das unerwartete Verbot erfolgte, soll auch der gewesen sein, daß Hr. Jachmann überdies einen kirchlichen Act, nämlich die Taufe seines neugeborenen Kindes bei der ersten gottesdienstlichen Handlung der freien evangelischen Gemeinde vollziehen lassen wollte. Zwei Mitglieder des Presbyteriums, vr. Dinter und Kaufmann Negenborn, begaben sich sofort zum Obervräsidcntcn und bewirkten durch ihre Vorstellungen, daß wenn auch kein Gottesdienst, so doch eine Zusammenkunft wenigstens in dem selben Locale und zur angesehten Stunde stattfinden durfte. Der Ver sammlung wurde nun das Resultat des vorhergehenden Tages mitge- theilt und eine neue auf vorgestern wieder angesetzt. Ne. Jachmann ließ indcß sein Kind von Hrn. Grabowski, dem Prediger der deutsch-katko- lischen Gemeinde, in der französisch-resormirten Kirche tausen, wo die In schrift des Gotteshauses: „Dieser Tempel ist den Flüchtlingen gewidmet", von dem Redner trefflich in Bezug aus die Hugenotten, die Deutsch- Katholiken und den jungen Sprößling der freien evangelischen Kirche ge deutet und «»gewendet wurde. Die vorgestrige Generalversammlung war eine der wichtigsten für das gedeihliche Leben der jungen evangelischen Gemeinde. Damen und Herren, Militairs und Beamte, Kaufleute, Ge- werbtreibende und Gelehrte wohnten derselben bei. Zwei Aktenstücke wur den zunächst vom Vorsitzenden, vr. Dinter, vorgelescn und von der Ver sammlung gutaehcißcn: das cinzureichende Bekenntniß der Gemeinde und ein Schreiben des Presbyteriums an die evangelische Kirche Deutschlands, daß an alle auswärtigen Blätter eingcsendet werden soll. Eine interes sante Debatte entspann sich nur darüber, ob die Gemeinde eine srei-evan- gelische oder eine frei-christliche genannt werde. 'Man entschied sich für die Beibehaltung des Wortes „evangelisch". Zuletzt schritt man zur Wahl zweier Kollegien, bei denen der Prediger zwar Sitz, aber keine Stimme hat: eines'Vorstandes von fünf, welcher die äußern, und eines Presbyteriums, welches die inner» Angelegenheiten zu besorgen hat. Am 23. Jan. findet die vierte Versammlung der jungen Religionsgenossen- schaft statt, der unter Andern auch der Hauptmann v. Schmehling und die Privatdocenten Dl). Herbst und Lobeck anachören. Inder letzten Generalversammlung der Börsrnhalle am i7.Jan. kam der wegen eines vorgefallenen Formfehlers für ungültig erklärte Be schluß, daß Militairpersoncn im Sommer keinen Zutritt zu dem Gar ten am Schloßteiche erhalten sollen, nochmals zur Beralhung, nachdem Line früher deshalb angcsctzte Versammlung zweideutig auscinanderge- gangen. Die Freunde des Militairs haben diesmal mit tü9 gegen 8ü Stimmen die Oberhand behalten, es steht aber wol zu bezwcifem, daß 'die Offiziere von elwanigen Einladungen unter diesen Umständen Ge brauch machen werden. Der ganze Zwiespalt gilt übrigens nur einem Princip, nicht dem Stande als solchem; unlängst bei der feierlichen Beer digung des ehemaligen Freiwilligen OberinspectorS Dittrich führten so gar der Kaufmann Heinrich und der Major v. Dechen den imposanten Zug an, dem sich auch der commandirendc General v. Dohna nebst den höhern Stabsoffizieren angeschlossen hatte. Vorgestern fand wieder ein glänzender Studentenball statt, von dem man sich auf andern Universitäten keine Idee machen kann. Alle gebildeten Stände sind da repräsentirt. Es war gedrängt voll, und ein volltönendes Gaudeamus schloß nach I Uhr daß rauschende Fest. — Aus Thorn vom t7. Jan. wird der Zeitung für Preußen ge schrieben: „JnKulm sind vier junge Leute, Schülerdcs dortigen Gymna siums, verhaftet und nach Graudenz abgeführt worden. Auch hier sind gestern wieder zwei Verhaftungen, wiederum aus der arbeitenden Volksklasse, vorgekommen. Indem ich muthmaßlich mit meinen Berichten über die' unterbrochene polnische Bewegung, deren Hauptuntersuchung nunmehr nach Graudenz verlegt ist, zu Ende eile, melde ich schließlich das We sentlichste, was aus den hier stattgehabten Verhören seiner allgemeinen Natur- nach ins Publicum hat stießen können. Eine gewisse Anzahl der Schuldigen hat sich — an welchem Tage, kann ich natürlich nicht wissen der Personen der Chefs der hiesigen Militair- und Civilverwaltung und somit natürlich auch der Schlüssel zu den wichtigsten öffentlichen Gebäuden ver sichern wollen. Gleichzeitig oder unmittelbar nachher sollte Thorn von außen überrumpelt werden. Für das Faktische dieser letzten Intention spricht die noch jetzt immer angewendete Vorsicht, daß in den FcstungS- gräben, über die von außen her der Weg auf die Wälle und über diese in die Stadt führt, das Eis auf Befehl der Militairverwaltnng täg lich zerschlagen wird, und in jeder Nacht auf den Wällen, sowie dics- seit und jenseit in der Nähe derselben, zahlreiche Posten patrouilliren. Mit dieser Maßregel steht die andere in Verbindung, nach welcher all nächtlich in der innerhalb der Stadt liegenden Artillerickaserne ein Jn- fantericpiket unter Commando eines Hauptmanns aufzicht, das erfodcr- tichenfalls sogleich zur Hand sein kann. Bringt man hiermit die in der Stadt vorgenommenen Verhaftungen sowie die Thatsache in Ver bindung, baß um die Zeit des i. Jan!, vorher msd'nachher, nicht We nige aus dem angrenzenden Königreiche die Grenze überschritten, über deren Herkunft kein genügender Nachweis zu erlangen war; bringt man ferner den intendirtcn Polenball hiermit in Verbindung, der ursprünglich um eben diese Zeit hier stattfinden sollte, so erhält man ein reiches Feld für nicht uninteressante Vermuthungen. Was sich übrigens nach in Rede stehenden Vorgängen al« Rothwendiakeit Herausstellen dürste, wäre dies, daß Thöni zu größerer Sicherung für die Zukunft jedenfalls einer stär ker» Besatzung bedarf als die bisherige war." — Das Wcstphälische Dampsboot erzählt aus Westfalen Folgendes: „Ein Bauer der Gemeinde Stromberg, der sieben Morgen Landes besaß mit etwa 2t0 Thlr. Schulden darauf, baute sich auf seinem Grundstücke an. Der Landratk Gras Merveldt ließ dem Manne das Haus nieder reißen, weil derselbe dictum Hausbau berechtigenden Subsistenzmittel nicht Nachweise» könne. Nun wohnte der arme Mann in einer Erdhöhle, bis ihm der Kammerrath Röttcken das Grundstück unter der Bedingung des allzeitigen Wiederkaufs abkaufte, ihm sein Haus wieder aufbaute und ihn zum Pachter desselben einsrtzte. Das soll nun auch nicht gestattet werden, weil zu dem HauSplatze kein fahrbarer Weg für Feuerspritzen und für den reitenden Gendarmen führe. Die Entscheidung liegt jetzt dem Ministerium unter." — Nach dem Oberschlesischen Bürgerfreund hat Prinz Albrecht von Preußen die große Herrschaft Tost für 700,ooo Thlr. für sich ankau fen lassen. — Auch in ^rotoschlt» ist Pestalozzi's hundertster Geburtstag festlich begangen worden. Oesterreich. ' Prag, 22. Jan. Seit einigen Tagen wird hier ein in der fürsterzbischöflichen Buchdruckerei in böhmischer und deutscher Sprache ge drucktes Traktätchen an allen Straßenecken und Kirchenthüren auSgebo- ten, theilweise auch verschenkt und in den Schulen vertheilt. Der Titel des selben lautet: „Guter Rath zur Zeit der Noth, ein treues Wort an meine Landsleute." Schon ein flüchtiger Blick in dasselbe gewährt die Ueberzeugung, daß cs dcm Verfasser nicht um die Noth seiner Lands leute, sonder» blos darum zu thun war, in die Einförmigkeit des hiesi gen Lebens wieder einmal eine frische Dosis Judenhasses zu bringen, um wo m^lich die Excesse des Jahres t8tt hcrvorzurusen und das ergötz liche Schauspiel des Fenstereinschlagens zur Belustigung des Carnevat- publicums sich wiederholen zu sehen. Der besorgte Vaterlandsftcund ver sichert zwar, „daß er die Juden nicht hasse, weil sie seine Nächsten sind und der Haß eine Sünde ist". Was es aber mit seiner Nächstenliebe für eine Bcwandtniß habe, geht schon daraus hervor, daß er unter andern wohlgemeinten weisen Rathschlagen seinen Landsleuten aus purer christ licher Liebe auch noch den Rath erthcilt, „keinen jüdischen Hausirer in ihrer Stube nicdersitzen zu lassen, nicht zu gestatten, daß er sein Bündel ablege, ja ihn nicht einmal über die Schwelle treten zu lassen, und von ihrem Getreide nicht ein Körnlein an Juden zu verkaufen". Der Ver fasser dieses Pamphlets soll ein katholischer Pater sein, Rcligionslehrer an einer hiesigen Schule, der wegen seines heuchlerischen, echt pharisäi schen Wesens hier allgemein für einen Jesuiten gilt. Welche Motive den Verfasser veranlaßt haben, eine in staatlicher wie in legislativer Hinsicht ohnedies genug gedruckte Gesammtheit auch in socialer Beziehung zu ver dächtigen und zu verunglimpfen, ist nicht bekannt. Jedenfalls waren es sehr unsaubere Beweggründe, wenn wir auch dcm Gerüchte keinen Glau ben bcimessen, welches den Grund des wüthenden Ingrimm« in der Ver weigerung einer von einem Juden begehrten Darleihe findet. Die Be schimpfung oder Verdächtigung einer Corporation oder einer gewissen Klasse der Bevölkerung ist an sich schon verdammenswerth; aber schurkisch und niederträchtig wird sie, wenn sie von e.inem Stärker» gegen einen Schwächer» gebraucht wird, gegen Den, dessen sich Niemand annimmt, und während durch Ccnsurverhältnjsse jede Entgegnung, wenn auch nicht unmöglich, so doch äußerst schwer gemacht wird. Unbegreiflich bleibt cs aber, wie unsere sonst ängstlich invigilirende und für die Erhal tung des confesstonellen Friedens besorgte Censurbehörde ein solches auch wegen seines übrigen Inhalts nicht unverdächtiges Pamphlet pas- siren und wie die Polizei die Verbreitung desselben und dessen Versen dung an alle Dominien auf dem Lande zulassen konnte. Ein besonverS menschenfreundlicher Amtsmann in C., einer Vorstadt von Prag, hat es in die Häuser geschickt und sogar den Kleinen in der Kinderschulc als Lcseübungsstück anempfohlen. Aber noch ist Gott Lob! der Sinn unser« Landmanns gesund und ungetrübt; wir vertrauen auf das gerade Urtheil desselben und hoffen, daß er, unbefleckt vom pfäffischcn Fanatismus, die mit falschem Firniß übertünchte Scheinheiligkeit von wahrer Humanität zu unterscheiden wissen wird. Mortngal. Es macht Aufsehen, daß der Herzog v. Palmella, der als lebenslänglicher Präsident der Pairs in der Adreßcommission derselben den Vorsitz führen müßte, sich davon losgemacht hat und die Sitzung verließ. Es wird als eine Erklärung gegen die Regierung ausgclegt. Die Ab aeordnctenkammer war am iü. Jan. noch bei der Prüfung der Vollmachten. Mit Spannung sah man der der Abgeordneten von Alemtejo, der «in zjgen Provinz entgegen, wo die Opposition bei den Wahlen etwas durchsetzte. — Am 9. Jan. hat der Finanzminister mit der Unionsbnk einen Ver trag abgeschlossen, wonach diese die Bezahlung der Dividende der frem de» Schuld für die nächsten drei Vierteljahre übernimmt. — In Lissabon haben seit Neujahr die dort erschienenen Zeitun gen ihr Format verdoppelt, ohne den Preis zu erhöhen. Sie haben nun das der madrider Blätter, waS dem Formate der Allgemeinen Preußi schen Zeitung gleicht und dasselbe ist, was die pariser Zeitungen vor einigen Jahren' noch besaßen, welche jetzt in dem der großen englischen Zeitungen erscheinen.