Volltext Seite (XML)
dann merkte, daß eine andere Hand nach seinem Eigenthum griff, schlug en wild um sich, was nunmehr einen allgemeinen Kampf im Dun keln zur Folge hatte. Damit hätte noch Alles sein Ende finden, und die Beamten so wohl wie Duprat und der Baron hätten den Ausweg gewinnen kön nen , aber nun sprang der feurige junge Soltmann kampfbegierig auf seinen Angreifer, und da er unversehns von einem wild um sich schla genden Mann noch einmal vor die Brust getroffen wurde, zog er sei nen Taschenrevolver. Zugleich mit dem Rufe: „Schlagt die Polizisten todt," der aus hundert Kehlen wiederhallte, krachte ein Schuß; ein jäher Aufschrei durchtönte die unterirdischen Gewölbe, und einer der Männer in Rad mantel und Schlapphut, welche an dem ferneren Tisch gesessen, stürzte getroffen zu Boden. Es war Duprat! Er wußte im Augenblick selbst nicht, wie schwer oder wie leicht seine Verwundung war, er hatte nur irgendwo einen stechenden Schmerz empfunden und sich sogleich zu Boden geworfen, um einem zweiten Attentat, das er gegen sich gerichtet glaubte, zu entgehen. Erst als er sich wieder erheben wollte, fühlte er, daß seine rechte Hand verwundet sei. Dies versetzte ihn natürlich in einen Zustand wahnsinniger Ver zweiflung. Seine rechte Hand verletzt, und er vielleicht auf lange oder nie mehr im Stande, eine Feder zu führen — es war genug, um seine Existenz zu vernichten und sogleich seinen Antheil an dem hier stattgehabten Kampf zu verrathen. Der Schuß und Schrei wurden aber das Signal zu einer all gemeinen Erhebung. Soltmann und Neubert riefen einander zu und ließen ihre klei nen Signalpfeifen ertönen. Die schrillen Pfiffe fanden von der Straße Erwiderung. Die von dem Nachtwächter avisirte Polizei war also sehr nachgerückt. „Polizisten herbei! Haltet die Thüren besetzt!" riefen nun die beiden Beamten. Ein allgemeiner Wuthschrei erhob sich von nah und fern, und Plötzlich waren alle Lichter erloschen. Vater Christoph hatte den Haupthahn zugedreht, das einzige Mittel, um die draußen befindliche polizeiliche Streitmacht richtig schätzen und in Schach halten zu können. Nach einer flüchtigen Verabredung besetzten nun die Gäste des .Fuchsbau" alle Ausgänge, und trotzdem sich inzwischen Soltmann und Neubert vereinigt hatten, war doch keine Aussicht vorhanden, daß sie ohne Kampf hinaus gelangen würden. Sie waren zu diesem aber fest entschlossen; waren sie doch hier unten ihres Lebens nicht sicher. Während nun die Kümmelblättchenspieler noch um ihre Beute kämpften und in einer ferneren Ecke Duprat seinen Freunden sein Leid klagte, führte Neubert seinen jüngeren Kollegen aus dem Zimmer und auf verborgenem Wege nach einem der ihm bekannten geheimen Ausgänge. Sie wußten noch Nichts von der inzwischen getroffenen Verab redung der Verbrecher. Plötzlich , als sie sich schon gerettet wähnten, fühlten sich Beide gepackt und in das Innere der Höhle zurückgedrängt. „Last uns hinaus und Euch soll Nichts geschehen!" rief Neubert seinen Bedrängern zu. Ein höhnisches Gelächter folgte seinen ernst gemeinten Worten. Soltmann wollte von einer Verständigung Nichts wissen. „Zurück!" schrie er. „Wer jetzt nicht weicht, der ist ein Mann des Todes." Aber auch seine Worte fanden keine andere Wü>-b'a""U. De^ aber^chna ^^^'«ust, und in der nächsten Sekunde war Soltmann di- entwunden. wurden Fenster und Thüren eingeschlagen; die Polizei drang ^r»ü. Ein furchtbarer Kampf im Dunkeln entspann sich, bei welchem sich der kleine Neubert eines sogenannten amerikanischen Schlägers, den er einem Angreifer entrissen, bediente, während Soltmann in Erman gelung eines Besseren seinen Hausschlüssel als Schlag- und Stoß waffe benutzte. Die Polizisten drängten herein, die Verbrecher hinaus. Jene versuchten, sich den Weg zum Gashahn zu erkämpfen; denn nur mit Licht konnte man hier bestehen. Aber gerade das wollten die in der Penne Befindlichen verhindern. Der Kampf im Dunklen war ihnen lieber. Es mußten sich unter den Gästen viele „Gesuchten" befinden, denn trotzdem die Polizei von der blanken Waffe Gebrauch machte, kämpfte man auf der anderen Seite mit Stühlen, Stöcken, eisernen Ringen und Stangen, Seideln, Flaschen und Allem, worauf man die Hand konnte, so erbittert und mit solchem Erfolge, daß Jene weichen und sich auf die Verhaftung der Fliehenden beschränken mußten. Zu diesen gehörten auch Riston, Dryden und Duprat, welch letzterer wegen der verwundeten Rechten mit der linken ein Seidel schwang. Riston war mit einem Stuhlbein, der Baron mit einer Champagnerflasche bewaffnet. Für sie gab es kein Bleiben hier, sie mußten fort. Die Polizei konnte jeden Augenblick Verstärkung erhalten, und ehe Das geschah, mußten sie in Sicherheit sein. „Mir nach!" raunte Riston den beiden Freunden zn. „Nur fest geschlossen und auf kein Anrufen gehört. Besser hier sterben als im Zuchthaus." Die Anderen waren der gleichen Meinung. „Einer für Alle und Alle für Einen", sagte Dryden. „Denn wenn einer gefangen wird, sind die Anderen auch ihres Lebens nicht mehr sicher. Man weiß, wie die Herren auf der Polizei zu Geständ nissen überreden." Man war jetzt an eine Fensterhöhle gekommen, welche unbewacht schien und die auf einen dunklen Hof mündete. „Hier hinaus!" flüsterte Riston. Er schwang sich hinaus und die Anderen folgten. „Ein Hof von hohen Mauern umringt", sagte Duprat enttäuscht. „Da sind wir was gebessert." Aber Riston, der die Führung übernommen hatte, war schon über den Hof nach einer dunklen Nische geeilt. Dort lehnte eine hohe Leiter an der Mauer, die er erklomm. „Herauf!" rief er; und die anderen folgten. Alls sie alle oben waren, zogen sie die Leiter nach sich, um sie auf Riston's Anweisung auf der anderen Seite wieder herabzulassen. Es war ein Labyrinth von Höfen, in welches sie hier gelangten. Diese waren aber nur durch niedrige, leicht übersteigliche Mauern ge trennt, und Riston ermittelte immer gleich die hierzu bequemsten Stellen. Er war trotz seines Alters Allen voran und kletterte wie eine Katze. „Eher erreichen wir wohl das Ende aller Tage", spottete Du prat, „als das Ziel dieses Hindernißrennens. Wenn es nun nicht bald kommt — meine Hand schmerzt mich , ich kann nicht mehr klettern." „Nur Geduld", sagte Riston. „Wir sind gleich am Ziel." Und so war es auch. Sie gelangten in einen Hausflur. (Fortsetzung folgt.) Vaterländisches. — Aus Nossen wird berichtet: Während bei der letzten Land tagswahl die Fortschrittspartei auf eine Candidatur im hiesigen länd lichen Wahlkreise, der bekanntlich mehrere Jahrzehnte hindurch durch Rittergutsbesitzer Oehmichen-Choren vertreten war, verzichtet hatte, soll bei der bevorstehenden Neuwahl dem Vernehmen nach der Blech- waarenfabrikant August Walter in Dresden als fortschrittlicher Be werber aufgestellt werden. Als Candidat der konservativen Partei wird der Rtttergutspachter Horst in Rothschönberg genannt. — Dresden, 14. Dezember. Die Zweite Kammer ließ in ihrer heutigen Sitzung auf Antrag der Beschwerde- und Petilionsdeputation eine Petition der verw. Thiele in Niederwartha um Gewährung von 12,000 M. Entschädigung für die ihrem verstorbenen Ehemanne ent zogene Fährgerechtsame, sowie eine Petition der Beamten der Bezirks und Vereinsanstalten zu Hilbersdorf, ihre Pensionsverhältniffe betreffend, auf sich beruhen; doch schloß der Berichterstatter der Deputation, Abg. Dr. Mehnert, seinen mündlichen Bericht über die letzgenannte Petition mit einem Appell an diejenigen Korporationen und Verbände, welche Bezirksanstalten unterhalten, die Lage ihrer Beamten in wohlwollende Berücksichtigung zu ziehen. — Zu ihrem großen Leidwesen hat sich Ihre Majestät die Kö nigin genöthigt gesehen, ihr Erscheinen bei den bevorstehenden Christ- bescheerungen ausnahmslos abzusagen. Das Volk weiß, wie die Be theiligung der Landesmutter an diesen Werken christlicher Liebe und Barmherzigkeit eine Herzenssache der Königin ist; um so schwerer ist ihr der Entschluß gefallen. Es waren nicht weniger als 30 Weih- nachtsbescheerungen, die sich alle der Theilnahme der hohen Frau zu erfreuen hatten, in Dresden und Umgegend, in Vereinen und Anstal ten der verschiedensten socialen Richtungen, aber die alle dem Zwecke dienten, den Armen einen Tag der Freude zu bereiten. Zum Theil wird Ihre König!. Hoh. die Prinzessin Mathilde die König!. Majestät bei den Bescheerungen vertreten. — Zur Beseitigung etwaiger Zweifel ist darauf hinzuweisen, daß daß das Gesetz, die Aufhebung des Chaussee- und Brückengeldes be treffend, vom 24. Juni 1884, sich nur auf fiskalische Hebestellen bezieht und daß daher solche Wege- und Brückengeld-Einnahmen, welche im Besitze von Gemeinden und Privatpersonen sich befinden, auch künftig fortbestehen, bei solchen also auch ferner die tarifmäßigen Sätze zu entrichten sind. — Wie groß die Verantwortung derjenigen Stadtvertreter ist, welche zur Revision der städtischen Kassen und Rechnungen verpflichtet sind, lehrt der Kühnertsche Fall in Kirchberg. Nachdem die Unter suchung klargelegt hat, daß die Stadt durch den ungetreuen Beamten aufs Schmählichste betrogen wurde, sollen die Mitglieder der Kassen deputation auf Schadenersatz verklagt werden. — In einem voigt- ländischen Dorfe, wo der Gemeindevorstand die öffentlichen Kasscn- gelder für sein Geschäft verwendet und aus Furcht vor Entdeckung sich entleibt hat, sollen die zur Revision verpflichtet gewesenen Ge- meinderathsmitglieder das Defizit der Kasse gleichfalls decken. Auf die Entscheidung des Richters in diesen Fällen dürfte man gespannt se''' — Chemnitz Sottrum Bvrmlnag ereignete sich am Mi- sp^ulueryaus am Reichenhainer Weg ein recht bedauerlicher Unglücks fall. Die beiden dort aufgestellten Schildwachpvsten hatten aus Scherz mit einander gefochten. Hierbei ist durch einen unglücklichen Zufall das Gewehr des Einen losgegangen und der Andere in das Herz ge troffen worden, sodaß der Tod alsbald eingetreten ist. — Chemnitz. In das städtische Paßbureau hierselbst kam vor mehrern Monaten ein 76 Jahre altes Mütterchen und verlangte eine Legitimationskarte zur Reise dahin, „wo der Herr Jesus gelebt habe." Man hielt ihr vor, daß sie ja bei ihrem hohen Alter die Strapazen der Reise nicht aushalten werde, sie verharrte aber auf ihrem Ent schlusse. Trotzdem sie nun die gewünschte Reiselegitimation nicht er halten hat, ist sie doch, und zwar in Gemeinschaft mit einigen Ge sinnungsgenossen, nach Palästina gereist. Dieselben bilden eine reli giöse Secte, deren Haupt eine Hebamme aus der weiteren Umgegeud von Chemnitz ist. Während nun die Anführerin infolge ihrer günstigen finanziellen Situation in Palästina recht wohl zu befinden scheint, ist Noth und Elend bei dem Mütterchen eingezogen. Sie möchte gern wieder nach Chemnitz, hat aber kein Geld zur Reise und so ist denn dieser Tage ihre in Chemnitz lebende Tochter in das hiesige Polizei amt gekommen und hat eine Bestätigung verlangt, daß ihre Mutter nach hier heimathszuständig sei. Nach Lage der Sache konnte ihr diese Bestätigung nicht versagt werden und ist nun zu erwarten, daß das alte, reiselustige Mütterchen auf Grund dieser Bestätigung durch das deutsche Consulat nach Chemnitz zurückbefördert wird. Der Stadt wird dann nicht anders übrig bleiben, als dem Consulat die einstwei len verlegten Reisekosten zurückzuerstatten. Vermischtes. * Aus Paris wird gemeldet: Im letzten MonatOkt. wurden hier 670 Weinproben durch das städtische chemische Laboratorium bei verschiedenen Weinhändlern entnommen; darauf wurden 548 Weine schlecht, ungenießbar und gesundheitsschädlich befunden und zwar: 63 Sorten, weil kranke Weine; 117 Sorten, weil über 2 Gramm gegypst; 33, weil entgypst oder gesalzen; 253, weil verschnitten, verdünnt und künstlich gefärbt, 74, weil künstlich verzuckert, 6, weil gefährlich künst lich gefärbt; 2, weil aoiäo sal^mligus enthaltend, zusammen 548 Sor ten. Aus dieser Herstellung geht hervor: 1) daß der schlechte zu den guten Weinen wie ca. 6 : 1 steht, 2) daß es an übergegypsten oder entgypsten Weinen nicht fehlt, 3) daß die unter 2 Gramm gegypsten Weine als gute in den 122 figuriren, während sich doch Autoritäten zu wiederholten Malen ganz energisch darüber ausgesprochen haben, daß jeder gegypste Wein überhaupt ungesund ist. Aber sowohl in Frankreich, wie in Italien, Spanien und demnach auch bei uns in Deutschland sind so viel gegypste Weine (wenn auch unter 2 Gramm) auf Lager, daß man es für besser hält, solches zu übersehen und sie in die Zahl der guten Weine eiutreten zn lassen. Unter solchen Ver hältnissen erscheint daher rechte Vorsicht bei den Einkäufen von Wein geboten und läßt sich nicht genug das hohe Verdienst des Herrn Os wald Nier, des bekannten Verkäufers und Einführers von ausschließ lich nur ganz ungegypsten Weinen bei uns betonen. Es muß zugege- ben werden, daß er nicht grundlos seinen Kampf gegen gefälschte und gegypste Weine angefangen hat und zum Wohle eines Jeden glücklich fortführt.