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RL" Zweites Blatt. "DAS WeM MWE WM, Wfti, Äedeelktz Md die WMilki. AmtsbLcrLL für die Kgl. Amtshauptmannschast zu Weißen, das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Er sch ei nt wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr 101. Freitag, den 18. Dezember 1883. Die Falschmünzer. Kriminal-Roman von Gustav Lössel. (Fortsetzung.) Nachdruck verboten. „Eine rothseidene Maske? Woran erinnert mich denn Das — hm — eine rothseidene — ha! Ich hab's." „Was?" Aber seine Frage blieb unbeantwortet. Soltmann suchte hastig und mit einem Scheine von Angst in seinen verschiedenen Taschen. Plötzlich zuckte es blitzartig auf in seinem umdüsterten Antlitz. „Nun?" drängte Neubert. „Da — da — da! Was ist das?" fragte Soltmann erregt. „Ein Stückchen rother Seide", sagte sein Kollege etwas enttäuscht. „Rother Seide? Ha! Wenn es nur das wäre! Aber ein Stück von jener Maske ist es, welche Sie gesehen — das heißt, kann es sein; und wenn Das stimmt, haben wir einen bedeutenden Schritt vorwärts gethan." Neubert bat ihn um eine Aufklärung, und Soltmann ertheilte sie ihm. Wir wissen, wann und wo er das Stückchen rother Seide ge funden. Es war am Morgen der Visitation des Etwold'schen Hauses; cs lag am Eingänge zum Wintergarten. „Wie konnten Sie nur einen so wichtigen Umstand so ganz igno- riren", sagte Neubert kopfschüttelnd. „Dieses Stückchen Seide ist ein untrüglicher Fingerzeig." „Aber ein Fingerzeig ins Leere," entgegnete Soltmann. „Er ge winnt erst Bedeutung durch ein Rendezvous, das ich heute Abend be lauschte, nud ohne welches Ihre Meldung von dem gefundenen Polinnen- kostüm keineswegs mich so erregt haben würde, wie sie es gethan." Und während sie nun weiter schritten, erzählte Soltmann seinem Freunde, was «... Hinte, de. Ze!twa-.d im Cass belauscht hatte. Neubert lauschte aufmerksam. „Das ist allerdings ein merkwürdiges Zusammentreffen von Um ständen", sagte er. „Ich glaubte, es handelte sich nur um eine Spur. Aber das ist mehr als das, das ist ein bestimmter Hinweis. Da ge nügt mir Ihre Beihülfe allein nicht mehr. Jetzt lasse ich den ganzen „Fuchsbau" aufheben, um in den Besitz des unschätzbaren Bündels zu kommen. Freilich wird das einer großen Polizeimacht bedürfen, denn das Nest ist vollgepfropft mit zweideutigem Gesindel." „Gelegenheit zu einer Razzia", sagte Soltmann. Aber, wo jetzt mitten in der Nacht die Polizeimacht herbekommen?" „Das ist es eben," entgegnete verdrießlich Neubert. „Und wir haben auch keinen Augenblick zu verlieren, wenn wir es nicht erleben wollen, daß Schiffer und Bündel inzwischen verschwinden. Einer aber ist ihm nicht gewachsen, der die ganze Bande hinter sich hat. Wir müssen beide hin und ihn solange aufhalten, bis die Polizei kommt." „Polizei!" lachte Soltmann. „Welche?" „Halt! Wächter da drüben!" rief Neubert einen solchen an. Er eilte sogleich über die Straße und ertheilte dem Anderen einen Auf trag an das nächste Polizeirevier-Büreau. „Kommen Sie, Soltmann!" rief er dann diesem zu. „Jetzt einen Wettlauf auf dem Eise!" Mit hochgeschlagenem Rockkragen, den Kopf eingezogen und die Hände in den Taschen, eilten Beide jetzt schweigend über das glatte Straßenpflaster nach dem Fuchsbau". Es war ein schmutziger, krumwinkliger Stadttheil, in den sie jetzt einlenkten. Wenn hier der Schnee die Straßen nicht mit seinem Licht erhellt hätte, die wenigen, trübe brennenden Lampen hätten es sicher nicht gethan. Endlich hatten sie die Penne des Vater Christoph erreicht. Sie kamen zum Stillstand. „Was das Nest so gefährlich macht", flüsterte Neubert, „das ist sein großer Umfang und der Umstand, daß es mehrere Zugänge hat, die nach verschiedenen Straßen münden. Dazu nun noch die vielen Fenster! Sie können sich denken, wie schwer es ist, hier alle Oeffnun- gen zu besetzen. Aber nun hinein! Lassen Sie mich vorangehen." Beide Beamte erschienen mit möglichst unbefangenen Mienen in der unterirdischen Verbrecherwelt. Neubert lenkte sofort seine Schritte nach dem Zimmer, wo er den Kahnfahrer gelassen. Als er diesen und in der Ecke das Bündel noch sah, athmete er erleichtert auf. Auch Soltmann, der ihm zum Tische des Schiffers folgte, gewann bei dem Anblick des Letzteren feine Fassung und Zuversicht wieder. Einen tödtlichen Schreck aber bekam Duprat, als er die beiden Herren eintreten und so Platz nehmen sah, daß er, ohne von ihnen gesehen zu werden, das Zimmer nicht verlassen konnte. Er trat sei nem Freunde auf den Fuß und befragte ihn mit den Augen, ob er jene Beiden kenne. Der Baron schüttelte verneinend den Kopf. Duprat nahm hierauf sein Notitzbuch hervor, schrieb Etwas hinein, riß das betreffende Blatt heraus und schob es dem Baron über dem Tisch zu. Dieser las zu seiner großen Beunruhigung das Folgende: „Zwei gewiegte Kriminalbeamte. Wie kommen wir ungesehn hinaus?" Dryden griff in seine Westentasche, um ein Bleistiftstückchen daraus hervor zu nehmen und unauffällig eine Antwort darauf zu schreiben. Unglücklicherweise fegte er dabei mit dem Ellenbogen das ihm zur Seite liegende Blatt vom Tisch, und da Duprat sich eben wieder zu Riston gewendet hatte und heimlich nach den Beamten hinüber schielte, bemerkte keiner der Drei das Verschwinden des Blattes, bis ein hinter dem Baron sitzender Kerl es oiesem mit einem verschmitzten Lächeln wieder überreichte. „Haben ein Blatt verloren," sagte er. Und sich noch weiter über den Tisch hinneigend, raunte er dem erschreckten Duprat zu: „Haben Nichts zu fürchten. Nur sitzen bleiben. Die gehen noch ohne Licht hinaus." Dann zog sich der Andere, ein Mensch mit abstoßend häßlichen Zügen, wieder hinter seinen Tisch zurück. Als Duprat dann nach einem entsetzten Blick auf seinen Freund noch einmal zu ihm hinüber blickte, nickte Jener ihm gemeinvertraulich zu, als wenn sie nun Ver bündete wären. Dem Prokurist war die Gegenwart dieses Menschen momentan fast unheimlicher als die Anwesenheit der Kriminalbeamten. Jene kannte er nur vom Sehen, und wenn es ihm und Dryden jetzt gelang, unbemerkt zu entkommen, hatte er von ihnen auch nichts weiter zu fürchten. Dagegen konnte dieser Verbrecher unter Umständen sehr lästig und sogar gefährlich werden, zumal wenn man genöthigt war, sich noch weiter mit ihm einzulassen. Das erwog Duprat bei sich, als er ihn noch weiter heimlich beobachtete. Er bekam förmlich Angst vor diesem Menschen. Seine Augen suchten den Baron; der aber zuckte die Achseln und machte selbst eine sehr verlegene Miene. Er setzte sich halb mit dem Rücken nach den Beamten herum und stützte den Kopf in die Hand, so daß nun auch Duprat selten einen Blick von ihm erhaschte. Soltmann und Neubert hatten den Kahnführer indessen im Küm melblättchen engagirt und ihre Tischgenossen durch des Letzteren Glück in Spannung und Aufregung erhalten, als der Mann mit dem haß- liehen Gestcyi oas Bünde! sich angelte, um zunächst nach Art neugie riger Leute ein Bischen darin zu kramen. „Plunder!" murmelte er und blickte grinsend auf Duprat. Aber wie entsetzte er sich, als er dessen leichenblasses Antlitz sah, aus welchem ein Paar weit ausgerissene Augen gläsern hervorstierten. Duprat hatte ihn das Bündel entfalten sehen und war durch den Anblick der darin enthaltenen Dinge in solchen heftigen Schrecken ver setzt worden. l Aber so rasch wie dieser ihn übermannt hatte, so rasch erholte er sich wieder davon, nur nicht so schnell, als daß der Andere sein Er schrecken nicht bemerkt hätte. Rifton und der Baron, welche mit einan der sprachen, wurden davon Nichts gewahr. Inzwischen hatte Neubert ärgerlich die Karten hingeworfen und der Schiffer, der nur auf diesen Augenblick gewartet hatte, sie gierig aufgegriffen, um seinen Begleiter allein zu rupfen. Er ließ Soltmann ein paar Mal zum Schein gewinnen; dann aber begann der Rückfluß in seine eigene Tasche, und die freudige Aufregung darüber ließ ihn seinen Wasserfund vollständig ignoriren. Der Plan der Beamten schien seinem Gelingen nahe. Neubert hatte schon mehrfach nach dem Bündel geschielt und mit Besorgniß die gefährliche Nähe des häßlichen Menschen wahrgenommen. Dieser wußte aber, was nun folgen würde. Er hatte das Spiel der Beamten schon durchschaut; und als Neubert jetzt wieder hinblickte, lag er schlafend auf den Tisch. Natürlich stellte er sich nur so. Seine Augen waren halb geschlossen und sahen nicht nur Alles, was Neu bert that, sondern auch, welche Wirkung das auf Duprat hervorbrachte. Diefer schien von einer wilden Angst ergriffen, während Neubert's Augen mit der Gier des auf seine Beute stoßenden Habichts an dem Bündel hingen. Näher schlich er heran und näher, von Zeit zu Zeit nach seinen Spielgenossen schielend, ob diese auch wohl sähen, was er that. Er wähnte sich von Allen unbelauscht und machte nun einen di rekten Vorstoß gegen die Ecke. Mit erheucheltem Gleichmnth bückte er sich nach dem Bündel; und da er jetzt Duprat's und seiner Genossen Augen auf sich gerich tet sah, nickte er jenen verschmitzt lächelnd zu, als wenn er sagen wollte, er möchte doch einmal sehen, was in dem Schmutzbündel ei gentlich enthalten sei. Aber kaum hatte er die obere Hülle zurückgeschlagen und einen Griff hinein gethan, so erhielt er von rückwärts einen Stoß, der ihn über die Sachen hinweg in die Ecke schleuderte. Und ehe er sich um wenden oder sonst Jemand den Vorgang begreifen konnte, hatte Je mand das Gas ausgedreht. Alle Anwesenden sprangen zugleich von ihren Sitzen. Das Wort „Verrath" tönte aus vielen Kehlen; ein allgemeiner Tumult entstand. Der Schiffer suchte vorerst sein vor ihm aufgehäuftes Geld zu sichern; >m diu aber hatte auch einer seiner Tischgenossen die Hände darauf gelegt. Jener meinte, es sei sein Mitspieler, der sich in dieser niederträch, tigen Weise wieder in den Besitz des ihm abgenommenen Geldes bringen wolle, und so schlug er den vor ihm stehenden Soltmann ins Gesicht, daß er mit lautem Aufschrei zu Boden stürzte. Als er