Volltext Seite (XML)
Beilage zu Nr. 97 des Wochenblattes für Wilsdruff. Freitag den 4. Dezember 1885. LageSgefchichte. . Am Sonnabend große Schlacht im Reichstag. Der dunkle Erd- M und seine dunkelfarbigen Bewohner hatten den Dunkelmännern des Mrums die langersehnte Gelegenheit verschaft, gegen die deutsche ?ichsregierung einmal wieder Sturm zu laufen. Herr Rintelen und M Dr. Reichensperger, die beiden trefflichen Minirer, glaubten das M erfassen zu können, wenn sie ein groß Wehklagen erheben wür- über die Gefährdung der Religionsfreiheit in den überseeischen Aschen Schutzgebieten. Also interpellirten sie die Regierung 1) ob Messen oder beabsichtigt sei, die Missionsthätigkeit des Ordens der Aellschaft Jesu, der Herren Jesuiten zu deutsch, und der mit dem- Mn verwandten Orden zu verbieten und 2) die Thätigkeit katholi- Missionen überhaupt in den deutschen Schutzgebieten auszuschlie- ? oder zu beschränken? So die Fragestellung. Und die Antwort? ^Reichskanzler ertheilte sie sofort uud zwar in derartig klarer Weise, ^auch dem spitzfindigsten Herrn des Centrums kein Zweifel mehr Mer geblieben sein kann, daß die deutsche Regierung die Herren der Gesellschaft Jesu in den deutschen Schutzgebieten ebensowenig ^Thätigkeit zu sehen wünscht wie innerhalb des deutschen Reiches M- Der Reichskanzler verbat sich die Anspielungen Windthorst's N die schönen Zeiten, welche die Katholiken Preußens unter Friedrich Reim IV. durchlebt hätten, er faßte den Centrumsstier bei den N^ern und hielt den Herren vor, wie patriotisch jenes Blatt sich verhalte, das berufen fei, die Jnterffeen der deutschen Katholiken Zertreten, jenes selbe Blatt, welches wie zum Hohn den Namen ?Mania" führe. Und ich sehe absolut nicht ein, fuhr der Reichs- Abr fort, warum es französische Geistliche, und zwar französche Je- L .v, die überdies noch deutsche Namen tragen, die Namen Weik und sein müssen, denen wir die Erlaubniß ertheilen sollen, in un- überseeischen Gebieten ihre Thätigkeit zu entfalten. Diese beiden von denen der erstere der Sohn eines Rabbiners im Elsaß, ein Convertit, der andere der Verwandter eines bekannten fran- ^chen Offiziers ist, sind es nämlich gewesen, die zuerst die Absicht Kennen gegeben hatten, sich als Missionäre nach Kamerun zu be- und diese beiden Herren, nachgemachte Franzosen und in der Me gefärbte Jesuiten, finden natürlich am Centrum des deutschen ^chstags die eifrigsten Vertheidiger ihrer deutschfeindlichen Bestre ben! Gewiß, man braucht nur etwas genauer hineinzuschauen Achen die Falten des Gewandes unserer Mutter Germania, um M ergötzliche Dinge zu entdecken. Für eine Freiheit aber müssen ? es erklären, daß uns am Hellen lichten Tag und bei gesunden Sin- ? ZUgemuthet wird, die Schlange an unserer Brust zu nähren, die ,5 darauf wartet, uns ihr Gift mitten in's Herz zu spritzen. So M es ein kräftiges deutsches Reich geben wird, so lauge werden die Klinge und in erster Reihe die Jesuiten nicht aufhören, dasselbe zu Avipfen und zu schädigen auf jede nur erdenkliche Weife. Eben ?Mb aber liegt für uns nicht die geringste Veranlassung vor, diesen "kn Brücken zu bauen, wo Gräben gezogen sind, über die sie mit eigener Kraft nicht zu gelangen vermögen. Es ist kein Platz vorhan den im Deutschen Reich für einen mächtigen Kaiser und einen unfehlbaren Papst und deshalb hinaus mit den Jesuiten auch aus unseren Schutz, gebieten drüben über dem Meer. Nach einer vom Kriegsschiff „Nautilus" eingetroffenen Nachricht vom 7. November sind die Marschallinseln, zwischen dem 160. und 172. östlichen Längengrade (von Greenwich) und zwischen dem 5. und 12. nördlichen Breitengrade belegen, unter deutsches Protectorat gestellt. Dieser Schritt der deutschen Reichsregierung steht in enger Verbindung mit dem Vorgehen auf den Karolineninfeln, deren Mehr zahl jedenfalls Colonialgebiet werden dürfte. Für die deutsche Kriegs marine sind nun eine Anzahl von wichtigen Stationen im Stillen Ocean erworben, die der Förderung und Befchützung des deutschen Handels dienen werden. Die Ursache des Todes Königs Alfonsos sind wiederholte Blutvergüsse gewesen, die starke Ohnmächten hervorriefen, aus denen der König zuletzt nicht wieder erwachte. Sein Tod war also ein ganz schmerzloser. Den Nachrichten aus Madrid zufolge herrscht noch im mer Ruhe, doch ist bereits mit der Einstellung der zu den Waffen be rufenen 60,000 Mann begonnen worden. Daß es der Königin-Wittwe und dem neuen liberalen Ministerium Sagasta gelingen wird, dauernd die Ruhe im Lande aufrecht zu erhalten, wird nicht geglaubt, und die Regierung glaubt auch selbst nicht an das Unterbleiben jeder Erhebung, denn sonst hätte sie das Militär nicht vermehrt und für verschiedene große Städte nicht den Belagerungszustand an geordnet —. Die Kö nigin-Wittwe Marie Christine ist am Sonnabend in das Königliche Palais zu Madrid heimgekehrt und wurde von einer großen Menschen menge mit den Rufen: „Es lebe die Königin, es lebe die Prinzessin von Asturien" begrüßt. Die Königin leistete den Eid auf die Ver fassung und ist somit vorläufig Regentin; die Kortes haben aber nach ihrem Zusammentritte die Würde zu bestätigen. Die Leiche des Kö nigs ist Sonntag aus Madrid nach dem Eskurial, wo sich die Königs gruft ^befindet, übergeführt worden, wo wahrscheinlich am Montag schon die Beisetzung erfolgte! Vertreter des deutschen Kaisers bei der Ceremonie ist der Statthalter von Elsaß-Lothringen Fürst Hohenlohe, der von einem Hofmarschall und Kammerjunker begleitet wird. Der am Donnerstag verstorbene Marschall Serrano ist bereits am Son nabend beerdigt. 5000 Personen wohnten dem Leichenbegräbniß bei. — Auch Don Karlos hat sich bereits geäußert, und zwar dem Bericht erstatter des Pariser Journal „Temps" in Venedig gegenüber. Er meinte, die Regentschaft werde die Ruhe in Spanien nicht lange auf recht erhalten können. Er behalte sich vor, zur gelegenen Zeit zu in- terveniren, um die Ordnung wieder herzustellen. Zum Heile Spani- ens werde er selbst einen neuen Bürgerkrieg nicht scheuen! Da ist's schon! Daß Don Karlos nicht still sein würde, ließ sich voraussehen. Vom serbisch-bulgarischen Kriegsschauplatz! Fürst Alexander von Bulgarien hat es doch für rathsam erachtet, den Bogen nicht all zustraff zu spannen und dem einmüthigen Verlangen der Mächte nach