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Du Deinen Halt auf den Kommerzienrath durch etwas Anderes zu befestigen. Warum, zum Beispiel, strebst Du nicht nach der Hand der schönen Klara? Erst Schwiegersohn und dann Associe, das lasse ich gelten, das hat Hand und Fuß. Die andere Geschichte kommt mir vor wie Schatzgräberei. Dabei ist noch Keiner glücklich geworden." Duprat schüttelte mißbilligend den Kopf. „Laß das nur so, wie ich es angeordnet", sagte er. „Es sind drei Punkte, die wir fest halten müssen, um auf legalem Wege zu Be sitz und Ansehen zu gelangen: Beseitigung des Sohnes und Erben, Verheirathung der Tochter an Dich und meine Erhebung zum Associe der Firma Elwold. Dies alles erlangt, werden wir weiter besprechen, was dann zu thun sein wird. Ich denke mir den Ausgleich so, daß Du Deinen Antheil in Baarem nimmst und ich das Geschäft weiter führe. Wir werden dann jeder mehr haben als wir Zeitlebens brau chen werden." „Ich bins zufrieden." „Deine Hand!" „Hier ist sie." Es war ein fester, eiserner Griff, in welchem sich diese beiden Hände zur Ausführung eines abscheulichen Verbrechens umschlossen, und in den Mienen der Darreicher derselben spiegelte sich todesmuthige Entschlossenheit. Diejenigen, gegen deren Lebensglück der hier geschlos sene Bund sich richtete, mochten sich hüten. Hiernach entwickelte Duprat vor seinem Freunde den Plan, wel chen er zur völligen Vernichtung des Etwoldschen Familienglücks er sonnen hatte. Da wir denselben noch in der Ausführung sehen wer den, genügt es hier zu bemerken, daß der Baron denselben vollkommen billigte und versprach, die ihm zufallende Aufgabe nach Kräften zu er füllen. Duprat holte jetzt Cigarren und Wein herbei. „Trinken wir ein Glas auf das Gelingen unseres Planes," sagte er. „Wenn Franz zurückkehrt, müssen wir über ganz gleichgültige Dinge sprechen." „Zuvor noch ein Wort im Vertrauen," wandte Dryden ein. „Was machen wir im Falle des Gelingens unseres Planes mit Riston?" „Dem Verfertiger der Platten — hm." „Riston ist vertrauenswürdig, aber in diesem Falle doch eine un angenehme Beigabe. Er wird seinen Antheil haben wollen." „Den Teufel soll er das! Kennt er mich denn?" „Nein." „Und Du wirst ihm auch von unserem Vorhaben nichts sagen?" „Nicht eine Silbe. Aber der Mensch ist mein böser Dämon. Er heftet sich an meine Fersen und folgt mir, wohin ich gehe, denn er weiß wohl, daß seine Kunst ihm wenig helfen würde, wenn er mich nicht mehr hätte." „Warum? Was ist er für ein Mann?" „Ein verkommenes Genie, das ich auf die Bahn des Verbrechens leitete. Und bedauerlicher Weise theilt er die Leidenschaft aller solcher mit ihrem Schicksal zerfallener Menschen — er trinkt. Seine Erschei nung ist eine solche, daß seine Verausgebung von gefälschten Hundert markscheinen sofort Verdacht erwecken würde. Er kann mich also als Geldwechsler nicht entbehren. Allerdings verlangt er wenig. Wenn er nur einen Rock auf dem Leibe hat und sich betrinken kann." Duprat's Stirne legte sich in Falten und aus seinen Augen blitzte es unheimlich drohend. „Höre Freund, das ist ein gefährlicher Charakter," sagte er, „und es wundert mich, daß Dir seine Trunksucht noch nicht verhängnißvoll geworden ist. Der Wein macht mittheilsam." „Wein?" lachte Dryden. „Wenn er den nur tränke! Dann ließe sich noch mit ihm verhandeln und verkehren. Aber er ist schon längst beim Fusel angekommen." „Noch schlimmer. Und wo hat er sein Quartier?" „Danach habe ich ihn nicht gefragt. Seine Stammkneipe liegt sehr weit weg von hier am Wasser; ein unterirdisches Lokal, welches stark oder wohl nur von Verbrechern jeden Genres frequentirt wird. Da treffe ich ihn jederzeit." „Und dort macht ihr auch Eure Geschäfte ab? Unter den Augen jener Menschen?" „Ich werde mich hüten. Ich hole mir meinen Goldfuchs nur aus seinem Bau — ich glaube, das Nest heißt auch „der Fuchsbau." Wir gehen dann eine Strecke weit weg an eine vereinsamte Landungs hütte des Quais, wo uns Niemand beobachtet. Da giebt mir Riston ein Packet Banknoten und ich ihm, was er verlangt in echter Münze." „Und daraus beschränkt sich Euer ganzer Verkehr?" „Seit Jahren." „Das heißt," bemerkte Duprat spöttisch, „seitdem Dir der Boden in England zu heiß unter den Füßen wurde. Aber Du hast Dich gut und rasch akklimatisirt. Und Dein Ansehen hat nur gewonnen. Als englischer Baron und mit Extirieur eines Fürsten, dazu genügend mit Geldmitteln versehen, kann es Dir an Erfolgen nicht fehlen. Aber jede Herrlichkeit nimmt 'mal ein Ende, und so wird es auch die Deine, wenn Du Dir keine anderen Geldquellen als die der Falschmünzerei erschließest." „Nun, und das werde ich ja nun mit Deiner Hülfe." „Ja, ja, aber Riston —" „Hältst Du das für einen unüberwindlichen Standpunkt?" „Offen gesagt, ja. Bist Du anderer Meinung?" „Ich denke mir die Sache so. Ich mache ihm plausibel, daß wir hier nun auch genug gefälscht haben und ich mich mit dem Gewerbe nicht mehr befassen kann und will. Ich will ihm aber eine namhafte Abfindungssumme zahlen unter der Bedingung, daß unsere Verbindung damit definitiv ihr Ende erreicht und er mich fortan in Ruhe läßt." Duprat schüttelte heftig verneinend den Kopf. „Das verspricht er Dir heut' und morgen — nein! An ein sol ches Arrangement ist nicht zu denken, an Ristons Versprechen nicht zu glauben. Der Münzfälschungsapparat ist das Schreckmittel, welches er gegen Dich in Anwendung bringt, wenn seine Forderungen sich er neuern und vergrößern. Dieser Apparat muß also vernichtet werden, und nur gegen die Auslieferungssumme erhält Riston die Abfindungs summe; außerdem muß er sich verpflichten, im Auslande zu leben. Aber weißt Du, das Beste wird sein, Du machst mich unter irgend einem Namen und Vorwand mit dem Falschmünzer bekannt. Natür- lich wähle ich eine entsprechende Verkleidung, so daß er mich später nicht wieder erkennt. Ich muß einen Menschen sehen, um zu wissen, wie er zu behandeln ist. Dann werde ich Dir gleich sagen, wie wir uns des Burschen am besten und sichersten entledigen. Kennst Du et was von seiner Vergangenheit? Die muß man kennen, um einen Menschen richtig zu beurtheilen." „Soviel er darüber ungefragt zu sagen beliebt, weiß ich. Denn ich habe es nicht der Mühe für werth gehalten, mich um seine Der- gangenheit zu kümmern." „Ein Mangel an Weltklugheit. Du siehst, was ich alles thue, um hinter Etwolds Vergangenheit zu kommen. Und Du kannst über zeugt sein, daß meine Bemühungen nicht vergeblich sein werden. WaS sagt also Riston im Rausch von seiner Vergangenheit?" „Was diese Art von Leuten alle sagen, daß ihm ein solches Schick sal an seiner Wiege nicht gesungen worden." „Redensart! Was weiter?" „Eine unklare Geschichte, von einem alten Bruder, der ihn um sein Erbtheil betrogen und dann unter einem anderen Namen in die Welt gegangen sei, so daß ihm trotz alles Forschens seine Spur voll ständig verloren gegangen." „Und zu welchem Zwecke verfolgte er Jenen?" „Um seine Rache an ihm zu nehmen." „Dachte mir's doch. Und das war Dir uninteressant? Ein Mensch mit einer solchen Vergangenheit ist immer beachtenswerth. Das ist kein gewöhnlicher Mann; und ich fürchte, daß wir mit dem kein leich tes Spiel haben werden. Aber wir werden sehen.ANun^noch eins. Hast Du nie gefürchtet, daß Dich dieser Mann einmal auf der Straße, auf der Promenade oder sonst wo ansprechen und Dich Deinen vor nehmen Begleitern gegenüber in Verlegenheit bringen könne?" Dryden verneinte. „Einmal ist es Abmachung zwischen uns, daß^wir einander öffent lich nicht kennen," sagte er, „und dann hat auchWistouZsein Stadt viertel, das nur von Armen und Verbrechern bewohnt wird, nie ver lassen, und ich habe es nur dann betreten, wenn ich geschäftlich mit ihm zn thun hatte, was immer nur des Nachts und auch nicht oft war." „Ich bin beruhigt", entgegnete Duprat, „und bin entschlossen, die Bekanntschaft dieses seltenen Mannes zu machen. Wann kannst Du eine Zusammenkunft ermöglichen?" „Sobald es Deine Zeit gestattet." „Also heute Nacht noch! Jetzt aber wird es Zeit, daß ich den Riegel von der Hinteren Thüre wegziehe, damit Franz herein kann." „Fürchtest Du keine Indiskretion von ihm?" „Nein. Er meint genug zu wissen, daß er von unseren gelegent lichen Soupers mit allen möglichen Extravaganzen Kenntniß hat. Er hält uns für ein paar lockere Brüder, welche ihre Zeit und ihr Geld mit Liebesabenteuern vergeuden, und sowie man ihm von einem solchen redet, ist er zu allen Tollheiten geneigt." „Mit einem Hinweis darauf wird er unsere Entfernung von hier nnter einer Verkleidung nicht auffällig finden. Der Portier hat kein neugieriges Weib, und so werden wir ungehindert durch den Garten nach der Waldenstraße gelangen. Von dort mußt Du die Führung übernehmen." Als Franz zurückkehrte, fand er die Herren beim Glase Wein über kleine Skandalgeschichten und schöne Frauen plaudernd. Duprat, jetzt wieder Viton, ließ ein reichhaltiges Souper aus einem nahen Speisehaus holen, welchem dann beide Herren wacker zusprachen. Franz machte auf seines Herrn Verlangen ein paar prächtige Bassermannsche Gestalten aus ihnen und freute sich noch seines Werkes; glaubte er sie doch für den losen kleinen Gott geschmückt, welchem zu Liebe er sich selbst manchmal in die Kleider seines Herrn warf und durch das Ersteigen von Mauern und Fenstern sich in Gefahr brachte, vom Hofhund zerrissen oder vom Hausherrn durchgeprügelt zu werden. Tief in ihre Mäntel gehüllt, das Gesicht von einem breitrandigen Schlapphut beschattet, durchschlichen Duprat und der Baron die Stadt nach dem „Fuchsbau" am Wasser, zu welchem bald darauf auch Neu bert und Soltmann ihre Schritte lenken sollten. 7. Kapitel. Vater und Tochter. Als der Kommerzienrath zu Duprat sagte, daß er jetzt zu seiner Tochter gehen müsse, war das nicht blos so gesagt, um wegzukommen. Es drängte ihn wirklich, einen Blick auf das Antlitz seines Kindes zu wersen, um daraus die Gewißheit zu schöpfen, daß es nicht an der Ermordung des Fremden in der Schwedengasse betheiligt gewesen. Klaras Zimmer lagen in der zweiten Etage. Um zu jenen zu gelangen, mußte er den Wintergarten passiren, wo nach Matthies und Duprats vereinten Aussagen die verhängnißvolle Begegnung staltge- funden haben sollte. Unwillkürlich hielt Etwold seinen Schritt hier an. Die ganze Scene, wie sie ihm von dem ehemaligen Kutscher be schrieben worden, trat vor sein geistiges Auge. „Und dennoch," murmelte er, „ist es nicht möglich, und dennoch kann es nicht sein. Jetzt muß ich sie befragen, und selbst auf die Gefahr hin, ihren Zustand zu verschlimmern. Diese Ungewißheit tödtet mich. Sie eine Mörderin, das liebe sanfte Geschöpf — nein, nein, so etwas ist für stärkere Naturen." Er eilte weiter, ohne sich um- oder zurückzublicken. Kaum war er fort, so öffnete sich die Glasthüre noch einmal, der Schleicher Jonas lauschte nach seinen verhallenden Tritten. Seiner eigenen Anordnung gemäß, fand Etwold die Vorzimmer zum Krankenzimmer seiner Tochter verödet. Diese hatte aber auch noch aus eigenem Antriebe das ihr als Wärterin beigegebene Mädchen fortgeschickt. So fand sie ihr Vater allein und in Gedanken. Sie hatte das Bette mit einem an das Fenster gerückten Lehn stuhle vertauscht. Ihr Blick ging nach der ganzen verödeten Schwe dengasse, der Mordstätte, welche sie von hier aus bequem übersah. Sie bemerkte den Eintritt ihres Vaters nicht, der Schall seiner Tritte war durch schwere Teppiche gedämpft. So konnte er sie in der Einsamkeit belauschen, und natürlich errieth er sogleich, womit ihre Gedanken sich beschäftigten, „Klara!" sagte er mit sanftem Vorwurf. Sie schrak zusammen. „Du, Vater?" fragte sie mit einem milden Ausdruck. Sie streckte ihm die welke rechte Hand hin, während sie sich zu einem Lächeln zwang. Sie durfte so unbefangen scheinen, ahnte sie doch nicht, daß er von ihrem Rendezvous Kenntniß habe. Oder hatte sie gar kein solches gehabt? Er fragte es sich, und der Blick aus Klara's schönen Augen schien zu sagen „nein". „Ich muß sehr tadeln, mein Kind," begann er wieder, „daß man Dich an jenem Unglücksmorgen so ganz unbeachtet gelassen, und daß Niemand Dir sagte, welcher schreckliche Anblick Deiner dort unten harrte; noch tadelnswerther aber finde ich es, wenn man Dich aus Unwissenheit noch einmal in die Lage bringt, Deine Erinnerungen auf den Gegenstand zurückzulenken, der Dich schon einmal so tief er schütterte. Gestatte mir, Deinen Stuhl anders herum zu rücken." Er machte eine Bewegung dieser Art, aber Klara wehrte seine Hand ab.