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Von der böhmischen Grenze, 21. November. Das Wildern wird in den Wäldern des böhmischen und bayerischen Waldes so frech betrieben, daß die Wilddiebe mehr Wild erjagen, als die Waldbesitzer. Die Böhmen gehen auf bayerisches und die Bayern auf böhmisches Gebiet und holen sich das edelste Wild als Jagdbeute, ohne Rücksicht auf die Schonzeit. Gestern wurde ein Fleischer, der durch einen Wald bei Zwiesel ging, von 2 Wilderern durch einen Schuß lebensgesährlich verwundet. Leider hat man die Thater nicht ertappt. Die Unsicher heit wird durch die Wilderer so groß, daß selbst friedliche Passanten vor deren Angriffen nicht sicher sind. Wie die Czech en in Böhmen mit den schändlichsten Mitteln die Deutschen zu Hetzen suchen, mag folgender Vorfall in Nemaus zeigen. In später Abendstunde erschien beim Gastwirth M. ein gewisser I. F., welcher seine rechte Hand in einer blutgetränkten Binde trug und aus geregt in Hast erzählte, daß er in der Nähe der Elbe von drei Deut schen angefallen und von einem derselben mit einem Messerstich an der Hand schwer verwundet worden sei. Nur durch die schleunigste Flucht sei er dem sicheren Verderben entgangen. Der Gastwirth ließ sofort den Gemeindevorsteher rufen, welcher nach seiner Ankunft die Wunde besah und in bedenklicher Weise den Kopf schüttelte. Ohne etwas zu sagen, ließ er sofort den Med. Dr. Reinberger in Königin hof holen. Dieser kam, untersuchte die Wunde und seine Aussage be stätigte die Muthmatzungen des Gemeindevorstehers. Die Wunde war mindestens 14 Tage alt, ja sogar in theilweiser Heilung begriffen. Das Blut, mit dem die Hand, die Binde und selbst die Kleider befleckt waren, rührte von einer gelösten Anilinfarbe her. Bei dem nun vor genommenen Verhör gestand der Mann ein, daß an dem Attentat kein Wort wahr sei. Der Abschluß eines Vertrages zwischen Deutschland und Ma rokko ist bereits als bevorstehend gemeldet worden. Nach einer Pari ser Nachricht würde dieser Vertrag dem deutschen Handel sowohl an den Küsten, wie im Innern Marokkos eine Ausnahmestellung sichern und Deutschland das Recht gewähren, in Marokko Handelskomptoire und Konsulate zu errichten, sowie Niederlagen von Kohlen und Pro viant anzulegen. Der weiteren Forderung Deutschlands, für seine Staatsangehörigen auch Konzessionen zur Anlegung von Bergwerken und Eisenbahnen und zur Ausführung anderer öffentlicher Ärbeiten zu erlangen, soll der Sultan noch Widerstand entgegensetzen. In Ma drid überwacht man erklärlicher Weife das Vorgehen Deutschlands sehr eifersüchtig und will der marokkanischen Gesandtschaft, die im Laufe dieser Woche dort eintreffen wird, einen demonstrativ glänzenden Em pfang bereiten. Spanien fordert Abänderung seines im Jahre 1860 mit Marokko abgeschlossenen Handelsvertrages und verlangt, wie dies auch bereits Seitens Englands geschehen ist, Gleichstellung mit Deutsch, land. Sofia, 23. November. Aus Slivnitza vom 22. d. Abends sind folgende Nachrichten eingegangen: Die Höhen und das Defiloe des Dragomanpasses waren heute früh noch durch serbische Truppen besetzt. Eine starke bulgarische Recognoscirungs-Abtheilung stieß Morgens auf den Feind und eröffnete gegen denselben ein sehr heftiges Gewehrfeuer. Die Serben hatten an verschiedenen Punkten ihrer Aufstellung Schan zen aufgeworfen und mit Artillerie besetzt. Der Fürst begab sich per sönlich nach dem Orte des Kampfes uud sandte das Regiment Tir- nowo, welches zum ersten Mal an einem Gefechte theilnahm, sowie andere Truppen, welche in Slivnitza zur Reserve standen, auf das Schlachtfeld. Gegen 2 Uhr war der Kampf am heftigsten. Bei Ein tritt der Dunkelheit machten die Bulgaren einen Bajonnetangriff und Vertrieben die Serben aus ihren Stellungen. Die Bulgaren bivouakir- ten in den eroberten Positionen. Die Anhöhe von Dragoman ist voll ständig von den Serben verlassen, es ist wenig wahrscheinlich, daß die selben wieder die Offensive ergreifen werden. — Wie verlautet, wolle die Pforte einen Waffenstillstand Vorschlägen, wünsche aber sich vorher des Einverständnisses des Fürsten zu vergewissern. Es gilt hier als sehr wahrscheinlich, daß der Fürst einem Waffenstillstand erst zustim men werde, wenn die Serben das bulgarische Gebiet geräumt haben. Die Stellung des Fürsten Alexander, sowohl von einem politischen, wie von einem militärischen Gesichtspunkte aus, wird vom Londoner „Standard" in der folgenden Weise geschildert: „Die Ser ben — kein Engländer bedauert dies cinzusehen — haben einen schreck lichen Jirthum begangen uud fangen an, es zu fühlen. Die Prome nade nach Sofia ist Plötzlich gehemmt worden und verwandelt sich schnell in einen Rückzug, der in schimpflicher Flucht enden dürfte. Dies ist die einzige Frucht der kostspieligen Mobilisirung und des verhängniß vollen Fallens in der Gunst Europas. Fürst Alexander hatte eine Gelegenheit, sich als Held zu erweisen, und ist heute in den bulgari schen Herzen so durch und durch ein Bulgare, als ob er niemals ein Wort deutsch gesprochen hätte. Und dies ist nicht alles. Er hat nicht nur für sich und seine Anhänger volle moralische Verzeihung der tech nischen Verletzung gesichert, deren er sich durch Proklamirung der Uni on in Sofia schuldig machte, sondern er hat es auch verstanden, die Gunst des Sultans wieder zu erlangen. Seine Unterwerfung unter feinen Suzerän war ein rechtzeitiges Stückchen von Politik, was nicht unbelohnt bleiben wird." Verschiedene Pariser Blätter kündigen den unmittelbar bevorstehen, den Eintritt Griechenlands in eine kriegerische Aktion an. Wie aus Paris telegraphisch gemeldet wird, waren am 23. d. daselbst bereits Gerüchte hinsichtlich angeblicher Scharmützel an der griechischen Grenze verbreitet. Thatsache ist jedenfalls, daß die Rüstungen Griechenlands bis in die jüngste Zeit fortgesetzt worden sind, so daß sich schwer ab sehen läßt, wie der in den Finanzen des Königreichs entstandene Aus fall gedeckt werden soll, wenn anders nicht auf einem anderen Gebiete „Kompensationen" gewährt werden. Bereits vor einiger Zeit wurden die Kosten für die griechischen Rüstungen einschließlich der in Eng land bestellten Schiffe von kompetenter Seite auf 80 Millionen Fres, geschätzt, einen Betrag, der um so mehr ins Gewicht fällt, da das Ministerium Delyannis bei der Uebernahme der Regierung betonte, daß die Finanzlage Sparsamkeit dringend geboten erscheinen ließe. Hiernach begreift man die Verlegenheit Griechenlands, aus welcher nun eine militärische Aktion eventuell befreien soll. Die Psorte hat der griechischen Regierung eine Note zugehen las sen, in weicher sie um Aufklärung wegen der Rüstungen ersucht. Madrid, 25. November. Der König ist gestern unter dyphthe- ritisartigen Erscheinungen erkrankt. Die Mitglieder der Königsfamilie, sowie die Minister und Aerzte begaben sich nach dem Prado. Oeffent- liche Fürbitten wurden angeordnet. Nach den letzten Depeschen ist merkliche Besserung eingetreten. Der Postverkehr aller Länder der Erde im abgelaufenen Jahre wird auf 11,640 Millionen Stück aufgegebene Briefsendungen aller Art angenommen. Davon waren 5849 Millionen Briefe, 1077 Mil- lionen Postkarten, 4610 Millionen Zeitungen, Drucksachen und Ge schäftspapiere und 104 Millionen Stück Waarenproben. Zur Vermit telung dieses Verkehrs dienen 154,000 Postanstalten mit einem Perso nale von 489,000 Mann. Von den aufgelieferten Briefen entfallen aus Europa 3894 Millionen, auf Asien 246, auf Afrika 19, auf Ame rika 1597 und auf Australien 93 Millionen Stück. Wird die Bevöl. kerung der Erde zu rund 1400 Millionen angenommen, so entfallen auf jeden Menschen 5 Briefe und Postkarten. In Europa kommen auf jeden Bewohner dagegen durchschnittlich 13,7 Briefe. Die Gesammt- summe aber durch die Post beförderten Geld- und Werthsendungen auf der ganzen Erde wird für ein Jahr auf 48,717 Millionen Mark berechnet. Vaterländisches. — Vor dem Schwurgericht zu Zwickau fand am Donnerstag, den 19. d. Mts., die Hauptverhandlung gegen den vormaligen Stadt- uud Sparkassenkassirer Kühnert aus Kirchberg statt. Derselbe war angeklagt des gewaltsamen Diebstahls eines Paßkartenformulars, der Unterschlagung einer Summe von 38,000 M., zu Anfang September d. I. zum Nachtheil der Stadl- und Sparkasse zu Kirchberg und Unterschlagung einer Geldsumme bis zu 160,000 M. in Verbindung mit fortgesetzter schwerer Urkundenfälschung. Das Defizit ist auf min destens 332,000 M. und 50—60,000 M. Zinsenverlust festgestellt; dieser Summe stehen 160,000 M. Deckuugsmittel gegenüber. Kühnert gestand, die Betrügereien seit 1867 verübt zu haben, gab auch zu, auf seiner Flucht gegen 48,000 M. Gelder mitgeführt zu haben. Herr Ministerial-Revisor Gehre aus Dresden, der als Sachverständiger fungirte, betonte die Gewissenlosigkeit Kühnerts, aber auch die unge nügende Umsicht bei den Revisionen, deren nur zwei in den Jahren 1880 und 1882 stattgefunden. Die Verdeckung des Defizits geschah durch Einstellung größerer Ausgabe- und kleinerer Einnahme-Posten. Kühnert wurde zu 12 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrenrechts verlust verurtheilt. — Nach dem neuesten Prospekt 7. Auflage der Königlichen Al tersrentenbank in Dresden (Altstadt, Landhausstraße 16 im Landhaus) kann man bei derselben folgende Arten von Renten erwerben: 1., so fort beginnende Altersrenten bei Kapitalverzicht (Seite 9 des Pro spektes), 2., aufgeschobene dergleichen (Seite 10), 3., Altersrenten bei Kapital-Vorbehalt S. 12), 4., sofort beginnende Zeitrenten bei Kapi tal-Verzicht (S. 14) und 5., aufgefchobene dergleichen (S. 15). Unter Altersrenten versteht man Leibrenten auf Lebenszeit, unter Zeitrenten solche, die nur 1 oder mehrere Jahre laufen sollen. Bei Kapital- Verzicht erhält man unter sonst gleichen Verhältnissen höhere Renten als bei Kapital-Vorbehalt; denn wenn der Einleger auf Rückgewähr feiner Einlagen verzichtet, dann kann die Bank zu den Renten nicht allein die Zinsen und Zinseszinsen, sondern auch das Kapital verwen den, im andern Falle nur die Zinsen und Zinseszinsen. Die ausge schobenen Altersrenten werden m neuerer Zeit zumeist mit Kapital vorbehalt erworben. Solcher ist bei der Altersrentenbank stets ein dauernder und vollständiger, d. h. die gemachten Einlagen werden auch dann, wenn die Rente schor begonnen hat, beim Tode zurückge zahlt und es wird keine bezogene Rente oder Rentenrate, und über haupt Nichts davon abgezogen. Hierdurch unterscheidet sich die Al tersrentenbank sehr vortheilhaft von Privaten und namentlich auf Ge genseitigkeit der Versicherten beruhende Rentenanstalten, vor denen sie außer der Staatsgarantie auch noch den Vortheil gewährt, daß sie die Renten nach der allgemeinen Sterblichkeit der ganzen Bevölker ung des Landes und nicht nach der jeweiligen der versicherten Per sonen berechnet. Da die letzteren fast immer ein längeres Leben, als die nicht versicherten Personen haben, so müssen folgerichtig die Renten der Privatanstalten in der Regel kleiner als die der Altersrentenbank ausfallen. — Die Einlagebücher und Renlencertifikate der Altersrenten bank werden seit mehreren Jahren und namentlich seit dem vorigen häufig zu Weihnachtsgeschenken benutzt. Der Beschenkte kann ganz nach seinem Belieben darauf Nachzahlungen machen, auch kann der Schenkgeber (Prinzipal, Meister, Arbeits- oder Dienstherr) jederzeit nachzahlen. Eine Einlage braucht 1 M. nicht zu übersteigen, darf aber auch mehrere Tausend Mark auf einmal betragen. — Dresden. Ein trauriges Geschick ereilte den Sohn des vo rigen Kriegsministcrs Artillerie-Major v. Rabenhorst. Genannter, welcher unter Ernennung zum Major nach Metz zum Fußartilleric- Regiment versetzt worden war, litt schon längere Zeit an einem Fuß übel, betreffs dessen er zuletzt in hiesiger Diakoniffen-Anstalt Heilung suchte. Wiederholt vorgenommene Operationen hatten leider nicht den erwünschten Erfolg, und nun mußte in der gedachten Anstalt das leidende Bein unterhalb des Kniees abgenommen werden, wodurch der weiteren Karriere dieses verdienstvollen und allseits beliebten Offiziers ein jähes Ende bereitet ist. Der betrübende Fall erregt auch in nicht- militärischen Kreisen große Antheilnahme. — Am Todtensonntag, Abends gegen 7 Uhr, ging der ca. 20 Jahre alte Handarbeiter Kappler aus Striesen im angetrunkenen Zu stand an einen Neubau auf der Reißigerstraße in Dresden heran und ergriff mit den Worten: „Heute darf einmal nicht getanzt werden, da will ich einmal mit der Platte tanzen" eine der dort ziemlich senk recht aufgestellten Treppenstufen. Unmittelbar darauf fiel dieselbe aus den jungen Mann und zerdrückte ihm den Brustkorb, sodaß alsbald der Tod erfolgte. — Nachdem die städtischen Kollegien in Freiberg unter Geneh migung des Kgl. Ministeriums des Innern beschlossen Haven, den Zins fuß für Einlagen bei der städtischen Sparkasse vom 1. April 1886 an von 3V» auf 3 Procent herabzusetzen, macht dies der Stadtrath mit dem Bemerken bekannt, daß die bis zu dem erwähnten Termine nicht abgehobenen Einlagen von dieser Zeit ab nur noch mit 3 Procent verzinst werden. Diejenigen Sparer, welche ihre Einlagen ganz oder theilweise zurückziehen wollen, werden aufgefordert, dies möglichst bald bei der Sparkasscnverwaltung anzuzeigen. — Ein schwerer Unglücksfall betraf am vergangenen Sonnabend Vormittag die Familie des Bäckermeisters Augustin in Bienenmühle. In einem unbewachten Augenblick ist das vier Jahre alte Töchterchen derselben auf den Deckel des mit kochendem Wasser versehenen Kessels gestiegen und durch Umkippen desselben in die kochende Flüssigkeit hineingefallen. Stark verbrannt erlag das Kind kurz darauf feinen schweren Leiden. — Als vergangene Woche der Lehrling eines Fleischers in Penig in den Schafstall feines Lehrherrn trat, fand er einen Hammel über und über blutend vor. Bei näherer Durchsuchung des Stalles zog er aus einem Versteck drei hoffnungsvolle Bürschchen im Alter von 7—9 Jahren hervor, die dem armen Thiere geständigermaßen diese Wunden mit einem Messer beigebracht hatten. Bei dem Schlachten des Thieres wies dasselbe nicht weniger als 17 Stiche auf, von welchen einer bis in die Nieren gedrungen war. Wie würde Vas gemarterte Thier sich auch noch am Bratspieß freuen, wenn die Uebelthäter Hiebe bekämen, daß auch ihnen das Fell rauchte.