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kühnen Führer nach. Da — plötzlich wankte das Pferd des Haupt manns und stürzte zur Erde. Geschickt hatte sich der Reiter vorher aus dem Sattel geschwungen. Das treue Roß hatte eine Kugel ins rechte Auge bekommen. Das war das Werk eines Moments. Aber die Compagnie hatte, trotzdem er nun unberitten, ihren geliebten Haupt mann nicht aus dem Gesichte verloren. Er überragte die Compagnie wohl um mehr als Kopfeslänge und stürmte an der Spitze der feind lichen Stellung entgegen. Plötzlich, ein betäubender Knall — hochauf flog die Erde in die Luft — alles war in eine mächtige Staubwolke gehüllt — man hörte Stöhnen und Aechzen! Eine feindliche Granate war mitten in die stürmende Kompagnie gefallen und hatte entsetzliche Verheerung bewirkt. Zwei frische Kompagnien folgten, und diesen gelang es, die feindliche Stellung zu nehmen und die tapferen Vertheidiger derselben sawmt und sonders zu Gefangenen zu machen. Allgemeine Trauer bemächtigte sich des Regiments, welchem die drei tapferen Kompagnien angehörten, als sich plötzlich die Nachricht verbreite, daß der Chef der ersten dem Feinde eutgegengesandten Compagnie, Hauptmann von Rhansberg, soeben schwer verwundet nach dem Feldlazereth zurückgetragen worden sei. Beide Beine bis zum Kniegelenk waren ihm von der Granate abgerissen. Noch am selben Tage — dem 1. September, wurden dem Aerm- sten die noch übrig gebliebenen Theile des Unterfußes amputirt. Achtundvierzig Stunden lag der Hauptmann im Wundfieber be wußtlos. Als er sodann erwachte, da wurde ihm erst das Schreck liche klar. Amputirt! Aber ein noch jäherer Schreck ergriff ihn, als er um sich blickte und im Lazarethsaal, in dem er lag, bunt durcheinander französischer und deutscher Uniformen gewahr würde. „Wo bin ich?" fragte er eine freiwillige Krankenpflegerin, wel che an seinem Bette stand. „Im Garnisonspital zu Sedan!" „Um Gottes willen — sprechen Sie — bin ich gefangen?" „Nein —Gott sei's gedankt — nein! Doch regen Sie sich nicht auf. Sie sind nicht gefangen, Sedan und die ganze französische Ar mee gehört uns. Gefangen ist auch der Kaiser Napoleon!" „Allmächtiger, sei gepriesen!" murmelte der Verwundete — „jetzt, jetzt möchte ich sterben; denn das Leben hat ja nun doch keinen Werth mehr für mich." Die Krankenpflegerin, ein Fräulein von L. aus Mannheim — (sie ist es, durch welche wir Kenntniß von dieser Geschichte erhielten) beugte sich nieder zu dem Kranken; denn sie dachte, er hätte leise zu ihr gesprochen. „Haben Sie irgend einen Wunsch, den ich Ihnen erfüllen könnte?" so fragte sie. „Soll ich irgend Jemand Nachricht geben über Sie, brieflich oder mündlich?" Er schien uachzusinnen. „Wenn Sie so gütig wären, sich der Mühe zu unterziehen, an die Familie des Landraths von Hautrapp auf Schloß Hautrapp in der Mark, zwei Zeilen, welche ich Ihnen dictire, zu schreiben, so würden Sie mich verpflichten." Die junge Dame holte die nöthigen Schreibutensilien herbei, in- provisirte ein Schreibpult und erklärte sich zum Schreiben bereit. „Ich bitte wie folgt zu schreiben," ersuchte der Hauptmann und dictirte: „Der Hauptmann von Rhansberg des xten Infanterie-Regiments ist um zwei Fuß kürzer." Die zum Schreiben bereit gehaltene Feder hob sich vom Papier ab und die barmherzige Krankenpflegerin sah ihn forschend an. „In dieser Form soll ich schreiben?" fragte sie. „Wollen Sie diese traurige Mittheilung an ihre Verwandten oder Freunde nicht schonender eingekleidet wissen?" „Nein", erwiderte der Hauptmann entschlossen und mit sicherer Stimme, „so und nicht anders will ich die Mittheilung abgefaßt ha ben — und bitte ich Sie dringend, mir meine Bitte nicht abzuschlagen." Nachdem sich die Dame vergewissert hatte, daß diese Caprice nicht etwa ein Ausfluß der Fieberphantasie sei, schrieb sie die zwei Zeilen nach seinem Wunsche, setzte aber eigenmächtig hinzu, daß nach Aus spruch der Aerzte begründete Aussicht vorhanden sei, ihn am Leben zu erhalten. Der Brief ging nach seiner Bestimmung ab. Vier Wochen waren nach der gräßlichen Verwundung des Herrn von Rhansberg vergangen, und Dank seiner vorzüglichen Constitution befand er sich auf dem Wege der Reconvalescenz. Da trat eines Ta ges der Oberst v. S., Commandant von Sedan, jan das Lager des Genesenden. „Mit der Genehmigung der Aerzte, welche erklärten, daß Ihnen, Herr Hauptmann, Aufregungen freudiger Natur nicht nachtheilig sein können, habe ich Ihnen zwei Dinge zu übergeben, welche bereits einige Wochen für Sie angelangt sind. Erstens das Ihnen von Sr. Maje stät dem König verliehene eiserne Kreuz erster Klasse, und zweitens ein Schreiben, — wenn ich nicht irre" — sagte er lächelnd — „von zarter Frauenhand geschrieben — die Schrift auf der Adresse verwischt durch Thränen, gewiß aus schönen Augen stammend." Gerührt küßte der Hauptmann das Kreuz, dann öffnete er hastig den ihm übergebenen Brief und las, nachdem sich der Oberst entfernt hatte. „Obwohl ich von meinen Eltern, welchen Sie sich anvertraut hat ten, es erfahren, nnd obwohl ich es in Ihren Augen gelesen hatte, wie gut treu und zugethan Sie mir waren, und trotzdem ich in mei nem Innersten rechte und wahre Zuneiguug zu Ihnen hatte, so wies ich doch muthwillig zweimal Ihre Bewerbung ab. Ich dachte, noch zu jung sein, und es war mir schmerzlich, an eine Trennung von meinen Eltern auch nur im entferntesten zu denken. Nachdem ein von Ihnen ausgehendes Schreiben, dessen Inhalt durch die offiziellen Ver lustlisten seine traurige Bestätigung fand — mich an eine einfältige, scherzhafte Bedingung erinnerte, welche ich bei unserm letzten Zusam mensein an Sie gestellt habe, jetzt, nachdem diese Bedingung durch das Kriegsschicksal leider erfüllt ist — jetzt komme ich zu Ihnen, trage ^Jhnen meine Hand an und bitte Sie, dieselbe nicht zu verschmähen. In treuer Freundschaft und Ergebenheit will ich Sie durchs Leben geleiten. Der Allmächtige erhalte Sie mir. Diese Zeilen schreibe ich unter den Küssen meiner geliebten Eltern, welche dem Thun ihres Kindes voll und ganz beipflichten. Gabriele von der Hautrapp." * Sie hatte ihm geschworen, daß es kein Opfer sei, welches sie ihm bringe, sondern daß nur wahre, innige Liebe und Zuneigung sie leite. Und sie hatte ihm auch geschworen, daß sie namenlos und für's ganze Leben unglücklich sich fühlen würde — wenn er ihre Hand ausschlüge. Dann erst willigte er ein — und die Hochzeit fand unter großer Betheiligung, namentlich sämmtlicher Offiziere des Regiments, inclu sive „Der kurzen Zwölfe", auf Schloß Hautrapp statt. Herr von Rhansberg ist als Major in den „wohlverdienten" Ru hestand getreten und lebt froh und glücklich mit seiner großherzigen, schönen Gattin auf seiner Besitzung in M bei Rostock. Lllildwirthschaftliches. Der «Kalkanstrich an den Obstbäumen. Eine lohnende Arbeit zur Verbesserung der Bäume, welche trotz dem, daß durch dieselbe viele heruntergekommene, verwahrloste Bäume zum Frnchttragen und üppigen Gedeihen gebracht werden können, in Deutschland im Allgemeinen nur selten vorgenommen wird, ist der Kalkanstrich. Der Kalkanstrich ist ein Universalmittel für viele dem Obstbaum schädliche Einflüsse, die Arbeit und Kosten sind gering, der Erfolg ist ein unausbleiblicher. Ein regelmäßiger Kalkanstrich würde von oben bis unten mit Schmarotzern, Krebs, Brand und russiger Rinde bedeckte Stämme noch retten oder die Krankheiten noch im Keim erstickt haben. Die Anwendung des Kalkanstrichs erfolgt am zweckmäßigsten nach dem Laubfall und seine Wirkungen sind desto vielseitiger, je vollstän diger er sich über den Baum erstreckt. Zur Bereitung der Kalkmilch verwendet man frischen Kalk, welcher seine alkalischen Eigenschaften noch in vollem Grad besitzt, und vermischt diesen mit Leimwasser aus Gerbereien, so daß er, mittelst eines Maurerpinsels auf die Bäume übertragen, eine dünne haltbare Kruste bildet. Reines Wasser zum Löschen des Kalks zu verwenden, empfiehlt sich nicht, da dieser An strich durch starke Regengüsse abgespült wird und die Bäume oft vor Eintritt des Winters fast keine Spuren von Kalk mehr an sich tragen. Das Leimwasser verhindert durch seine klebrige Eigenschaft diesen Nachtheil vollständig. Ofcnruß und Rindsblut oder ähnliche Sub stanzen der Kalkmilch beizumischen, um den Anstrich eine dunklere, dem Stamm ähnliche Farbe zu verleihen, ist in praktischer Hinsicht nicht zu empfehlen, da der Kalkanstrich durch seine weiße Farbe auch ein wesentliches Schutzmittel gegen den Brand bilden soll. Je reiner das Weiß ist, desto stärker werden die darauf fallenden Sonnenstrahlen re- flektirt und ist der Baum im gefrorenen Zustande jo vor allzu schnel lem Austhauen geschützt. Erwärmt sich die Zellenwand allmählig, so kann der durch das Gefrieren herausgetretene Zellsaft dem Protoplasma wieder zugeführt werden, wird dagegen der gefrorene Zellsaft schnell aufgethaut, so ist die Zellwand nicht im Stande, das plötzlich entsteh ende Wasser aufzunehmen; dasselbe muß sich daher in die Zwischen räume oder Jntercellulargänge vertheilen, wodurch eine völlige Desor ganisation der Zellen oder der Brand hervorgerufen wird. Während der weiße Anstrich, wie schon oben bemerkt, die Sonnenstrahlen reflek- tirt, saugt der etwas schöner aussehende schwarze oder graue die Son nenstrahlen gierig ein, ruft daher eine um so schnellere und nachthei ligere Erwärmung hervor, begünstigt also die Bildung des Brandes. Ebenso hat sich der Kalkanstrich, besonders wenn er im Herbste angewendet wurde, als ein vortreffliches Mittel gegen viele schädliche Insekten bewährt. Viele Insekten haben zu dieser Zeit ihre Eier hin ter den Rindenschuppeu der Stämme abgelegt, und die über diese ge brachte Kalkhülle erstickt und ertödtet Alles: Insekten und Jnsekteneier, Flechten, Moose, Pilze rc. Der Hase, welcher mit Vorliebe die Rinde der jungen Obstbäume oft in bedenklicher Weise durch Anfressen ver letzt, läßt bekalkte Stämme unberührt, besonders wenn dem Kalk ein kleines Quantum Kloake beigemischt war. Düngung -er Obstbäume. Die in früheren Jahren begonnenen Versuche der Düngung der Obstbäume sind an der k. Lehranstalt für Obst- und Weinbau in Geisenheim fortgesetzt worden und haben zu dem Resultate geführt, daß man im Frühjahre und im Sommer am zweckmäßigsten mit ver dünnter Jauche — Wasser und Jauche zu gleichen Theilen, auf je 20 Liter des Gemisches eine Hand voll Holzasche, mehrtägiges Stehenlassen beim öfterm Umrühren — düngt und so auf kräftiges Holzwachsthum und die Ausbildung der Früchte hinwirkt. Für den Herbst, bczw. für die Zeit der Veranlagung von Blüthenknospen für das nächste Jahr, empfiehlt sich hingegen die Verwendung von Kali-Ammoniok- Superphosphat, welches man um die Bäume streut, und leicht unter hackt. Dieses Düngmittel führt den Bäumen die für die genannte Funktion nöthigen Nährstoffe zu, ohne indeß zu neuem Holzwachsthum zu reizen. Die Menge des Düngers richtet sich nach der Größe der Bäume; jüngere Pyramiden bekommen 1 bis 2 Gießkannen voll obiger Mischung oder 1 bis 2 Hande voll des künstlichen Düngers — eine Hand voll wiegt circa 60 Gramm. Aeltere Pyramiden er halten 3 bis 4 Hände voll, Hochstämme 5 bis 8 Hände voll Kunst dünger. Je älter der Vaum, desto weiter vom Stamme weg und desto tiefer muß der Dünger untergebracht werden; im sandigen Bo den wirkt die Düngung viel schneller, als im schweren Boden und ist deshalb unmittelbar vor der Zeit, für welche sie berechnet ist, anzu- bringen. Vermischtes. * Wie viel eine Million ist, hat sich mancher noch nicht recht klar gemacht. Legt man eine Million Fünfmarkscheine aufeinander, so erhält man ein Packet von 250 Fuß, und doch ist dabei angenommen, daß hundert Fünfmarkscheine ein Päckchen von '/«Zoll ergeben; 1000 Stück würden 2'^ Zoll auftragen, 100,000 Stück 25 Fuß, 1,OM,000 Stück 250 Fuß. Aber nehme man an, ein Mensch hätte jede Stunde seines Lebens, von seiner Geburt an, Tag und Nacht gleich durchge rechnet, einen Thaler zu verzehren, so würde dieser Mensch, wenn er das seltene Alter von hundert Jahren erreichte, bei weitem keine Million in dieser langen Zeit verbraucht haben; 1 Stunde 1 Thaler, 1 Tag 24 Thaler, ein Jahr 8760 Thaler, 1M Jahre 876,OM Thaler. * Zuvorkommenheit. Sieht da eines Tages die Frau eines reichen Birminghamer Fabrikanten in dem Schaufenster eines Mode- waarenladens einen prächtigen Shawl, der ihr so gefällt, daß sie sich nach dem Preis erkundigt. „40 Pfd. Sterl. (800 M.)", ist die Ant wort des Ladenbesitzers, der natürlich nicht verfehlt, ihr all die Schön heiten des begehrten Shawls vor Augen zu führen. Der Dame ge- fällt der Shawl denn auch so gut, daß sie sich entschließt, denselben zu kaufen. Da sie aber weiß, daß ihr Mann im Leben keine 40 Pfd. für einen Shawl zahlen würde, so zahlt sie 20 Psd. ä Konto und ersucht den Ladenbesitzer, wenn ihr Mann vorbeikäme, diesem doch den Shawl zu zeigen und ihm nur 20 Pfd. abzufordern, wofür er ihn sicher kaufen würde. Die List gelang, denn wenige Tage später ging der Mann an dem Laden vorbei, wurde von dem aufmerksamen Ei genthümer herbeigerufen, sah den Shawl und kaufte denselben nach einigen Zögern denn auch richtig für 20 Pfd. Seine Frau wurde natürlich sofort davon benachrichtigt. Man denke sich aber ihr Er-