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Deutschland trieben. Es dränge sich mehr und mehr die Ueberzeugung auf, daß die jahrelangen Bemühungen Deutschlands, Frankreich gegen über in die Bahnen der Versöhnung einzulenken, vergebliche Mühe ge wesen! Das ist für Paris und nun für Madrid: Das deutsche Reich habe gar keine Interessen an dem politischen Schicksal Spa niens; nähme die französische Republik Spanien in sich auf — uns könne es gleich sein! Dieser Hieb wird in Madrid sitzen. Bekannt lich träumen viele Franzosen, die jetzt für Spanien vandaliren, von einer Vereinigung der beiden Staaten, von der natürlich die Spanier rein gar nichts wissen wollen, mögen sie noch so sehr für die Fran zosen schwärmen. Ein aus Paris nach England gerichteter Privatbrief lautet: „Sie sollten alle ihre Freunde warnen, jetzt nach Paris zu gehen; ich war gestern Zeuge einer Szene, deren sich sogar eine irische Stadt während der Wahlzeit schämen würde. Eine englische Dame ging mit ihren zwei Töchtern nahe bei dem Arc de Triomphe spazieren. Plötzlich begannen drei oder vier Pariser Bummler laut zu rufen: „Nieder mit den englischen Mördern, nieder mit der Gesandtschaft der Mörder, es lebe Rochefort, Tod den Mördern des Olivier Pain." Die drei Da men wurden nach allen Regeln der Kunst angejohlt und verfolgt. Zwar waren einige anständig aussehende Franzosen zur Stelle, we nigstens solche, die man ihrem Aeußern nach als Genilemen bezeich nen könnte; aber keiner von ihnen rührte auch nur die Hand, um den armen Frauen zu Hülfe zu kommen, welche augenscheinlich zu Tod erschreckt waren. Zwei bewaffnete Polizeisergeauten sahen ebenfalls dem Schauspiel zu, aber thaten nichts, um die Frauen gegen die Un bill zu schützen. Ich that mein möglichstes, ebenso zwei andere Lands leute, die sich zufällig zur Stelle fanden; aber was vermochten wir drei gegen eine große Menge! Nur mit der größten Schwierigkeit und lediglich durch das Versprechen eines reichen Geldgeschenks gelang es uns, einen Fiaker zu gewinnen, der uns aufnahm und fortführte. Drei oder vier Kutscher verweigerten ausdrücklich, uns aufzunehmen. Paris ist jetzt kein Platz für Engländer, und am Allerwenigsten soll ten englische Frauen jetzt dahin kommen. Rochefort geht offenbar da rauf aus, es zu einer neuen Revolution zu bringen, und er hofft noch immer, Präsident der Kommune zu werden. Die bestehenden Behör den und vorzugsweise die Polizei haben Angst vor dem Mob." Im „Wohllöblichen Rath" der Stadt Lyon ist es am Dienstag Abend zu einer regelrechten Rauferei gekommen. Die Väter der Lyo ner Bürgerschaft besprachen die Art und Weise, wie die beschäftigungs losen Arbeiter unterstützt werden könnten. Dabei ging der radikale Herr Bartolino derartig in's Zeug, daß sich der Rathhaussaal iu ein Schlachtfeld verwandelte. Von der Gallerie brüllten 500 Arbeiter da zwischen, der Bürgermeister aber schickte nach der Polizei und ließ die toll gewordenen Stadtväter hinauswerfen. Vor dem Rathhaus aber hatten sich inzwischen etwa 10,000 Arbeiter gesammelt und so ging der Skandal von Neuem los, bis Polizei und Militair auch hier den Kehraus auffpielten. Das sind recht angenehme Zustände! Vaterländisches. Wilsdruff. Nach den uns bis zur Stunde aus dem 17. länd lichen Wahlkreise zugegangenen Berichten fielen auf Herrn vr Cal- berla 877, auf Herrn Fabrikbef. Hahn 999 Stimmen; letzterer Herr wäre sonach gewählt. Ein genaues Verzeichniß der Stimmenabgabe in unserm Amtsbezirke bringen wir in nächster Nr. zum Abdruck. — Der Bahnwärter Müller sah am Dienstag im Dunkeln zwei Männer auf dem Bahndamme der Strecke Aschersleben-Halle entlang kommen und forderte sie pflichtgemäß auf, denselben zu verlassen. Als dann der von Halle kommende, um 11 Uhr Abends in Aschersleben eintreffende Zug angemeldet war und Müller die etwa eine halbe Stunde von letzterer Stadt belegene Wärterbude verließ, um seinen Dienst zu verrichten, wurde er Plötzlich von hinten ergriffen, furchtbar durch Schläge mißhandelt und schließlich kurz vor dem herankommen den Zug auf die Schienen geworfen. Glücklicherweise fiel er aber zur Seite, so daß der vorübersausende Zug ihn nicht beschädigte. Später vermochte er sich in die Wärterbude zu schleppen, woselbst ihn derben Tagesdienst habende Bahnwärter bei seiner Ankunft am anderen Mor gen vorfand. — Stolpen. Weitere Einzelheiten über die Schreckenskata strophe von Wilschdorf lassen erkennen, daß die durch den ver« hängnißvollen Blitzschlag hervorgerufene Situation in jeder Beziehung einen wahrhaft entsetzlichen Charakter trug. Ein Drittheil der im Gotteshaufe Anwesenden war zu Boden gestreckt, die Aufrechtgeblie- denen waren vom heftigen Schrecken erfüllt. Als den Letzteren die Besinnung zurückkehrte, glaubten sie sich auf ein Schlachtfeld verfetzt. In der Sakristei lagen drei Menschen dahingestreckt, der Wirthschafts- besitzer Wilhelm Forker, die Frau Pastor Schulz und der Gutsbe sitzer Adolf Scheumann. Letzterer war todt, durch den Kopf getrof fen; er ist 25 Jahre alt, aus Strehlen bei Dresden gebürtig und Vater von 5 Kindern. Die Frau Pastorin, in der Mitte der dreißi ger Jahre stehend, war nach vorwärts gestürzt und hat sich durch den Fall auf die Steintäfelung den linken Augenknochen angesplittert, der Blitz fuhr ihr an der Brust herunter, und sie liegt schwer krank dar nieder, wenn auch die Lebensgefahr ausgeschlossen erscheint. Forker, an Hals und Brust verletzt, ist ebenfalls noch schwer krank, ebenso der Gutsbesitzer Wilhelm Rußig, 56 Jahre alt, Vater einer zahlreichen Familie, um dessen Leben man noch bangt; derselbe lag auf einer al ten Auszüglerin, namens Wilhelm, welche ebenfalls schwer verletzt ist. Bei Rußig scheint das Nervensystem zerrüttet, er leidet heftige Schmer- »zen, namentlich scheint der Kopf erheblich vom Blitz getroffen worden zu fein. Sofort getödtet wurde, wie bereits erwähnt, noch der Wirth- schaftsbesitzer Roch aus Schmiedefeld, während unter den Schwerver- letzten sich noch der Gemeindediener Karl Roch und der Gutsbesitzer Ernst Göbel befinden. Auch haben gegen 20 Personen leichte Ver letzungen, bestehend aus Brandblasen, astartigen Brandlinien, Steif heit der Glieder u. s. w., davon getragen, wie zugleich durch den Fall auf die steinernen Fußtafeln verschiedene Verletzungen herbeigeführt wurden. Was die Beschädigung in der Kirche betrifft, so erwies die nähere Besichtigung, daß neben zwei großen aufgeriffenen Stellen der Decke des Kirchenschiffes in der Nähe der Orgel die ganze Decke sieb artig durchlöchert ist. Die Frauenstände des Kirchenschiffes sind mit Kalkputz und Rohrstücken vollständig übersäet, der Mechanismus uud die Windlade der Orgel sind zerstört und auf den Gottesacker liegen die Schindeln des Thurmes weit umhergestreut, fo daß also von der genannten Kirchgemeinde neben dem ausgestandenen Schreck und der Verzweiflung über die Folgen der Katastrophe auch noch größere finan zielle Opfer'zu bringen sind. — In einer eigenthümlichen Gefahr befand sich dieser Tage ein Kind in der Beyerstraße in Chemnitz. Dasselbe war, im Kinder wagen sitzend, von seiner Großmutter im Garten kurze Zeit allein ge lassen worden. Da hörte Letztere das Kind plötzlich jämmerlich schreien. Sie trat sofort zu dem Wagen und sah nun, daß auf demseben ein Affe saß, der das Kind wiederholt in die Stirn gebissen hatte, so daß dieselbe stark blutete. Der Affe gehörte einem in der Nähe wohnhaf ten Restaurateur und halte sich in Abwesenheit seines Herrn von sei ner Schnur, an der er angebunden, befreit und dann die Flucht er griffen. — Der vor einigen Tagen verstorbene Leipziger Bürger, der privatisirende Kramer Herr August Adolf Focke, hat in seinem Testa ment verfügt, daß die Stadt Leipzig aus feinem hinterlassenen Ver mögen zu Wohlthätigkeitszwecken die Summe von 500,000 Mark er hält. Außerdem hat der Verstorbene für städtische Institute eine An zahl kleinerer Legale ausgesetzt, so für die Armenanstalt 30,OM Mark, für das Mufeum 20,000 Mark rc. — Eine empörende Rücksichtslosigkeit, die von der freundlichen Aufnahme, welche unsere Soldaten bei den Manöver» allgemein ge funden haben, grell absticht, hat sich ein Quartiergeber in Grimma zu Schulden kommen lassen. Es wird nämlich von dort berichtet: Ein Soldat des 106. Infanterie-Regiments, das am Sonnabend eintraf, sollte bei dem Cigarrenmacher R. in der Unterstadt Quartier beziehen. Als der vom Marsche ermüdete Soldat bescheiden nach einem Platze für fein Gepäck fragte, wurde ihm vom Quartierwirth hierzu der — Abort angewiesen. Da ihm auch bis Abends 7 Uhr ein anderer Platz nicht eingeräumt wurde, erfolgte auf die deshalb bei der Compagnie angebrachte Beschwerde feine Umquartierung in einem Gasthof auf Kosten des freundlichen Qnartierwirthes. — In wie hohem Grade in Sachsen die Industrie jede andere Thätigkeit überwiegt, das geht aus hochinteressanten Daten hervor, welche unter der Ruprik: „Berufs- und Gewerbestatistik" das statistische Jahrbuch für das Königreich Sachsen auf das Jahr 1886 mittheilt. Bei einer am 5. Juni 1882 vorgenommenen Zählung der Einwohner Sachsens nach dem Hauptberufe ergab sich nämlich folgendes Resultat. Es lebten von etwas über 3 Millionen Einwohnern, welche damals gezählt wurden, weit über die Hälfte, nämlich 1,695,895 von der In dustrie, einschließlich des Bergbaues und Bauwesens. Etwa der fünfte Theil, 602,378, nährte sich von Land- und Forstwirthschaft, etwa der achte Theil, 360,675 Personen, von Handel und Verkehr, einschließlich Gast- und Schankwirthschaft, nahezu 150,OM lebten mit ihren Ange hörigen von Besoldungen, die sie aus dem Staats-, Gemeinde- und Kirchendienste bezogen, ca. 50,000 verrichteten häusliche Dienstleistungen und nur etwa 150,000 waren als Studirende, Anstaltsinsassen u. s. w. ohne Beruf. Am zahlreichsten sind in Sachsen nächst den von der Landwirthschaft lebenden Personen (567,482) diejenigen, welche mit ihren Angehörigen von der Weberei leben, zusammen über 215,OM Personen. Von der Strickerei und Wirkerei lebten 96,000 Personen, die Bleicherei, Färberei, Druckerei und Appretur gab mehr als 52,000 Personen Brot, die Häkelei, Stickerei und Spitzenfabrikation 34,OM, die Spinnerei u. s. w. über 40,000, die Posamentenfabrikation ernährte fast 26,OM, die Herstellung von Papier und Pappe 25,OM Personen. Bei der Gewinnung und Ausbreitung von Erzen und dem Hüttenbe trieb fanden nahezu 40,OM Personen ihren Unterhalt, bei der Gewin nung von Stein- und Braunkohlen 64,OM, außerdem über 31,OM in Marmor-, Stein- und Schieferbrüche», sowie bei der Verfertigung grober Marmor-, Stein- und Schieferwaaren. Was das eigentliche Handwerk anlangt, so waren am zahlreichsten die Maurer, demnächst die Schuhmacher, Zimmerleute und Schneider. Es gab über 35,OM Maurer, 32,000 Schuhmacher, fast 20,MO Zimmerer, über 18,OM Schneider nebst 8000 Schneiderinnen u. s. w. Rechnet man deren Angehörige ein, so lebten vom Ertrag des Maurerhandwerks 106,OM Personen, von der Schuhmacherei 80,000 Personen, vom Zimmer handwerk 57,000 Personen, von der Schneiderei 56,OM Personen. Der Maschinenbau gab 49,OM Personen Brot, von der Tischlerei lebten 50,000 Personen (20,000 Tffchler mir ihren Angehörigen.) 37,OM Personen, nämlich 15,000 Bäcker mit ihren Angehörigen, lebten vom Ertrag der Bäckerei, 29,OM Personen, nämlich 22,500 Näher innen mit ihren Angehörigen, von der Näherei. Je 25,OM Personen verschaffte der Betrieb des Fleifchergewerbes und des Schmiedegewerbes Unterhalt. Es gab 10,000 Schmiede und 9000 Fleischer. In der Tabakfabrikatiou fanden 11,500 Arbeiter und Arbeiterinnen mit ihren Angehörigen, zusammen 24,OM Personen ihr Brot, 24,5M, nämlich 11,MO Schlosser sammt Angehörigen, beim Betrieb der Schlosserei. Es gab 8000 Buchdrucker, je 6000 Drechsler und bei der Verfertig ung von musikalischen Instrumenten beschäftigt, 55M Buchbinder, 5000 Stellmacher, je 4500 Brauer, Riemer und Sattler, 4000 Eisengießer, je 3000 Töpfer, Böttcher und Korbmacher, 25M Gerber, 2000 Glaser, Zählt man auch hier deren Angehörige mit, so lebten vom Betriebe der Buchdruckerei ca. 20,OM, von der Drechslerei 17,OM, von der Verfertigung musikalischer Instrumente ebenfalls 17,OM, von der Buch binderei 20,MO, von der Stellmacherei 13,OM, von der Brauerei 11,500, von der Sattlerei 11,OM, von der Eisengießerei ebenfalls 11,000, von der Töpferei 80M, der Böttcherei 8500, der Korbmacherei 75M, der Gerberei 7000, der Glaserei 6000 Personen. Vou Waaren- und Produktenhandel lebten insgesammt 132,6M Personen, hiervon 52,OM direkt Erwerbsthätige. Buch- und Kunsthändler u. s. w. gab es nahezu 4000, Ernährer für zusammen 9394 Personen. Hausirhändler waren über 8000, die zusammen 19,OM Personen ernährten. Im Post- und Telegraphenbetrieb fanden ihr Unterkommen über 4600, im Eisenbahnbetrieb 17,400, dort betrug die Zahl der überhaupt davon sich Nährenden über 15,OM, hier fast 65,OM. Als Gastwirthe, Re staurateure u. s. w. lebten ca. 24,000 Personen mit ihren Angehörigen, zusammen 59,OM. In der Armee waren 26,OM Erwerbsthätige, bezw. fanden 32,000 Personen ihren Unterhalt, im Hof-, Civilstaats- und Gemeindedienst 52,000 (16,644 Erwerbsthätige mit ihren Ange hörigen). Im Kirchendienst waren 18M Personen angestellt, im Schul dienst u. s. w. über 12,000. Dort lebten nahezu 7500, hier 35,OM Personen von solchem Dienst. Musik, Theater u. s. w. gaben 9000 Menschen, hiervon 4000 direkt erwerbsthätig, Brot. Als Schriftsteller, Zeitungsredakteure u. f. w. lebten 818, darunter 36 weibliche, mit ihren Angehörigen, zusammen 1857 Personen.. Wilsdruff. Einen hochfeinen Genuß bietet uns zu diesem Kirchweihfeste Herr Hotelier Gietzelt, indem derselbe für Montag Abend, als dem zweiten Feiertag ein Cvneert von der Kapelle des K. S. Feldartillerie- Regiments No. 12 unter Leitung des Herrn Stabstrompeter Baum arrangirt, welch letzterer mit vielem Erfolge gelegentlich der Görlitzer Ausstellung coucertirte und mit den größten Lorbeeren zurückgekehrt ist. Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am 16. Trinitatis-Sonntage Vormittags predigt Herr k. Ur. Wahl. Zum Kirchweihfest Montag, den 21. September, früh 9 Uhr predigt Derselbe.