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MM-Zweites Blatt. Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Witsdrusi. 45. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienitag« und Freitag«. — Xbonnemenrpreir vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 1v Pfg. — Inserate werden Montag, und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 27 Freitag, den 3. April 1883. Zum Eharfreitag. O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn! O Haupt, zum Spott gebunden mit einer Dornenkron! O Haupt, sonst schön gezieret mit höchster Ehr und Zier, jetzt aber hoch schimpfiret: Gegrüßet seist du mir! Mit diesem Gruße tritt der Christ am Todestage seines Herrn an das Kreuz auf Golgatha. Da sinkt er nieder auf feine Kniee, um schlingt das Kreuz mit feinen Armen und blickt empor. Heiliger Schauer durchbebt seine Seele. Denn das hehre erhabene Haupt des Herrn der himmlischen Heerschaaren, das bisher umstrahlt gewesen vom Glanze göttlicher Macht und Majestät, es ist blutig zerrissen vom stachlichten Dornenkranz, den frevelnde Menschenhand ihm gewunden. Du edleS Angesichte! Davor sonst schrickt und scheut das große Weltgewichte, Wie bist du so bespeit? Wie bist du so erbleichet? Wer hat dein Augenlicht, dem sonst kein Licht nicht gleichet so schändlich zugericht? So seufzt des Christen Seele, von brennendem Schmerze durch glüht, so fragt des Christen Herz, gewaltig erschüttert ob dieser furcht baren Verwandlung, die mit ihm, dem geliebten Heiland, vorgegangen ist. Unfaßlich, unbegreiflich dünkt der menschlichen Vernunft diese Wandlung. Würde der glühende Sonnenball sich wandeln in ein ticfeS Wassermeer, des Menschen Vernunft könnte es eher begreifen, als was mit dem eingebornen Gottessohn vorgegangen am Holze des Fluches. Tiefe Nacht der Unwissenheit umhüllt den menschlichen Geist, wenn er das große Räthsel lösen will, warum Christus am Kreuz gehangen. Was aber der fragenden Vernunft verborgen ist, der seufzenden schmerzbewegten Seele wird's offenbar. Der heilige Geist, der in alle Wahrheit leitet, löst ihr das Räthsel. Für dich! für dich starb Gottes Sohn! So ruft er ihr zu, der himmlische Tröster. Für dich, du arme Seele, daß du reich würdest, für dich, du sündige Seele, daß du gerecht würdest, für dich, du verlorne Seele, daß du selig würdest! Wie eine Lichtfluth aus Himmelshöhe strömt diese Offenbarung des Geistes Gottes in des Christen Seele hinein und überwältigt sinkt sie am Kreuze nieder, bekennend und betend: Nun, was du, Herr, erduldet, ist Alles meine Last, ich hab cs selbst verschuldet, waS du getragen hast. Schau her, hier steh ich Armer, der Zorn verdienet hat, gieb niir, o mein Erbarmcr, den Anblick deiner Gnad! Und siehe, vom Kreuze hernieder senkt sich, wie Thau auS der Morgenröthe, die Gnade dcS SündcrheilandeS in die dürstende Seele, denn sein Mund hat ja verheißen: „eS sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von Dir weichen" und: „wen da dürstet, der komme zu mir und trinke." O welche Erquickung für die verschmachtende Seele, trinken zu dürfen aus dem Brunnen der Gnade Jesu Christi, wie lebt sie da auf, wie richtet sie sich da wieder auf, erfüllt mit göttlicher Kraft, wie jubelt sie da auf mit un- säglichem Entzücken und singt: Ich danke dir von Herzen, o Jesu, liebster Freund, für deine Todesschmerzen, da düs so gu gemeint. Ach gieb, daß ich mich halte zu dir und deiner Treu, und wenn ich nun erkalte, in dir mein Ende sei! Ja, er allein, der Ewigtreue, er allein ist im Stande, uns bei sich zu halten, denn wenn cS auf uns ankäme, wir würden aus eigener Kraft nimmermehr ihm treu bleiben, wir würden gar bald von ihm abfallen und verloren gehen. Er allein kann uns ein seliges Abschei den verleihen, daß wir in ihm ruhen, wenn der Todeskampf gekämpft wird. Darum auch die Seele ihm zuruft mit heißer Inbrunst, mit herzlichem Flehen: Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir, wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann herfür! Wenn mir am allerbängsten wird um mein Herze sein, so reiß mich au« den Aengsten kraft deiner Angst und Pein! Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meinem Tod, und laß mich sehn dein Bilde in deiner Kreuzesnoth! Da will ich nach dir blicken, da will ich glaubensvoll dich sest an mein Herz drücken. Wer so stirbt, der stirbt Wohl. Der erste Rechenschaftsbericht des Dresdner Bezirks- Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke. Der im März 1883 in Cassel begründete Deutsche Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke hat bisher im Königreich Sachsen den breitesten Boden gewonnen. Der ersten am 28 Nov. 1883 im Saale des Dresdner Armenamtes abgehaltenen Versammlung folgte schon am 14. Febr. 1884 eine zahlreich besuchte sächsische Landesver sammlung, welche einen sächsischen Landesverein inS Leben rief und die Bewegung rasch über ganz Sachsen verbreiten half. Der eben er schienene erste Rechenschaftsbericht des Dresdner Bezirksvereins entrollt in 9 Abschnitten ein übersichtliches Bild über den Gang der sächsischen Mäßigkeitsbestrebungen in der Zeit vom 28. Nov. 1883 bis März 1885. Wir erfahren daraus, daß das Jahr 1884 mit einer Zahl von 1319 Mitgliedern abschloß, die sich auf 1091 männliche und 228 weib liche Personen vertheilen. Im März 1885 zählte man schon über 1500 Mitglieder. Der Verein hatte im verflo jenen Jahre 3924 M. 40 Pf. an Jahresbeiträgen und 3147 M. 10 Pf. an Geschenken ein genommen. Der Vorstand des Dresdner Bezirksvereins betrachtet den Kampf gegen die Trunksucht als eine Vorstufe für die sociale Empor hebung aller Volksklassen und hat sich von diesem Standpunkte au- eine Reihe von Aufgaben gestellt, die man als eine Art Programm zur Förderung des Volkswohls bezeichnen kann. Er legt daS Haupt gewicht aus die Gewinnung und Bearbeitung der öffentlichen Meinung und hat daher die Herausgabe von Druckschriften, Zeitungsartikeln und besonderen „Mittheilungen des Bezirksvereins" von Anfang an für eine Hauptaufgabe erachtet. Den „Mittheilungen", wovon im vorigen Jahre 6 und in diesem Jahre schon 2 Nummern erschienen sind, ist jetzt auch eine „Unterhaltungsbeilage" beigegeben, welche viel Anklang zu finden scheint. — Unter den Veröffentlichungen de- Dresd ner Bezirksvereins ist vor Allem die Schrift „Der Kampf gegen den Mißbrauch geistiger Getränke hervorzuheben, welche in erster Auflage in 3000 Exemplaren erschien und jetzt in zweiter Auflage in 5000 Exemplaren gedruckt wird. Sie enthält in neuester Auflage 1. den Bericht über die Dresdner Versammlung gegen den Mißbrauch geistiger Getränke vom 28. Nov. 1883, ferner 2. den Bericht über die sächs. Lanvesversammlung vom 14. Febr. 1884 nebst Anlagen und 3. den neuesten Jahresbericht. Außerdem hat der Bezirksverein eine Predigt des Pastor Peter „Es ist besser in das Klagehaus gehen, denn iu da- Trinkhaus" in 2 Auflagen veröffentlicht, ferner drei populäre Borträge des Pfarrer Rade in Schönbach (Nr. 1: Die Trunksucht ein Unglück für den Trinker; Nr. 2: Die Trunksucht ein Unglück für Familie, Gemeinde und Staat; Nr. 3: Wie ist zu helfen?) und endlich zwei Gutachten von Juristen über die Frage der Entmündigung der Trinker. Die sächsischen Behörden sind dem Dresdner Bezirksverein in über raschender Weise dadurch entgegengekommen, daß sie öffentlich zur För derung der Bestrebungen des Vereins aufgefordert und die Schrift: ,,Der Kampf gegen den Mißbrauch geistiger Getränke im Königreich Sachsen" in Tausenden von Exemplaren verbreitet haben. Es ist da durch die Ministerien des Innern, der Justiz und der Finanzen und durch das evangelische Landesconsistorium geschehen. Letztere- hat an sämmtliche Geistliche des Landes die betreffende Schrift verbreitet und in einer Veeordnung auf die Vorträge des Pfarrer Rade empfehlend hingewiesen. Das sächsische Kultusministerium hat dem Verein eröffnet, daß es die Angelegenheit auf der nächsten Jahreskonferenz derBezirkS- schulinspectoren zur Sprache bringen wolle. — Nicht minder wichtig ist es, daß sich auch Vereine und Privatpersonen, insbesondere sächs. Fabrikanten der Förderung der Mäßigkeitsbestrebungen kräftig anneh men und für ihre Arbeiter förmliche Kaffeestuben errichten. AuS der Dresdner Steingutfabrik von Villeroy u. Boch sind bisher über 200 Arbeiter dem Bezirksverein beigetreten und haben unter sich einen Hel ferdienst eingerichtet, um solche Mitarbeiter, die dem Trunk ergeben oder geneigt sind, retten zu helfen. Von besonderem Interesse sind die Mittheilungen des Rechen schaftsberichts über die Geschäftsstelle des Bezirksvereins und den Agi tationsausschuß, über die Kaffeestuben und über die Anfänge der indi viduellen Trinkerpflegc. Den Anstoß zu letzterer gaben Anzeigen von Nachbarn oder Verwandten von Trinkern, wodurch man zu persönlichen Besuchen der betreffenden Familien veranlaßt wurde. In mehreren Fällen ist schon eine wesentliche Besserung, ja vielleicht die Rettung der ganzen Familie erfolgt. Die Helfer haben durch ernsten Zuspruch, Ueberreichung guter Lectüre, Vermittelung von Arbeit, Zuziehung eine- Arztes oder auch durch Unterbringung des Trinkers in die Dresdner Arbeitsanstalt auf die betreffenden Familien gewirkt. Auch die Frauen der Helfer haben mit Beistand geleistet. Es existiren bereits Acten über 10 in Pflege genommene Trinker, unter denen sich auch 2 Frauen befinden. Die Geschichte jedes einzelnen Falles der Trinkerpflege ist ein Drama für sich. Der Bericht hebt ausdrücklich hervor, daß die überraschend günstige Aufnahme, welche die Bewegung gegen den Mißbrauch geistiger Ge tränke in Sachsen nicht nur bei den Behörden, sondern im Volke selbst gefunden hat, vorzugsweise dem freundlichen Entgegenkommen der sächsischen Presse zu danken sei, welche sich ohne Unterschied der Partei in dieser Angelegenheit wirklich als eine Dienerin und Helferin am Werke der Volkserziehung erwiesen habe und das Bolksgewissen fortgesetzt im Sinne des Vereins bearbeiten helfe. Alle Freunde der