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^2SS3 Beilage zur Deutfchen YMgemernett Zeitttttg Nr. 3«4 (31. OcLober I84L.) Berhanttunge» d-s Sächsifchrn Landtags. Zweite Kammer. (Fortsetzung aus Nr. 3»!!.) Referent Abg. Todt: Es war eigentlich nicht meine Absicht, mich heute weitläufig über den uns vorliegenden Bcrathungsgcgcnstand zu ver breiten, nicht aus dem Grunde, den der Abgeordnete Brockhaus angeführt hat, weil ich befürchtet hätte, cs möchte unsere heutige Bcrathung und Das, was wir über die leipziger Ereignisse sagen, Del ins Feuer gießen. Zeh fürchte das nicht, denn cs ist unsere Versammlung ja eine hochernstc, sic wird nicht das Entgegengesetzte von Dem hervorbringcn, was sic erreichen will, wird Nicht aufrcgcn, während sie besänftigen soll. Der Grund, wes halb ich nicht hierüber sprechen wollte, ist der nämliche, der von dem Ab geordneten Joseph, der nämliche, der von mehren andern Rednern berührt worden ist. Es liegt uns eine Petition oder Beschwerde aus Leipzig vor, welche hoffentlich in der nächsten Zeit zur Bcrathung kommen wird, wo dann Jeder seine Meinung über den Gegenstand noch geltend machen kann. Etwas aber, da so viele Andere sich bereits über die leipziger Ereignisse geäußert haben, muß auch ich hinzufügcn, bemerke aber sogleich, daß ich Sic durch eine lange Rede nicht aufhalten werde- Es geben mir dazu lediglich die Aeußcrungcn einiger der Herrn Staatsministcr Anlaß. Es wurde Sei ten des Herrn Ministers des Innern darauf hingewicscn, wie Petitionen zusammcngebracht zu werden pflegten, namentlich wurde dabei bemerkt, daß man durch Karten dazu cinzuladcn pflege. In Leipzig besonders sei dies geschehen, als die letzte Petition zur Unterzeichnung gelangt sei. Nun, ich meinerseits kann darin weder etwas Ungesetzliches, noch etwas Künstliches finden. Wenn man das Zusammenkommen auf andere Weise verhindert, so trägt man selbst dazu bei, daß dieser Weg cingeschlagen werde. Und ist Grund zu Beschwerden da, so wird Jedermann gern die Beschwerde unter zeichnen und durch seine Unterschrift zu bewirken suchen, daß Abhülfe ge währt wird. Ist aber kein Grund vorhanden, so können zehn Petitionen zur Unterschrift auslicgcn, und man mag noch so oft durch Karten zu deren Unterzeichnung cinladcn, man wird doch keine Unterzeichnung gewinnen. Der Herr Minister hat ferner gesagt, er hoffe und wünsche, daß Leipzig sich wicderfindcn werde, und er sei überzeugt, daß dies geschehen werde, wenn es sich nicht mehr leiten lasse von einzelnen nicht zu seiner Bürgerschaft ge hörigen Männern. Auch ich glaube, daß Leipzig sich wicdcrsindcn, d. h. daß es zur Beruhigung kommen werde (so verstehe ich cs wenigstens). Al lein ich glaube, nur dann wird dies möglich sein, wenn ihm Zugeständnisse gemacht werden. Es ist zwar gestern von einem der Herren Minister be merkt worden, cs sei bedenklich, solche Zugeständnisse zu machen, da die Auf regung eine rein unbegründete oder kranke sein könne. Nun — die Aus- rcgung in Leipzig für unbegründet erklären zu wollen, dies heißt das Auge Grwatt ««schließen, Sind es denn, die Tumultuanten vom 12. August, welche unsere Hülfe in Anspruch nehmend Meinl CS find die angesehensten, die gebildetsten, die besonnensten Bürger der Stadt, welche der leipziger Beschwerde sich «»geschlossen haben. Ich glaube daher auch nicht, daß cs hierbei einer Leitung bedurft habe, hier, wo cs gilt, gegründete Be schwerden auszusprechen. Sollte man aber vielleicht - ich weiß cs nicht — mit jener Acußerung auf Männer hingedeutct haben, die in der Zeit der Unruhe Großes gethan haben, während die Behörden zu schwach waren, so müßte ich erklären, daß ich solche Männer — ich meine hierbei na mentlich einen Einzelnen, sein Name ist in Sachsen nicht unbekannt — selbst dann für wahre Staatsbürger anschen würde, wenn sic keinen Bür- gerschcin gelöst hätten. Es ist ferner gesagt worden, man könne sich jetzt dadurch vorzüglich verdient machen, daß man falsche Gerüchte nicderzudrücken suche- Jeder Wohlgesinnte wird dazu gewiß das Seine beitragen. Aber jetzt liegt uns ja kein Gerücht, sondern ein Bericht vor; aber er gerade weist uns nach, daß man einseitig gehandelt hat. Es wird daher nicht mehr durch Wi derlegung von Gerüchten, sondern durch Widerlegung des Berichts zur Be ruhigung Lcr Gcmüther beigetragen werden können, d. h. durch strenge Justiz gegen Diejenigen, welche unschuldiges Blut vergossen haben. Eine Sühne verlangt Dieses! Ja, ich wiederhole cs nochmals, nur dadurch wird Beru higung eintretcn da, wo sie so höchst nothwendig ist. Schließlich, damit eS nicht ganz unberührt bleibe, sehe ich mich veranlaßt, noch ein Wort zu äußern in Bezug auf die Anschuldigung des Herrn Staatsministers bezüglich einer Rede des Abg. vr. Schaffrath. Ich bin weit entfernt, eine Vertheidi- gung jener Rede übernehmen zu wollen, sie kann in der Form verfehlt geivc- sen sein. Aber nach §. 48. der Landtagsurkunde hat jedes Mitglied der Kam mer nicht blos das Recht, sondern sogar die Pflicht, seine Meinung frei zu äußern. Das hat auch nun der Abg. »r. Schaffrath gethan; hat er es in verfehlter Form gethan, so möge die Rede als in ihrer Form verfehlt geta delt werden; aber darum zu sagen, sie sei rcvolutionair gewesen, dazu lag kein Grund vor. Staatsministcr v. Ze sch au: Ich muß Das allerdings wiederholen, ich halte diese Rede für revolutionair, und wenn die Kammer mit dazu berufen ,st, im Lande Ruhe und Ordnung zu erhalten und herzustellen, so muß ich wiederholen, daß dadurch daß Gcgentheil erreicht wird. Präsident: Was von Seiten des Präsidiums zu sagen war, ist bereits geschehen, ich habe den Abgeordneten bittend erinnert, sich einer größern Mä ßigung zu befleißigen; etwas Aevolutionaircs habe ich in seiner Rede nicht zu erkennen vermocht. Staätsminister v. Ze sch au: Ich kann es nur bedauern, wenn der Herr Präsident hierin etwas Rcvolutionaires nicht gefunden hat, ich bin überzeugt, daß das Ausland mit meiner Ansicht ganz übereinstimmcn wirb. Mir liegt aber vor Allem daran, die Kammer darauf aufmerksam zu machen, zumal ich hinzuzufügcn habe, daß die Augen des Auslandes auf die Haltung der Kam mer gerichtet sind. Präsident: Ich habe allerdings das Recht, unzulässige Aeußcrungcn zu rügen. Ich.glaube aber auch die Pflicht zu haben, ehe ich sie rüge und einen Verweis zur Ordnung aussprcchc, den Sprecher daran zu erinnern ; ich habe diese Pflicht nach der LandtagSordnung und Vcrfaffungsurkunde tz. 83. Ich glaube, hier gethan zu haben, was Mir die Pflicht vorschreibt, und cs thut mir leid, wenn es mir hierbei nicht gelungen ist, den Beifall des Herrn Ministers zu erlangen. Gegenwärtig frage ich: ob die Kammer 8 5 des Ent wurfs genehmigt? Einstimmig Ja. ^Dresden, 25. Oct. In der Sitzung der ll. Kammer am 2V. Oct. ward mit Bcrathung des Adrcßentwurfs fortgefahrcn. Referent Abg. Todt besteigt die Rcdnerbühnc und trägt den sechsten Abschnitt vor, worauf sich Staatsministcr v Wietersheim erhebt: Da cs der Regie rung nie in den Sinn gekommen ist, einem Staatsbürger irgend eine mit den Zusagen der Verfassungsurkunde unvereinbare Beschränkung aufzulegen, so ist gegen den dritten Satz dieses Paragraphen etwas nicht einzuwen- dcn. Was den vierten Und letzten Satz betrifft, so ist zu bemerken, daß nach 8§. 32 und 56 der Vcrfaffungsurkunde neu sich bildenden religiösen Ver einen Abhaltung eines äußern gemeinsamen Gottesdienstes von der Negie rung nur mit Genehmigung der Stände gestattet werden darf, daß daher bezüglich der in hiesigem Land« hervorgetretcncn neuen Glaubensgenosscnschast mittels DecretL das Nöthige an die Stände zu bringen gewesen ist. Wenn ferner in diesem Satze davon die Rede ist, daß man sich über Maßregeln noch bei gegenwärtigem Landtag auf verfassungsmäßigem Wege werde ver einbaren können, welche geeignet seien, die Verfassung der Kirche den Zeit- bedücfnisscn anzupassen, so ist, da nach 8- 57 der Vcrfaffungsurkunde die inncrn kirchlichen Angelegenheiten der besonder» Kirchenvcrfassung einer je den Confcssion Vorbehalten sind, vorauszusetzcn, daß sich dies nur auf die äußere Verfassung der Vertretung der Kirchengesellschaft beziehen könne, welche unmittelbar in die Gesetzgebung cingrcift Abg. Meisel: In dem vorgclcscnen Abschnitt erkenne ich einen der wichtigste», wenn nicht den allerwichtigstcn Punkt des Adrcßentwurfs. Ich thcilc auch die darin ausgesprochene Hoffnung, daß eine Vereinbarung zu Stande kommen werde, um allenthalben den echt religiösen Sinn des säch sischen Volks von neuem zu befestigen. Es wird solches wol auch leicht zu bewirken sein, wenn unnöthigc Beschränkungen wegsallcn und beseitigt wer den. Der erste Schritt hierzu scheint bereits gethan zu sein, das Dccret in Bezug auf die Deutsch-Katholiken gibt uns Zcugniß davon, und es steht zu erwarten, was ich von Herzen wünsche, daß die Verhältnisse dieser un serer geliebten christlichen Mitbrüdcr sich fortwährend günstiger gestalten wer den. Die Kammer wird späterhin geeignete Gelegenheit finde», zu bekun den, daß sie eingedenk sei, wie Sachsen stets auf der Bahn des Lichts und der Wahrheit vörangcgangcn ist. Möge nun aber auch die nächste Zukunft zeigen, daß das fast allgemein laut-ausgesprochene Verlangen nach einer sreiern Kirchenverfassung nicht länger gcmisdcutct wird, mögen die billigen und gerechten Wünsche Berücksichtigung finden, die den geistigen Fortschritten entsprechen, ohne — wenigstens in unserm sächsischen Vaterland — in eine den Umsturz des Bestehenden und das Untergraben der Religion bezweckende Tendenz auszuarten. Möge cs der hohen Staatsregierung gefallet», den Be dürfnissen, den dringenden Anfodcrungen, der fortschreitenden Zeit entspre chende Maßregeln zu treffen, und das hohe Ministerium des CulkW seln Ohr nicht mehr den Vorstellungen der competcntcn Behörden verschließen Möge sich dasselbe bewogen fühlen, die Gelegenheit und den Augenblick wahrzuneh- mcn, um die Erwartung zu bestätigen, welche Sachsens protestantische Be völkerung hegcn darf- Weber sagt: „Das Landesconsistorium hat (resp. auf eigne Veranlassung des königl. Ministeriums des Cultus vom 7. April 1836) im Jahr 1837 und anderweit 1840 auf eine Modifikation des Formulars des Religionseidcs in der Art, wie selbst die b'ornmla ooncvräiao damit völlig übcreinstimmt, angctragen, und die Gründe dafür ausführlich dargcstellt, worauf indessen noch keine definitive Entschließung erfolgt ist." Warum hat das Cultusministerium seit dem Jahr 1840 diese Angelegenheit auf sich be ruhen lassen? Würde es nicht viel dazu beigetragen haben, den bekannten Hrlaß entbehrlich zu machen und die Aufregung der Gemüther zu mildern, wenn cs auf die Exposition des Landesconsistoriums cingegangen wäre und eine zweckmäßige Abänderung des Religionseidcs veranlaßt hätte? Hat nicht das Ministerium den Schein auf sich gezogen, als huldige cs den Grund sätzen einer Partei, die nun einmal allen Fortschritten auf dem Gebiete des religiösen Glaubens abhold ist, dadurch, daß cs duldete, daß fünf hiesige höchst achtbare Geistliche insultwt und verdächtigt wurden, deshalb, weil sie ihre Unterschriften zu der dresdner Petition um freiere Kirchenvcrfassung bei- gcsctzt hatten, daß man sie den Jesuiten verglich, Meineidige nannte und selbst in Vergleich mit dem Bischof Arnoldi stellte? Sie haben die Lheilnahmc an der Petition zu rechtfertigen gesucht, indem sie Kunde gaben von der Art, wie sie das Wort Gottes lehrte». Nun ist wol kauni einem Geistlichen zu verargen, wenn er in jetziger Zeit auf den Buchstaben unserer symbolischen Bücher den Eid nicht ablegt. Denn, meine Herren! sind etwa die Lehren dieser symbolischen Bücher von der Erbsünde, von der leiblichen Gegenwart Christi im Abendmahl, von; Teufel, nach welcher von diesem Pestilenz, Krank heit rc- herrühren, biblische Lehren? Gewiß nicht! Warum sah das Ministe rium so lange zu, daß jene Männer insultirt wurden? Gewöhnlich erhalten die Sensoren sehr schnell Jnstrucrion, daß sie den Anstand und die Mäßi gung nicht überschreiten lassen. Hier ist es nicht geschehen. Glcichwol aber ist, wie bekannt, die Erlaubniß nicht gegeben worden, daß die Ronge'schen Schriften hier in Sachsen gedruckt werden konnten. Ich halte cs von we- scntlichem. Einfluß auf die öffentliche Stimmung, daß wir erfahren, welche Aussichten vorhanden sind in Bezug auf die Wünsche wegen einer freicrn Kirchenvcrfassung, und können auch vor der Hand vielleicht ausführliche Er klärungen darüber nicht gegeben werden, so wird cs doch wol sehr heilsam sein, wenn wenigstens Andeutungen gemacht werden, was das sächsische Volk wol erwarten dars bei einer Angelegenheit, die seine heiligsten Interessen berührt. Staatsministcr v. Wictcrsheim: Die Rede des geehrten Sprechers erheischt eine Erwiderung. Wenn selbiger zuvörderst des Religionseidcs ge dacht hat, so ist das eine kirchliche, innere Angelegenheit, deren nähere Er wägung eben so wenig wie dogmatische Gegenstände hierher gehört. Nur über da« Faktische habe ich Folgendes zu bemerken- Es ist diese Frage zu erst im Cultusministerium im Jahr 1836 angeregt worden. Im Jahr <81 >, im Laufe des Sommers, hat das Landesconsistorium darüber einen umfassen den Bericht erstattet. Man kann nicht sagen, daß das Cultusministerium