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2994 im Wesentlichen eine dessen Ansicht widerstreitende Meinung aufgefaßt hätte, aber nicht einverstanden hat eö sich erklären können mit der vorgeschlagenen neuen Fassung, und zwar aus wichtigen Gründen. Diese wichtigen Beden ken sind der gedachten Behörde ungefähr acht Wochen darauf eröffnet worden, und hierauf ist die Sache nicht beim Cultusministerium, sondern bei gedach ter Behörde bis 18-15 liegen geblieben. Erst vor wenigen Wochen ist der betreffende Bericht an das Cultusministerium gelangt, und wird darüber zu seiner Zeit Entschließung folgen. Ich muß übrigens bemerken, daß diese Er widerung keineswegs etwa gegen die von dem geehrten Redner citirte Stelle in dem gedachten Werke gerichtet ist. Denn hier ist die Sache so gefaßt, daß es lediglich heißt, es sei noch keine hauptsächliche Entschließung erfolgt; das ist richtig, aber es liegt nicht am Cultusministerium. Was den zweiten Gegenstand betrifft, daß man diese Geistlichen gegen Insulten, die ihnen, weil sie die Petition um freie Kirchcnvcrfassung mit unterzeichnet, zugcfügt wor den seien, nicht geschützt habe, so muß ich bemerken, daß mir diese nicht be kannt geworden sind. Den Dresdner Anzeiger lese ich nicht. Erst später habe ich gehört, daß darin gehässige Ausfälle gegen sie enthalten gewesen. Das Cultusministerium hat die Angelegenheiten der Presse nicht wahrzuneh men. Hätte man sich an dasselbe gewendet, so würde bei dem Ministerium das Geeignete beantragt worden sein. Jedenfalls scheint mir es aber, daß, wenn Preßfreiheit gewünscht wird, es nicht angemessen sei, dergleichen Aeu- ßcrungen zu sehr zu verdammen- Wenn endlich eine Andeutung gewünscht worden ist, wie es um die freie Kirchenverfassung stehe, so habe ich mich auf das am ersten Lage nach der Eröffnung des Landtags erschienene Decret vom t5. Sept, zu beziehen, worin darüber ausführliche Mitthcilung geschehen und die Zusage eines solchen Gesetzes erfolgt ist. Abg. v. Thielau: Hier muß ich mir erlauben, eine Anfrage an das Cultusministerium zu richten. Dasselbe hat in diesem Augenblicke die An sicht ausgesprochen, daß es 'die Frage wegen Abänderung des Religionseidcs, welchen die Geistlichen auf die symbolischen Bücher zu leisten haben, dem Consistorium vorgclcgt habe. Nun muß mir ein Zweifel darüber beigchcn, ob die Staatsregierung der Meinung ist, daß sie sich ermächtigt fühle, "kiesen Eid eigenmächtig abzuändern, ohne die Stände zu fragen, und zweitens, ob sie glaube, daß die Regierung und die Stände ermächtigt sind, eine Abändc- rung dieses Eides vorzunchmen. Diese Frage ist von der äußersten Wich tigkeit. Wenn ich der Meinung bin, daß jeder Untcrthan im Lande das Recht habe, seine Religion frei zu bekennen und sich zu einer Confcssion zu wenden, zu welcher er wolle, so bin ich auch entschieden der Meinung, daß cs nicht in der Hand des Ministeriums liegt, eigenmächtig den Eid der Geistlichkeit abzuändern, welchen dieselbe auf die Symbole derjenigen Kirche geleistet hat, welcher ihre Gemeinden angchören. Läßt cs sich nicht verhindern und soll cs nicht verhindert werden, daß Einzelne oder ganze Gemeindcn aus einer Kirche zu der andern übertreten, so kann doch nicht die Regierung durch Abände rung des Eides der Diener der Kirche eine Veränderung der Grundsätze der selben willkürlich herbeiführen, und cs nicht gutgcheißcn werden, die Meinung zu verbreiten, daß der Glaube sich verändern lasse, wie man einen Hastdschuh an- und auszieht. Ich muß bestreiten, daß überhaupt eine politische Ver sammlung berechtigt sei, diesen Religionscid der Geistlichen abzuändcrn, den sie nicht ihr, sondern der Kirche, der Gemeinde geschworen haben. Die Geist lichen, welche den Eid auf die symbolischen Bücher geleistet haben und sich dadurch beschwert fühlen, haben das volle Recht, auszutreten, nicht aber ge gen denselben zu lehren, als mit dem Willen ihrer Gemeindcn. Ich will jetzt nicht weiter dje Kammer mit weiterer Ausführung meiner Ansichten aufhal ten, nur jene Frage wünschte ich vom Ministerium beantwortet zu sehen- Das Ministerium hat noch nichts an die Stände gebracht über Abänderung des Religionseides, noch nichts über die dogmatischen Fragen der Zeit, und ich weiß daher nicht, wo ich im Stande sein dürfte, meine Frage anzuknüpfen. StaatSministcr v. Wietersheim: Ich habe hierauf zu erwidern, daß ich diesen Gegenstand nur formell und historisch erwähnt habe, in das Ma terielle bin ich dabei nicht eingegangen. Dem Cultusministerium steht ver- fassljngSmäßig das Recht nicht zu, den ReligionSeid zu ändern, sondern nach den Bestimmungen der Verfassung könnte dies nur mit Genehmigung der in kvan- xeliois beauftragten Staatsminister geschehen. In gleicher Weise ist die Abände rung im Jahr I8l l erfolgt. Gleichwol verkenne ich nicht, daß noch schwierige Fragen hierbei eintretcn. Diese jetzt zu behandeln ist jedoch hier nicht der Ort. Abg. v. Thielau: Ich muß allerdings nochmals bitten, daß das Mi nisterium die Erklärung gebe, ob und zu welcher Zeit Gelegenheit sein werde, darüber zu sprechen; daß darüber gesprochen werden muß, werden wol Alle fühlen. Denn damit ist nichts gebient, wenn man sagt, es sei hier nicht der Ort. Die Zeit und den Ort wünsche ich zu wissen. StaatSministcr v. Könneritz: Ich muß den geehrten Abgeordneten darauf aufmerksam machen, daß dies rein Sache der inner» Angelegenheiten der Kirche ist, welche nach ausdrücklicher Bestimmung der Verfassungsurkunde nicht vor die Stände gehört. Abg. v. Thielau: Noch eine Bemerkung. Der Herr Justizminister hat erklärt, daß dies eine Angelegenheit der innern Kirche sei und daß sie vor die Stände nicht gehöre. Hiergegen muß ich-mich ausdrücklich verwahren, daß das Ministerium ermächtigt sei, in innern Hirchenangelegenheitcn die ge ringste Abänderung vorzunchmen, und ich protestirc feierlich gegen jede Ab änderung, die das Ministerium in innern kirchlichen Angelegenheiten eigen mächtig vornehmen wird. Abg. Klinger: Dieser Protestatio» trete ich bei. Abg. Hensel II.: Ich beabsichtige nicht, auf «opecialitäten einzugehen, namentlich will ich die noch zu weiterer Beurtheilung vorliegende Bekanntma chung der in Lvangaliai» beauftragten Staatsminister jetzt gar nicht berüh ren, vielmehr ist cö meine Absicht, von einem allgemeinen Gesichtspunkte aus diese Angelegenheit zu betrachten. Jedes Ereigniß, welches aus dem mensch lichen Geiste in die Außenwelt hervortritt und die Sympathie der Zeitgenos sen und des Volks erregt, ist in der Vergangenheit begründet und eine Folge derselben. Denn die gangbaren Vorstellungen, mögen sie nun dem gesunden Menschenverstände oder aus wissenschaftlichen Forschungen entsprungen sein, die Ideen über die Verbesserung der Zustände, mit Einem Worte, der Zeit geist schafft solche Ereignisse. So verhält es sich auch mit den kirchlichen religiösen Bewegungen. Man würde sich und Andere täuschen, wollte man sic zu Bestrebungen einzelner unruhiger, gegen die bestehende Ordnung an- kämpfcnder Köpfe stempeln oder wol gar als Erzeugnisse einer bewegten Presse darsicllen. Nun, daS sind sie nicht! Wir dürfen nur einen Blick in Deutschlands Geschichte auf einen Zeitraum von dreißig Jahren zurückwcrfen, und wir werden genügenden Ausschluß über die Ursachen dieser Erscheinungen finden. Mit einigen Worten dieser Ursachen zu gedenken, dürfte mir um so we niger versagt werden, als dadurch zugleich der Nachweis von der natürlichen Beschaffenheit dieser Erscheinungen und von der Nothwcndigkcit für den Staat, solche mit Sorgfalt zu berücksichtigen, mit geführt wird. Das deut sche Volk befindet sich seit dreißig Jahren in einem Zustande de« Hoffens, deS Wartens und Harrens. Die deutschen Regierungen, und insbesondere auch die sächsische seit Erlassung der uns über Alles thcucrn VerfaffüngSurkunde, haben Manches und Vieles mit aufrichtiger Hingebung für das allgemeine Wohl gethan. Sie wollen das Gute, sie wollen den Fortschritt, und nicht blos in materieller, sondern auch in geistiger Beziehung. Und doch spricht sich überall der Geist der Unzufriedenheit, des MisbehagenS und selbst der Verzagtheit aus- Oder wäre es wirklich nur Chimäre wäre cs nur die Phantasie dcs Dichters', welche uns von einen, Weltschmerz Vorgesprächen? Nein, cs ist kein Phantasie-, kein Truggcbilde, die edelsten Blüten deutschen Geistes und Strebens sind .an dem nördlichen, rauhen Hauche der Politik deutscher Regierungen erstarrt. Sie wollen das Gute, sie wollen den Fort schritt, aber nur innerhalb der und bis zu den von ihnen selbst gezogenen Grenzen und Linien; was darüber hinausgeht, erscheint ihnen gefährlich und verderblich, ja es »ms; so oft den Namen der Unordnung und selbst des Ver brechens tragen. Meinen Sie aber, daß das dem deutschen und dem säch sischen Volke gebotene Maß der Freiheit kein größeres sein könne, weil sonst Staat und Kirche nicht bestehen würden? Glauben Sie, daß der gesunde Menschenverstand und dcs Menschen Geist sich durch Machtgcbote die Grenzen seines Denkens und der offenen Gedankenmitthcilung setzen lasse? Ich muß cS meinerseits verneinen und bestreiken. Unter der äußern Oberfläche der Hand lungen sowol im Staat als in der Kirche liegt ein kräftiges inneres Leben verbor gen, welches, je allgemeiner es wird, sich um so weniger in die Brust der Den kenden und Bekennenden zurückdrängen läßt. Der allgemeine Culturzustand, das erwachte Nationalbcwußtsein, die Philosophie, gegenüber der Mangelhaftig keit der kirchliche» Einrichtungen und dem unablässigen Streben der Volks feinde, das Mittelalter wieder hcrvorzuzaubern, haben die kirchliche religiöse Bewegung hcrvorgerufcn. Seit dem ruhmvollen Befreiungskämpfe des deut schen Volks gegen Napolcon's Zwinghcrrschaft ist das deutsche Selbstbcwußt- scin erwacht; daS allgemeine Streben nach politischer Freiheit wurde zurück- gedrängt; das deutsche Gcmüth wollte volle Befriedigung, man flüchtete zur Philosophie und zur Kirche. Kant's unsterblicher Geist hatte einen noch lange fortwucherndcn Samen ausgestrcut; sein Rationalismus war Gemein gut aller Gebildeten geworden; er hatte eine Philosophie des Protestantismus gegründet, worin man den besten Prüfstein für Recht, Glauben und Wahr heit finden kann. Hegel suchte dem Volksleben die Philosophie wieder zu entführen, aber in feinem hicroglyphischen Gebäude der Dialektik haben sich Unglaube und Mysticismus eingebaut- Mit den Schriften seiner nanchaftc- sten Schüler wird sich der deutsche Volkssinn nie befreunden. Sie haben ge rade den ihrem Zwecke entgegengesetzten Erfolg gehabt; sie haben zu größerer Innigkeit des Glaubens geführt. Die innige Gemeinschaft des Strebens und Lebens, von welcher der Staat nichts wissen wollte, suchte man nun in der Kirche auf; hier fand man aber nur eine ideale, unsichtbare Kirche als ge meinschaftliches Band; aus den steinernen Tempeln wallte die Christenschar ohne wahre Bruderliebe. Daß innere Bedürfniß, die innere Nothwendigkeit ist vorhanden, das Christenthum vollständig in Staat und Leben aufzuneh men, jenen wie dieses von ihm durchdringen zu lassen; das Volk ist willig, unter einander und mit dem Fürsten in Bruderliebe zu leben, aber der Geist, der Glaube und die Liebe muß sich frei entfalten dürfen- Wir wollen, bas Volk will nur Eine Kirche. Ist dieses sowol bei den Protestanten wie bei den Katholiken erwachte Bedürfniß auch noch kein allgemeines, so müssen wir doch Alle nach diesem hohen Ziele trachten, diese Siegespalme möge sich daS deutsche Volk erringen. Doch dieses Ziel ist noch fern; durch Sprünge kön nen wir nicht dazu gelangen; erst muß in den getrennten Kirchen fortgebaut, die allgemein gewonnene bessere Einsicht muß auf die Dogmata angewendet, und diese müssen geläutert werden- In der katholischen Kirche ist von der Geistlichkeit selbst auf verschiedenen Concilicn und Synoden nach Reformen gestrebt worden; diese Reformen sind aber von der unveränderlichen Curie in Rom zurückgewiesen worden. In der protestantischen Kirche ist daß bi schöfliche Recht der Staatsgewalt mit übertragen worden; der Staat fand cs aber nicht für angemessen, der fortgeschrittenen Bildung zeitig unter die Arme zu greifen. Wie konnte es daher anders kommen, als daß von den Gliedern der Kirche, von den Gemeinden selbst die Bestrebungen zum Bes sern begonnen und fortgesetzt wurden? Aus den in der Kürze angegebenen Gründen kann ich es nur natürlich finden, und muß mich wundern, wenn di« Vertreter des Staats und der Kirche in diesen Erscheinungen schlimme Wetter und gefahrdrohende Gewitterwolken erblicken konnten. Diesen Er scheinungen liegt wahre Religiosität, ein tiefes Erkennen der göttlichen Wclt- ordnung und die größte Hochachtung vor den Grundwahrheiten der christli chen Religion zu Grunde. Ich huldige der größten Toleranz, hänge zwar fest an meinem evangelischen Glauben, wünsche aber, daß jeder Andersgläu bige dieselben Rechte, die mir zu Theil geworden sind, ebenfalls genieße. Deshalb muß ich jede Verkümmerung und Hemmung der Besserungsbestre- bungcn, sowol in der katholischen wie in der protestantischen Kirche, einer seits der Deutsch-Katholiken, andererseits der Lichtfreunde, für eine Gefähr dung der Glaubens- und Gewissensfreiheit, für ein Aufhalten des Fortschritts der Menschheit betrachten. Von diesen allgemeinen Gesichtspunkten auS werde ich bei den künftigen spcciellcn Berathungen meine Stimme abgcbcn; für jetzt aber finde ich cs nicht angemessen, bevor nicht die Begutachtung der Deputation vorliegt, in Spccialitätcn einzugehcn. Ich stimme daher auS voller Ueberzeugung mit der von der Deputation diesem Abschnitt gegebenen Fassung überein. Staatsminister v. Falkenstein: Ich wollte mir nur ein paar Worte zu erwidern erlauben gegen Das, was der geehrte Abgeordnete Meisel hin- ichtlich der Censur erwähnte- Er hat im Allgemeinen dem Ministerium einen wppelten Vorwurf gemacht: auf der einen Seite, daß cS zu viel habe pas- ircn lassen, und auf der andern, daß es zu beschränkend verfahren habe.