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be«. Man darf sich, darauf verlassen, wen» Irland einmal sehr unruhig wäre, daß es keine unpraktikable Vermehrung der Nationalschuld erfydern «Ürdc, so viel Abtrünnige zu erkaufen, als wir brauchen würden. Colle- gieu mit mancherlei angenehmen kleinen Vortheilen und Auszeichnungen wurden den Irländern angeboten, und Hr. O'Connell konnte einen solchen Fehlgriff thun, zu glauben, seine Landsleute würden sie hartnäckig von sich weisen? Bei dieser Gelegenheit wenigstens ist die Schwachheit der Race eine Unterstützung für ihre aufgeklärtern und ehrenwerthern Lands leute, die ihnen wirklich Gutes thun wollen. Die irische Bewegung der Gegenwart hat aber noch einige andere charakteristische Züge. Die Oran gemen sind uneins geworden und die Einen wollen den Orangismus le gal oraanisirt, die Ändern, minder gewissenhaft in Beobachtung der Ge setze, ihn erhallen wie er ist, eine dritte Partei endlich glaubt schlau dem Wunsche der ganzen Torypartei zu entsprechen, indem sie Ausgleichunc aller Differenzen und die Bildung einer großen antiministeriellen Parte vorschlägt. Antiministeriell! ei, das ist also anliconservativ; auf was für Bundesgenossen aber können die irischen TorieS hoffen, wenn nicht au die Conservativen! — Die Wählereinzeichnung in Liverpool ist beendigt, und die Anhänger der FrcihandelSgrundsähe haben dabei 1153 Stimmen gewonnen. — Die Wahl des LordmayorS der britischen Hauptstadt ging heute vor sich und Alderman Wood, dem Zweifelhaftes im Betreff eines Actien- unternehmens beigemeffcn wird, ging wieder leer auS; Alderman Johnson ward für nächstes Jahr zum Citykönig ernannt. — O'Connell hat Derrynanc verlassen und ist unter großem Zulaufe des Volks von Limerick nach Cashel in der Grafschaft Tipperary aufge brochen- Drei MileS von Cashel warteten bereits Deputationen zu sei nem Empfang und geleiteten ihn mit dem in langem Zuge mit grünen Reisern und Fahnen voranschreitendcn Volke nach dem Stadthause, wo ihm Adressen überreicht wurden. Frankreich. Paris, so. Sept. Von den noch vorzunehmendcn Ersatzwahlen für die Deputirten- kammer an die Stelle daraus in die Pairskammer versetzter Mitglieder ist die von Saint-Sever bei der ersten Abstimmung für einen conservaliven Bewerber, Hrn. Larnac, entschieden worden; in Colmar und in Douai erlangte keiner die nothwendige Majorität und diese Wahlen mußten wie derholt werden. — Vom Journal desDcbats wird angezeigt, daß Marschall Bug e aud gegen den 15. Dec. nach Afrika zurückzukehren gedenke. — Der Marine Minister hat seine Rundreise von Havre nach Hon- fleur fortgesetzt. Vor seinem Abgänge hatte noch die Handelskammer eine Besprechung wegen dcrHafcnverthcioigung mit ihm und bat dringend, bei der beabsichtigten Deckung der Rhede auch die Anlegung eines Zufluchts- Hafens mit ins Auge zu fassen, womit den Erfodernissen für Krieg und Frieden Genüge geleistet werde. Admiral Mackau, heißt es, habe auch die Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfs an die Kammern ver sprochen. — Hr. Odilon-Barrot ist nach dreitägigem Verweilen in Mar seille am 26. Sept, von da nach Ajaccio abgereist. Der Marschall Se bastian! war am nämlichen Tage, ebenfalls auf einer Reise nach Cor sica, in Marseille angekommen. — Bei der Pariser Sparkasse dauert das Zurücknehmen der ein gelegten Gelder im bisherigen Verhältnisse fort. In der letzten Woche fanden Einzahlungen zum Betrage von 50!,135 Fr. und Rückzahlungen von 1,141,305 Fr. statt. — In Lyon ist eine Bande Falschmünzer mit sammt ihrer Werk stätte entdeckt worden, die bereits 15 Jahre lang ihr gefährliches Hand werk betrieben, ohne nur einmal deßhalb in Verdacht zu gerathen. Ihr Verfahren wird sehr einfach' beschrieben. Sie erhitzten nämlich die Münze, welche sie nachmachen wollten, preßten sie dann zwischen zwei Stücke sehr harten Holzes,bis diese dicht aufeinander zu liegen kamen, wodurch eine Form zum Nachgießen sofort hergestellt war. 7— Aus IVtaheiti wird von der fortdauernden feindlichen Stellung der Königin Poma re gegen die Franzosen geschrieben. Sie verweilt mit ihren Anhängern in Raiatea, wo unter Mitwirkung einiger französischen Ausreißer und englischer Marineoffiziere Befestigungen errichtet worden sind, die schwer mit dem Bayonnet zu nehmen sein würden. Sie hofft in dieser Lage auf englische Hülfe zur Wiedererlangung der verlorenen Souverainetat. In Papeiti leben die Franzosen halb und halb wie im Belagerungszustande. 4s Paris, 30. Sept. Als Collot d'Herbois m den neunziger Jahren auf Befehl des Wohlfahrtsausschusses Notredame besucht und sich mehr als je davon überzeugt hatte, daß der katholische Gottesdienst etwas Abgeschmacktes und die Kathedralen etwas ganz Ueberflüssiges seien, un terstützte er als Berichterstatter den Antrag Chaumctte's, die augenblick liche Niedcrreißung der alten Metropolitankirche von Paris zugleich mit dem Abbruch einer Menge anderer Kirchen zu decretiren und auf den lee ren Bauplätzen „Küchengewächse und nahrhafte Kräuter" anpflanzen zu lassen. Unsere Zeit empfindet mehr Bedauern als Unwillen über die da maligen Verrücktheiten, die, Gott Lob! nicht lange anhielten; denn jene übergeschnappten Conventsmänner hätten nur zehn Jahre in Frankreich herrschen sollen, und das urbanste Volk wäre das roheste, das liebrns- würdmstc das widerwärtigste geworden, ein Volk ohne Sinn für Kunst und Poesie, aber voll Begeisterung für Kraut und Rüben, das die Dich ter, Philosophen und Künstler aus dem Lande gejagt, aber den Gemüse- und Kohlbauern Statuen gesetzt, das Denken als etwas Gemeines ver ¬ abscheut, aber großherzig gegessen md -l««ich »erd«ut hätte. Doch die wahnwitzigen Frevel, welch« die revvlytwnairen Bilderstürmer an heiligen Gebäuden begingen, sind eben so wenig als die verheerenden Cinwirüno gen der brutalen Zeit ter Hauptkummer unserer mit d« Wiedechrrstel- lung so vieler ehrwürdigen Baudenkmale beschäftigten Gegenwart, und waren auch nickst dir Hauptursachen des Verderbens. Jahrhundert« und Revolutionen zerstören nur, setze« aber nicht« hinzu. BeklagenSwerther ist der unwissende, auSbessevnde Eifer, und vollends zum Verzweifeln der einseitige Geschmack, der den alten Baudenkmälern allerlei Modernes an hängt und ihren Grundcharakter aufhebt. Dieses Schicksal hatte beson ders Notredame, die angeblich bereits um das Jahr 1163 von dem Bi schof Mauritius Sully gegründet, aber erst 200 Jahre später, gegen 1360, beendigt wurde, und zwar nicht wie der kölner Dom oder der strasburger Münster die Ehrfurcht vollendeter Schönheit oder großartiger Anmüth einflößt, jedoch immer ein durch Masse und Verhältnisse imposantes Bau werk deS gothischen Kathedralstyls ist. Das 15., 16. und 17. Jahrhun dert ließen die Kirche unangetastet; aber dem „großen Jahrhundert" «r- schien alles Nichtgriechische und Äichtrömische als etwa- Barbarisches und Verabscheuungswürdiges, und von nun an beginnen die Modcrniss- rungen und Verstümmelungen. Die Architekten Mansard und de Cotte thatcn den ersten Eingriff in die ursprüngliche Einheit des Baues, indem sie die Arcadcn des Chorschlusseö mit einer rothgesprenkelten Marmor- beklcidung überzogen, die Spitzbogen in Rundbogen, die Bündelpfeiler in Pilaster verwandelten und den alten Chorschmuck des 14. Jahrhunderts durch ein schwerfälliges, mit dem Style des übrigen Gebäudes in grellem Widerspruche stehendes Prunkensemble von Gemälden, Marmoraruppen und Schnihwerken ersetzten. Später ließ der Cardinal de Noailles auf der Mittagsseite einen Theil des Giebels und die Spitzthürme in allen Profilen und Ornamenten abandcrn und inwendig den alten Lettner vor dem Chor abbrechen, wie auch alle Wände zum ersten Male weiß an- streichcn. In den Jahren 1741 und 1753 zerschlug man auf Befehl des Capitels von Notredame die kostbaren gemalten Glasfenster deS Schiffs und Chors und setzte dafür gewöhnliches Fensterglas ein, um die Kirche Heller zu machen. Diese Handlung des Vandalismus wurde damals rn mehr als einer Kathedrale Frankreichs begangen. Die Domherren fanden ihre Kirchen zu düster; in den Domen von Chartres, RheimS, Paris und anderwärts verdrängten weiße Scheiben die bunten Fenster voll der herr lichsten Glasmalerei, und der kreideweiße Anstrich der Wände benahm den gothischen Kirchen vollends ihr geheimnißvyllcS Dunkel; von allen Seiten strömte das Licht zu, im Schiff, im Chor, in den Nebengängen; wäre es auch nur so in die Köpfe geströmt, aber da blieb cS nach wie vor finster. In Hohem Grade versündigte sich gegen Notredame und den guten Geschmack der berühmte Baumeister des Pantheon, Soufflot, durch den plumpen Anbau der großen Sacristei auf der Südseite im Jahre 1756 und durch den schmählichen Umbau der Mittelthür des Hauptpor tals im Jahre 1771, wobei der, mittlere Thürständer und das in dem Boaenfeld über der Thür befindliche Relief deS Jüngsten Gerüchts theil weise vernichtet wurden. Eken so großen Schaden stiftete der Architekt Parvis de la Renardiere, der alle vorspringenden Theile, Dachrinnen, Ge simse, selbst Säulen, Capitäl«, kurz was nur eine irgend mühsame Re paratur erfoderte^ an den Thürmen und Strebepfeilern, wie auch das reiche Laubwerk um die große Rose der Hauptfayqde absägte, die Klee blattbogen der Galerie zwischen den beiden Thürmen mit Wechten Stei nen zustopftc und dadurch jenen zierlichen Säulengang verdarb, der we gen seiner Aehnlichkeit mit der Colonnade deS Löwenhofes der Alhambra den Beinamen dieses maurischen Palastes hat. So übel hatte die Unwissenheit gräulicher Maurer das Gebäude zu gerichtet, als die SchrcckcnSzeit ausbrach und das Decret des Convents, jedes Andenken an die „infame Zeit des alten Königs- und Pfaffen thums" zu vertilgen, den Barbaren in Frankreich einen willkommenen Vor wand zu ihren Verheerungen gab. Die Fayade von Notredame verlor damals die schönen Kolossalfigurcn auf den Giebelccken und die 28 Kö- nigsftatuen über den Thurcn, welche die Vandalen von ihren Fußgestellen und aus ihren Bilderblenden mit Stricken herabtisscn und auf dem Platze durch einander warfen, sowie auch einen großen Theil der Patriarchen, Pro pheten, Apostel und Märtyrer, die um die Portale herum Wache hielten und die geköpft oder nicdergeworsen wurden. Im Innern zertrümmerte man die marmorenen Denkmäler, erbrach die Gräber, schlug die Särge in Stücke und streute ihren Staub in alle Winde. Der Kirchenschah kam in den Schmelztieacl ober unter den Auction.shammer. Auch die schöne Thurmspitze des 13. Jahrhunderts auf der Mitte des Kreuzes fand kein Erbarmen: sie wurde abgebrochen, ihr Bleidach zu Kugeln und ihre Glocken zu Sous eingcschmolzcn. Entblößt von Allem, was Religion und Kunst hier während sechs Jahrhunderten vereinigt hatten, wurde die alte christ liche Kirche ein Tempel der Vernunft, die Hinfort allein angebetet werden sollte. Die nachfolgenden Zeiten des Kaiserreichs und der Restauration wechselten mit Abänderungen und Umgestaltungen deS Baues. Die Consularreaicrung ließ im Jahr 1803 einen Hochaltar von wei ßem Marmor mit Goldbronzen nach den Zeichnungen des Stadtbaumei- stcrs Legrand errichten, und die Gruppe der Kreuzabnahme von Nicolas Coustou wieder an ihrem Platze hinter dem Altar aufstellen. Im Jahr I80S erhielt der Chor vorn einen marmorenen Lettner mit goldbronzcnen Bienen, und ringsum ein prachtvolles Eisengitter mit Kupferbeschlagen, nach den Zeichnungen der Hofarchitekten Fontaine und Perrier, welche auch die acht großen Gemälde von Jouvenet, Coypel und andern französischen Meistern zu beiden Seiten des Chors wieder aufhängen ließen. In den Jahren 1812 und 1813 wurden auf der Nordscite die Wände mit neuen Steinen ausgcflickt, die baufälligen Giebel in seltsame Frontons umge- wandclt, das alte Obergesimse neu zugestuht und die gothischen Dach-