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Nr 254 11. September 1845 Donnerstag Deutschland. s-Aus Norddeutschland. Di« englischen Rüstungen. ^Han nover. Hr- Appert. Stiftung für die Juden. Der Herzog von Cam bridge. Der Großherzog von Oldenburg, x Stuttgart. Die Opposition. Der Finanzminister. Der Deutsch-KatholiciSmuS.— Vorms- Die Deutsch- Katholiken. — Graunschweig. Der Krawall. Hamburg. Regatta. Preußen. (-«-) Berlin. Der Sundzoll. * Königsberg. Gesellschaften. "Aus Schlesien. Die schlesische Landschaft. Köln. Die Königin Victoria. KlPanien. Die Königin- Die Cortes. Die Ruhe in Madrid. Die Minister. Die Portoerhöhung. Die Rekrutirung. Ametller. Großbritannien. Amerika. Der Herzog v. Wellington. O'Connell. Ei senbahnclub. Orgel. Frost. Krankreich. Die polytechnische Schule. Das Uebungsgeschwader. Otaheiti. Die Königin von England. Der marokkanische Prinz. Marschall Bugeaud. Algerien. Die Corvette Amazone. 4s Paris. Journalwesen. Schweiz. Die Pestalozzistiftung. Der berner Volksverein. Dänemark. Die Lributfrage. Türkei. * Konstantinopel- Der Lscherkessenkrieg. Der Aufstand in Wan- Trockenheit. Heiligenleichnam. Hlersonalnachrtchten. Kkistsienschaft und ^unft. * * Leipzig. Theater. Schillerfest. — Jule« Janin. — Theologische Lehrstellen in Irland. — Das Musee algerien. Handel und Industrie. * Hamburg. Die Hammonia. — Berlin. Ankündigungen. Deutsch!««-. s Aus Nor-deutschlan-, 7. Sept. Wenn man auch glauben sollte, daß ein dreißigjähriger Friede die Welt in den Schlaf der Sicher heit eingewiegt hätte, so ist dies doch nicht der Fall. Wo irgend Rü- stungen stattfinden, steigt auch alsbald die Besorgniß vor einem Krieg auf. Mehr als ein Mal haben namentlich die französischen Seerüstunaen diese Furcht rmgeflößt. Jetzt find es die englischen, welche diesen Ein druck hervorbringen. Warum setzt England jetzt 30 Reservekriegsschiffe in den Zustand halber Ausrüstung? (Nr. 239.) Manche denken bei dieser Frage an die Möglichkeit eines Bruchs mit Nordamerika, dessen immer währende Vergrößerung im Süden und Westen der englischen Politik we gen ihrer amerikanischen Besitzungen und im Allgemeinen Besorgniß ein- stößen muß, und wir wollen die Möglichkeit eines Zusammenhanges der englischen Rüstungen mit den nordamerikanischen Zuständen keineswegs ganz in Abrede stellen, wiewol wir der Ansicht sind, daß die eigenthüm- lichen und schwer zu überwindenden Schwierigkeiten, welche die Chancen eines Kriegs zwischen den beiden Staaten mehr auf die Seite Nordame kas drängen, einen Bruch von Seiten Englands nur im äußersten Falle der Unabwendbarkeit möglich machen dürften. Aber wahrscheinlich ist es, daß die englischen Seerüstungen die Stimmung der eignen Nation, welche immer einen Angriff von Seiten Frankreichs, ihres ewigen Rivals, fürchtet, be schwichtigen sollen. Bekanntlich machten die Whigs der jetzigen Verwaltung am Schluffe der letzten Session darüber Vorwurfe, daß sie das Land der immer mehr sich mehrenden französischen See- und Landmacht wehrlos zur Beute gäbe. Die jetzigen Rüstungen sind die Antwort auf jene Be schuldigungen. Mit Recht sicht nämlich Albion noch heute, wie einst Athen, sein Hauptbollwerk in seinen hölzernen Mauern, in seinen schwim menden Bollwerken, vorzugsweise in seinen Riesenlinienschiffcn. Denn was man auch über die Wirksamkeit der jetzigen Dampfschiffe sagen und hier und da selbst in England wegen einer durch sie zu ermöglichenden französische« Landung erwarten mag : die Erfahrung macht dies Alles mehr als problematisch. Eine Windstille, das fürchtet man in England, möchte die Segel-, resp. Linienschiffe, unbeweglich machen, und unterdessen könnte ein« Dampfflotte ein französisches Heer nach England Hinüberfuhren. Al lein abgesehen davon, daß dazu eine sehr zahlreiche Flotte von Dampfschiffen gehören würde, welche nicht so bald zu beschaffen ist, so hoffte Napoleon bei seiner projcctirten Landung in England 1804/5 Dasselbe. Die Erfahrung lehrte ihn jedoch, daß eine Windstille von 12 Stunden, die er dazu nöthig hatte, in dem Kanale eine Unmöglichkeit sei, daß ferner die starke Bran dung an der englischen Küste eine schnelle Landung ebenfalls verhindere; «r hatte daher den Plan gemacht, die Abwesenheit der englischen See macht möglichst zu befördern und dann mit einer zusammengezogenen Ueber- macht französischer Schiffe die Landung zu versuchen und zu erzwingen. Dies ist auch noch heute, ungeachtet der durch das Dasein der Dampf schiffe sehr veränderten Umstände, das ficherste Mittel, um für Frankreich eine Landung in England zu ermöglichen. Das beste Gegenmittel wider «in solches Unternehmen bleibt daher immer daß Festhalten einer bedeu tenden englischen Seemacht im Kanal. Dies wird durch die jetzige Aus rüstung von 30 Linienschiffen vorbereitet. ' - f Hannover, 7. Sept. Der bekannte Franzose Hr. Appert, Mitglied des Gefängnißraths für Frankreich, der auf einer philanthropi schen Reise durch Deutschland begriffen ist, um Gefängnisse, Hospitäler und andere Anstalten in Augenschein zu nehmen, hat sich auch hier einige Tage aufgchalten. Der Chef der hiefigen Provinzialregicrung, Landdrost v. Dachenhausen, war beauftragt, Hrn. Appert unsere Gefängnisse, Ho spitäler (auch die militairischen), die Blindenschule, die Kasernen rc. zu zeigen. Hr. Appert soll über diese sämmtlichcn Anstalten seine volle Zu friedenheit geäußert und nur gegen die Einrichtung in einem Gefängnisse, worin mehre Gefangene in kleinen Zellen zusammen schlafen müssen, Be denken ausgesprochen haben. Hr. Appert ist vorgestern von hier nach Berlin gereist. Er wird später eine Darstellung seiner philanthropischen Reise in deutscher und französischer Sprache veröffentlichen, deren Wid mung der König von Preußen angenommen hat. Der hiesige Kricgsagent Jakob Leffmann Cohen hat eine Stiftung gegründet, welcher die lobcnswerthe Absicht zu Grunde liegt, die hiesigen Israeliten, nachdem sie durch das neue Judengesctz die Fähigkeit zu Bur ger-, Zunft- und Gilderechtcn erworbeü haben, vom Handel abzuziehen, auf den sie früher fast ganz allein beschränkt waren und von dem sie folglich nicht so leicht zu entwöhnen sein werden. Die neue Stiftung sagt zu dem Ende nur solchen Juden Unterstützungen zu, die sich einem Handwerk oder einer Kunst widmen. Auf den Antrag des Stifters hat der König das Institut mit Corporationsrechtcn versehen lassen und ihm für alle auf dasselbe sich beziehenden Verhandlungen, mit Ausnahme der proccffualischen, Freiheit von den Gebühren, die in die königl. Kasse flie ßen würden, verliehen. Stempelfreiheit für gewisse Vcrwaltungszweige (z. B. die Rechnunasablage rc.) steht übrigens den milden Stiftungen hier ohnehin gesetzlich zu. Der frühere Bicekönig und Generalqouverncur unsers Königreichs, Herzog von Cambridge, der eine Reise nach dem Contincnt an getreten hat, wird, wie es heißt, auch hier dem Könige, seinem Bruder, einen Besuch abstatten. — Der Großherzog von Oldenburg ist aus der Reise nach Venedig (Nr. 252), wo er mit seiner Tochter, der Köni gin von Griechenland, zusammentrifft, gestern mit seinen Kindern hier angekommen und gleich heute früh weiter gereist. X Stuttgart, 5. Sept. Unsere guten Leute vom Lande haben jetzt neben der Frucht- und Grummetärnte, welche im Oberland und auf der Alb gut ausfällt, alle Hände voll zu thun mit Festessen und Adres sen für und an ihre heimgckehrten Deputirten, zunächst solche, die eine Art Oppositionsrolle gespielt haben. Ja, die württembcrgische Nation ist mehrfach gerettet worden, und man muß sich nur wundern, daß sie nicht radical gerettet ist! Blos eine Kleinigkeit stand dieser radicalcn Rettung entgegen, die zwar, daß die beredten und unberedten Herren vom „Nein" keine Mittel wußten, wie dies zu bewerkstelligen wäre, da die Regierung sich sehr bereit erklärte, alles wesentlich Gute, was ihr vorgeschlagen werde, baldmöglichst cinzuführen. In diesem Sinne sprach und handelte namentlich der neue Finanzminister. Aber die Galle war einmal vorhanden, sie mußte heraus, sonst hätte sie den ehrenwerthen Herren Abgeordneten von der Linken den Magen verdorben, und zu den künftigen Festessen brauchten sie einen guten Magen, weil dabei ungewöhnlich stark getrunken zu werden pflegt. Zudem herrschte der blankste Terrorismus der öffentlichen Mei nung durch den „Beobachter", nach dessen Abgott, Hrn. Römer, jeder Volksvertreter, bei hoher Ungunst einiger Kollegen und der in Staatsan gelegenheiten unkundigen Menge, sich blindlings richten sollte. In Betreff der Belohnung des Hrn. Römer befinden sich seine Bewunderer in einiger Verlegenheit. Mit den schalen Dankadressen, welche von da und dort einlaufrn, kann dock unmöglich Alles abgcthan sein; man brütet über einem splendider» oder reellern Dank. Erst war die Rede davon, ihm mittels Geldbeiträge von Wählern in den Bezirken eine goldene Bür- gerkrone mit Eichenlaub fabriciren zu lassen. Ich habe eine illustrirte Ausgabe von Beranger, da ist Nebukadnezar mit einer prächtigen Krone, die man hätte zum Muster nehmen können. Aber man kam leider von dieser monarchischen Idee wieder ab und verfiel aus den Plan, von diesen Bei trägen dem unumschränkten Souverain der heurigen Opposition ein Land gut oder sonst etwas Unbewegliches zu kaufen, da ja eine Krone ein so ver gängliches Ding sei. Geschieht dies, so wird man in ein paar Jahren ohne Zweifel im Beobachter lesen: „Hr. Römer ist von seinem Pfluge zur gesetzgebenden Thätigkeit und den parlamentarischen Kämpfen zurück- gekehrt, gleich jenen alten Römern, von denen uns die Geschichte meldet." In allem Ernst«, das abgöttische Verehren einer puren Negation und einiger Nullen hinter ihr legt von politischer Bildung unsers Volks ein geringes Zeugniß ab; und das Organ der Oppositionspartei fühlt dies auch gar wohl, indem eS hinter dem Landtage drein die Thätigkeit seiner WM Dmtsche Allgemeine Zeitung. SM «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!»