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2346 o Lcipsig, 31. Aug. Wäbrcnd der Rath wegen der officiellen Feier des Consti tu tions festes Anordnungen trifft und den Wochenmarkt verlegt, die Communalgarde von Seiten ihres Commandantcn benachrich tigt wird, daß eine Aufstellung derselben zur Feier des Tages stattfindcn soll, und das (Nr. 2-11) erwähnte Comitc fortfährt, zur Feier des Con stitutionsfestes als allgemeines Bürgerfest einzuladcn, sprechen sich mehre Stimmen gegen jede Feier in dem angekündigtcn Sinn aus, soder —Cor- respondcnt in (Nr. 2-12) dieser Zeitung, und in ähnlichem Sinn ein Auf satz im Tageblatt, „DaS Verfassungsfcst" überschrieben, welcher lautet: „Der Ruf ist ergangen zur Feier eines Festes, welches seit Jahren Leip zigs Stolz und die Bewährung des tiefen Sinnes und der Mündigkeit seiner Bewohner ist. Wem erweckte der Ruf nicht angenehme Erinnerun gen, wem nicht frohe Aussichten, wem nicht schöne Hoffnungen für die Zukunft? Aber wenn wir die Vorbereitungen zu dem Fest ins Auge fas sen, so sehen wir, daß Manches nicht ist wie sonst, und unwillkürlich fachen wir in der letzten trüben Zeit die Ursache. Die Communalgarde, als solche seit dem Dasein der Verfassung die Veranstalterin deS Festes im Schützenhause, wo der geistige Mittelpunkt der Feier zu suchen war, hat es abgclehnt, in diesem Jahre die Feier zu veranstalten. Wir fra gen: warum? und reihen an diese Frage eine Prüfung der Gründe für und wider die Feier, wie sie vielfach in Leipzig gehört werden. Und diese Prüfung sagt, wenigstens dem Schreiber dieser Zeilen, man sollte in der gewöhnlichen Art, d. h. mit Festessen u. dergl-, nicht feiern. ES ist eine aste fromme und nicht außer Acht zu lassende Sitte, daß, wenn einTo- desfall in der Familie cintritt, die Angehörigen deS Verstorbenen eine Zeit lang sich von öffentlichen Lustbarkeiten, Festen und Gelagen fern hal ten; dies geschieht um so mehr, als der Todesfall unter schrecklichem Um ständen erfolgt. Daß Leipzig die Gefallenen bei den letzten traurigen Er eignissen als seine Familienglieder betrachtet, hat die große Theilnahme an ihrem Schicksale bewiesen. Ist es nun wol angemessen, daß wir, nach dem noch nicht ein Monat seit dem schrecklichen Verluste verflossen ist, nachdem wir noch keine Bürgschaft haben, daß die Zahl der Opfer als abgeschlossen betrachtet werden kann, nachdem der erste Schmerz der Hin terbliebenen noch nicht überwunden, die Sorge um die nächste Zukunft derselben noch nicht gehoben ist, ist cs da angemessen, Festessen zu veran stalten? Niemals! Die Blüte des Verfassungslebens ist das innige, un getrübte Band der Liebe und des Vertrauens, welches sich um Thron und Volk schlingt. Ist dieses Band in seiner ganzen Reinheit bei uns vor handen? Nein! Zwar hat das Sachscnherz keinen Augenblick aufgehört, die Empfindungen zu hegen, welche dasselbe an sein Herrscherhaus knüpfen. Aber der König hat es schmerzlich ausgesprochen, daß sein Vertrauen zu Leipzig wankt. Die allgcehrte Gerechtigkcitsliebe des Königs bürgt uns dafür, daß seine Ansicht eine andere werden wird, wenn er das Ereigniß und seine Folgen vollständiger, als dies im ersten Augenblicke möglich war, übersehen kann; und die Persönlichkeiten wie das Verfahren der Untersu chungscommission bürgen uns ferner dafür, daß dem Könige die ganze volle Wahrheit vorgclegt werden wird. Allein noch sind die Arbeiten der Commifsion nicht beendigt, noch ist also die trübe Beimischung nicht be seitigt, die im Herzen des verehrten Königs sich der beglückenden Liebe zur Stadt Leipzig bcigcmischt hat, und so länge dieselbe nicht beseitigt ist, kann man da Festessen veranstalten? Niemals! Die Stimmung der Bür ger Leipzigs ist eine ruhigere geworden, das Vertrauen zu den Behörden und zur Regierung, wenn dasselbe jemals gewankt haben sollte, ist zu rückgekehrt. Aber die Misstimmung, Unruhe, Besorgniß und Trauer sind noch nicht verschwunden und werden nicht ganz verschwinden, bis die ver heißene Veröffentlichung der Resultate der Untersuchung erfolgt ist. Man mag diese Gefühle ungerechtfertigt nennen, aber man vergesse nicht, daß der Schmerz überhaupt leicht ungerecht ist. Kann man aber bei dieser Stimmung Festessen veranstalte«? Niemals! Selbst die gewöhnliche Klug heit verbietet, den noch nicht beruhigten Gcmüthern eine so leicht erreg bare Gelegenheit zu bieten, wo daS bittere Gefühl leicht das bittere Wort gebiert und dieses neue trübe Empfindungen Hervorrufen und die vorhande nen verstärken und steigern kann. Erwägt man noch, was hier nur leise angedcutct werden kann und soll, welche Schwierigkeiten sich bei der Wahl und Ausführung der Trinksprüche darbicten, so scheint die Handlungsweise der Communalgarde als solcher eine vom richtigsten Takte geleitete zu sein, und ich wenigstens kann nur bedauern, daß man versucht, trotz ihrer Hal tung ein Fest zu veranstalten, welches in jedem Falle gedrückt, gezwungen und eingeengt sein wird und muß. Der Erfolg wird zeigen, wie weit diese Ansicht die der Bürgerschaft ist." Die die Communalgarde betref fende Stelle dieses Aufsatzes scheint freilich mit der wiederholten Einladung jenes, zugleich aus der Mitte der Communalgarde hervorgegangenen Co- mites nicht ganz im Einklänge zu stehen. — Der Rheinische Beobachter vom 28. Aug. berichtet: „Vor kurzem wollte ein Bauer an der hannoverschen Grenze seine Kuh zu einem Stier führen und wurde dabei von den Grenzaufsehern anaehalten, welche ihn für einen Schmuggler erklärten. Der Bauer hat sich nach vieler Mühe und langem Hin- und Herlaufen endlich die Anerkennung seiner Unschuld erworben, ist aber einstweilen auch zur Thür hinauSgewiescn, zum Hause hinausAeworfen, in 1 Thlr. Ordnungsstrafe genommen und in 15 Thlr. Kosten verurtheilt worden." f Karlsruhe, 26. Aug. Die Wahlen zu unserm Landtage des Jahres 1846, welcher wahrscheinlich im November d. I. einberufen wird, sind nun größtcntheils vollendet. So wie in der letzten Kammersihung, so hielten sich auch bei den Wahlen die Parteien die Wage, und jeder Theil wird sich den Sieg zuschreiben. So viel ist übrigens mit Zuver lässigkeit vorherzusagcn: wenn die Regierung bei dem System des be sonnenen, zeitgemäßen Fortschritts verbleibt, wie von dem Ministerium Nebcnius nicht anders zu erwarten ist, so wird die Mehrheit der Stim men in der zweiten Kammer für sie sein, wenigstens wird sie keine ver letzenden Kammerbeschlüsse zu befürchten haben. An aufgeregten Reden und Deduktionen in hohem Tone wird es freilich nicht fehlen; man spricht jetzt schon davon, daß zwei der lebhaftesten Oppositionsmitglieder sich um die Ehre streiten, einen Antrag in Beziehung auf v. Jhstein'S Auswei sung aus Berlin zu stellen; Abg. Welcker hat einen gründlichen, wcitauS- holenden Vortrag über die holsteinischen Verhältnisse ausgearbeitet; auch die Presse, ein stereotyper Artikel in unserer Ständeversammlung, bleibt nicht aus. Diesmal wird der Angriff zunächst auf die Art und Weise, wie die Ccnsur aeübt wird, gerichtet, und eine Masse von Ccnsurstrichen und von Beschlüssen auf Beschlagnahme wird gesammelt, um dem An griffe Nachdruck zu geben. Man sagt, die Frage über Beschlagnahme von Schriften, die im Auslande gedruckt worden, und von solchen über 20 Bogen liege im Staotsrathe zur Berathung vor; ob aber ein so zahlrei ches Collegium (18 Mitglieder), großcnthcils aus Greisen bestehend, noch vor Beginn des Landtags zu einem Beschlusse über die schwierigen Fra gen dieses Gegenstandes kommen werde? ist noch zu bezweifeln. Eine Hauptfrage, worüber voraussichtlich mit Bitterkeit wird gestritten werden, ist: inwieweit haben die Kammern bei Organisation der Gerichts- und andern Staatsbehörden drcinzusprcchcn? Diese Frage kommt sowol in Bezug auf die Crcirung deS Staatsraths als auf die Organisation der Bczirksstrafgcrickte und Bezirksgerichte vor; insoweit diese Einrichtungen eine Erhöhung des Budgets zur Folge haben, wird wol die Regierung nachgebcn, aber in staatsrechtlicher Beziehung und namentlich hinsichtlich >er Auswahl der Gerichtssihc wird sie vermuthlich auf ihrer früher» Be- »auptung beharren, daß solche Bestimmungen nicht in den Kreis der Ge- etzgcbung gehören. ES könnte leicht der Fall sein, daß sie hier, wo cs ich um eine Frage der Competcnz der Kammer handelt, die Stimmen mehrheit gegen sich hätte; sie wird sich aber darum hoffentlich ihr gutes Recht nicht abstrciten lassen. Auch die katholischen Dissidenten (Altkatholikcn nennen sie sich jetzt bei uns) werden nicht ausbleiben: die Frage über ihre rechtliche Stellungim Staate bedarf dringend einer Lösung; ob aber die, wenigstens zum Theil, klugen Führer unserer Opposition Wortführer der Dissidenten werden wollen, steht dahin. Die Altkatholikcn i» Mannheim, an deren Spitze ein Militairarzt steht, haben der Regierung angezeigt, daß sie sich als Kirchenaesellschaft constituirt haben, und verlangen, von ihr als geduldete Kirchenaesellschaft anerkannt zu werden) jene in Heidelberg, deren Vorstand ein Advocat ist, haben von der evangelischen Gemeinde daselbst sich die Erlaubniß ausaebeten und er halten, in ihrer Kirche eine Andachtsübung bei Kerbler's Anwesenheit zu halten. Dem Vernehmen nacd hat auch der Oberkirchcnrath kein Verbot dagegen eingelegt. Eine eigne Erscheinung ist, daß die kirchliche Bewegung, die bei unS im Obcrlande begonnen und daselbst, namentlich in Freiburg, tiefe Wurzeln geschlagen hat, gleicbwol zuerst im Unterlande handelnd und fördernd hervortritt; sie erklärt sich wol mit der Verschiedenartigkeit des Nationalcharaktcrs': der Pfälzer, von fränkischer Abstammung, leicht erregbar und reizbar, beginnt mit dem Handeln und überlegt hintennach, der Allemannc und Schwabe im Obcrlande bedenkt sich, ehe er handelt, und hat nicht selten auch alsdann noch etwas im Hinterhalt; aber er be harrt auch fester auf seinem Entschluß, wenn er sich einmal ausgesprochen >at. ES ist zu wünschen, daß die Sage sich bestätige, unsere Regierung werde mit jenen der andern Staaten, welche die Oberrheinische Kirchen provinz bilden (Württemberg, Hcsscn, Nassau, Frankfurt, Sigmaringen), zusammentreten, um bezüglich auf die neuen Altkatholikcn harmonische Beschlüsse zu verabreden. Jedenfalls ist es erfreulich, daß die kirchliche Bewegung noch keine Zwietracht im Lande erregt hat, auch trotz der Bestrebungen einiger unklugen Eiferer keine erregen wird. deS OrtS durchziehend auf den Festplah, gebildet durch daS Eomite, den Sängerchor, eine große Anzahl anderer Theilnchmer und Theilnchmerin- nen aus dem Ort und der Umgegend, die festlich mit Kränzen, farbigen Bändern und Medaillen geschmückten, truppweise in heiterer Gleichmä ßigkeit gekleideten Schulkinder und eine bedeutende Anzahl in ideal-alt deutscher Tracht costumirte jungen Bursche und Mädchen. Auf dem Festplah ordnete sich die Schar um die dort errichtete Rednertribüne, wo der Hofrath Lucius eine auf die Feier bezügliche Rede vortrug, welcher die Absingung eines Festlicdes, ebenfalls vom Pastor Trautschoid gedich tet, folgte. Der Versuch eines dem Anscheine nach sehr begeisterten Un berufenen, eine harmlose Rede zu halten, ward zu allgemeiner Ergötzung sehr schnell unterdrückt, und dies war die einzige Störung des ganzen Festes, wenn sic diese Bezeichnung überhaupt verdient. Darauf vcrthcil- ten sich die jugendlichen Theilnehmer zu Spielen, Kletterstange rc. und zu festlichen Tänzen, zu denen in mehren abgesonderten Zelten ihnen Geje- gcnhcit gegeben ward. Um 2 Uhr fand im Locale der Eiscnbahnrestauration ein Festmahl statt, zu welchem ich indessen leider keinen Zutritt mehr erlangen konnte. Mit cinbrcchendcr Dunkelheit begann die Illumination des Festplatzcs und vieler Häuser deS Orts, unter dem mehre durch bezügliche Transparente sich auszcichneten, und ein großes, sehr geschmackvoll arrangirtes und voll ständig gelungenes Feuerwerk, dem einzelne kleinere von den gegenüber liegenden Weinbergen correspondirtcn, machte den Beschluß des Festes. Die Eisenbahndirection hatte während des ganzen Nachmittags durch die gewöhnlichen sowie durch Extrazüge bedeutende Menschenmasscn hin und zurück befördert. Dessenungeachtet reichte der um 1v Uhr Abends hierher zurückgchcnde Extrazug mit etwa 1200 Personen in 40 Wagen beiweitem nicht aus, und es sind dem Vernehmen nach noch zwei solcher Züge erfo- derlich gewesen, um dem Bedürfnisse, trotz aller aller sonst vorhandenen Fahrgelegenheiten, zu genügen.