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2. Schicksalslied v. Johannes Brahms. Ihr wandelt droben im Licht auf weichem Boden, selige Genien. Glänzende Götterlüfte rühren Euch leicht, wie die Finger der Künstlerin heilige Saiten. Schicksallos wie der schlafende Säugling atmen die Himmlischen. Keusch bewahrt in bescheidener Knospe blühet ewig, ewig ihnen der Geist. 3. a) An den Sturmwind 1 v. P. Cornelius. Mächtiger, der brausend die Wipfel du beugst, sausend von Throne zu Throne entsteigst, wandle, du Stürmender, wandle nur fort, reiß nur den stürmenden Busen mit fort. Und die seligen Augen blicken in stiller, ewiger Klarheit. Doch uns ist gegeben, auf keiner Stätte zu ruhn, es schwinden, es fallen die leidenden Menschen, blindlings von einer Stunde zur andern, wie Wasser von Klippe zu Klippe geworfen, jahrlang ins Ungewisse hinab. Friedrich Hölderlin. Wie das Gewölke, das donnernd entfliegt, dir auf der brausenden Schwinge sich wiegt, führe den Geist aus dem irdisdien Haus in die Unendlichkeit stürmend hinaus! Führe mich hin, wo die bebende Welt rings in Verwüstung und Trümmer zerschellt; über den Trümmern mit grausiger Lust fühl’ ich den Gott in der pochenden Brust. Friedrich RUckcrt. b) Wer weiß, wie baldl v. Rud. Buck. Sie wollten zusammen wandern, am Kreuzweg blieben sie stehn, sie schieden einer vom andern auf Nimmerwiedersehn. Es ist nicht anders auf Erden, die Liebe kommt und geht. Es wechselt Lust mit Beschwerden, bis alles Leben verweht. c) Minnelied v. Adam de la Haie. Und ist zu Ende das Wandern, die Totenglocke erschallt; und einer eilt zum andern ins Jenseits, ach, wie bald! Paul Baehr. Komm, o komm Geselle mein! Sehnend wart’ ich lange dein. Süßer, rosenfarbener Mund, komm und mache mich gesund! d) Wegwart v. Karl Thiessen. Es wartet ein bleiches Jungfräulein den Tag und die dunkle Nacht allein auf ihren Liebsten am Wege; Wegwart wartet am Wege. Sie spricht: „Und wenn ich hier Wurzel schlag, und warten soll bis zum jüngsten Tag, ich warte auf ihn am Wege”. Wegwart wartet am Wege. 4. a) Verklärung v. Arnold Mendelssohn. Urblut flutet im Menschengeschlecht! Schwingt in heißem Hinströmen ewige Sehnsucht auf zu den Göttern! Gebt Sieg—Sieg über Tierheit und geistige Nacht! Und im Ringen aus Urnatur immerfort gellend der Klang: Empor! Empor! Hände greifen aus Nacht zum Licht, Wille Schranken und Fesseln zerbricht! Sieghaft über Staub und Getrümmer schreiten beglückt die Geschlechter der Freien hin zur Verklärung und Sonnenschimmer! Frei ward der Mensch! Und lodernde Fackeln zeigen zu Schönheit und Menschheit den Weg, Wille ward Tat — Kraft ward Sieg! Heil! Heil solchem Krieg! Vergessen hat sie der wilde Knab’ und wo sie gewartet, da fand sie ihr Grab, ein Blümlein sprießet am Wege: Wegwart wartet am Wege. Der Sommer kommt und der Sommer geht, der Herbstwind über die Heide weht, das Blümlein wartet am Wege: Wegwart wartet am Wege. Julius Wolff. Wust und Schlacke fallen zurück, erstorben liegt Enge und Knechtsgebärde, auf steigen Adelsgeschlechter, und in hymnischem Sang frohlockt die erlöste Schar: Auf der Freiheit lichten Höhen singen wir der Schönheit [Ruhm, Menschheit feiert Auferstehen, auf zu reinem Menschentum! Was uns fesselte, entzweite, sank in Nacht und Tod zurück, und der Lichtmensch, der befreite, bringt der Erde Himmelsglück! Jauchzt! Zu Göttern werden Menschen, zu Verklärtheit Hin in Ewiges sinkt die Zeit! [Urnatur! Menschendasein schwingt im Lichte seligster Dreieinigkeit! Freiheit! Schönheit! Götterspur! Albert Liebold. b) Deutscher Willensspruch v. Ernst Reinstein. Das tut uns not in künft’gen Jahren, daß wir die Wurzel der Kraft bewahren, fest zu steh’n im Grund der Erden, nicht zu lockern, nicht morsch zu werden, mit den frisch ergrünenden Blättern wieder zu trotzen Sturm und Wettern, mag es ächzen, mag es krachen, stark zu rauschen, ruhig zu lachen, im Regensturm, im Sonnensch'ein ein deutscher Baum des Lebens zu sein! Karl Henckell. VORANZEIGE: Freitag, den 13. Dezember 1929, abends 8 Uhr in der „Krone“: Volkstümlicher Abend: „Wenn’s Weihnachten ist....“ Nach dem Konzert findet ein großer Bundeskommers statt, zu dem alle Freunde des L. G.V. herzlichst eingeladen sind!