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M94 M » eutze «. Serlin, 15. Aug. Ein mehr als gehässiger Aufsatz von Ihrem x - Korrespondenten aus Berlin in Nr. 222 dieses Blattes, Men den Un terzeichneten gerichtet, veranlaßt mich, Ihnen Folgendes mitzütheilen: I) Ich bin nie, weder von den Acltesten noch von der Gemeinde, zur Ruhe verwiesen worden, habe mich auch nie so betragen, daß dieses nöthig wäre. 2) Am 21. Mai, als ich bei Erneuerung der Aeltestenwahl mit gro ßer Majorität wieder zum Acltesten gewählt war, lehnte ich diese Wahl ab, weil wirklich meine übrigen Geschäfte und Verhältnisse darunter litten. Seit jenem Lage hat sich aber Vieles geändert. Nicht nur das Ministerialrescript sowie die Erklärungen Czcrski's und die Anfeindungen der protestantischen hyperorthodoxen Partei haben unsere frohe Stellung und stille Entwickelung in eine bewegtere, wenn nicht gar bedrohte verwandelt, sondern das Verhalten des vom Vorsitz entfernten Hrn. Mauritius Müller, ungeachtet er wiederholt scheiterte, dann die entstellenden Mittheilungen der Zeitungscorrcspondenten in vielgelcscnen Zeitungen, haben es für Berlin, als den nunmehrigen Vorort fürs nächste Concil, als nothwcndig erscheinen lassen, ein anderes Organ als das Müller'sche zu schaffen. Der Rath dazu rührt her von einem Mitgliede des Nettesten-Collegiums, gegen welches auch bis jetzt wenigstens die Anhän ger Müller's nichts zu sagen gewußt. Da nun dic Mithülfc an einer Arbeit, die mir bis Ende vorigen Monats bei fünf Stunden täglich raubte, nun er ledigt ist, auch ein anderes Unternehmen für Deutschland einstweilen beseitigt ist, das mir hier allein oblag, auch sonst ich für die gute Sache Alles zu opfern, wenn cs nöthig ist, bereit bin: so übernahm ich die Redaction eines solchen Organs um so viel mehr, als ich mich auf dem leipziger Concil als einen offenen redlichen Mann bewährt. Urtheilcn Sie nun selbst, ob das lo bens - oder tadclnswerth ist, zudem es doch noch möglich ist, daß ich manchmal um die nächtliche Ruhe komme. 3) Obgleich eß überflüssig scheint, so bemerke *ÄaSSet, 13. Aug. Da der Andrang zu den Staatsstcllen auch in Kurhessen fortdauernd so groß ist, daß sich bei jeder Vacanz auch des ge ringsten Acmtchens eine Unzahl von Candidaten meldet, die sich um das selbe bewerben, und auch die Zahl der zu vergebenden Stellen im Staats dienste, welche wissenschaftliche Bildung oder technische Kenntnisse erfo- dern, in keinem Verhältniß mehr steht mit der Menge der Bewerber, so ist man theils auf Mittel bedacht gewesen, den Eintritt in den Staats dienst zu erschweren, theils haben auch einzelne Behörden öffentliche Be kanntmachungen erlassen, um die jungen Leute davon abzuhalten, sich den Universitätöstudicn mit einer Aussicht auf künftige Anstellung zu widmen. Die kurfürstliche Ober-Berg- und SalzwerkSdircction hat zu diesem Ende jetzt folgende Verfügung in den Jntelligenzblättern bekannt gemacht: „Der zunehmende Andrang junger Leute zu der für höhere Beamten stellen im Bergwerksfache vorgeschriebenen Prüfung und die ungenügende Ausbildung, welche dabei mitunter erkannt worden ist, veranlaßt die unter zeichnete Behörde, hierdurch nur darauf aufmerksam zu machen, daß die Zahl Derjenigen, milche sich in neuester Zeit dem Berg -, Hütten -7 und Salinenwe- sen widmen, Dt der Anzahl der in diesem Fache Angestellten im größten Mis- verhältnisse steht, sodaß selbst nicht die Minderzahl der Erster» auf dem- nächstige Anstellung im Staatsdienste sich Hoffnung machen kann; sondern auch die Gegenstände der ersten Prüfung zur allgemeinen Kenntniß zu brin gen, damit künftige Aspiranten ihre Vorbereitung danach bemessen können. Von einem Candidaten zu höhern technischen Beamtcnstellen werden verlangt: gründliche Kenntnisse in allen Zweigen der Mathematik und Physik, Chemie, Mineralogie und Gcognosie, sodann eine allgemeine wissenschaftliche Ausbil dung in der Bergbau-, Hütten- und Salincnkunde, auch bürgerlichen Bau kunst, und die ersten praktischen Kenntnisse in wenigstens einer der erstge nannten drei technischen Branchen; daneben hat sich künftighin jeder Aspirant durch glaubhafte Zeugnisse darüber auszuweisen, daß er sich wenigstens ein Jahr ununterbrochen auf einem Berg-, Hütten- oder Salzwcrke aufgchalten und mit allen Zweigen des betreffenden Betriebs bekannt gemacht hat. Von einem Candidatcn für höhere Rechnungsbeamtenstellen werden ebenfalls Kennt nisse in den genannten Wissenschaften (höhere und angeweNdete Mathematik und bürgerliche Baukunst ausgeschlossen), jedoch in geringerm Umfange, vor zugsweise aber gründliche Kenntnisse im Bergrechnungswesen crfodert, und ist zugleich von demselben Nachweisung darüber bcizubringcn, daß er sich be reits über Jahresfrist bei einem Bcrgrechnunungsbeamten beschäftigt und mit allen Zweigen des RechnunaShaushalts des betreffenden Werkes vertraut ge macht hat." — vr. Scheffer, d. Z. Dekan der theologischen Facultät in Mar burg, sagt Namens sämmtlicher Mitglieder dieser Facultät: „Zur Verhütung von Mißverständnissen, welche aus den Angaben des Frankfurter Journals hcrvorgchen könnten (nämlich der Senat habe zur Feier des Geburtssestcs des Kurfürsten am 28. Jul. diesmal den Prof. I>r. Bayer- Hoffer als Redner, und zwar als Redner über eine der wichtigsten Angelegen heiten unserer Tage, über die Sache der Dcutsch-Katholikcn, auserschcn) wird bemerkt, daß der akademische Senat zu Marburg bei akademischen Feierlich keiten sich nicht mit dem Festredner über Gegenstand und Inhalt seiner Fest rede vorher vereinigt, sondern daß der Letztere nur in seinem Namen redet und darum auch allein den Gegenstand seines Vortrags zu bestimmen und den Inhalt desselben zu vertreten hat." * Frankfurt a. M., >5. Aug. Die Königin Victoria von England und ihr Gemahl sowie der Könss) von Preußen werden diesen Abend zwischen 1 und 5 Uhr von der Burg Stolzenfels in Mainz erwartet. Sie werden bei ihrer Ankunft mit I0l Kanonenschüssen von den Wällen der Citadelle Ler BundeSfestung begrüßt «erden; die etwa 10,vvv M. starke Garnison, au- österreichischen und preußischen Truppen bestehend, wird m Parade aufgestellt sein und an den Herrsch-ftet» vorbeidefiliren; am Ätzende wird «ine großartige Illumination des Hafens von Mainz und der Fayade der ihm gegenüber aM Rhein sich hindehnenden Vorstadt Ca stel, verbunden mit einem Feuerwerke, stattfinden. Die Königin Victoria und ihr Gemahl werden morgen von Mainz über Frankfurt ihre Reise nach Koburg fortsetzen und daselbst am 18. Äug. ihren Einzug halten. Daö Presbyterium unserer deutsch - reformirten Gemeinde hat in seiner vorgestrigen Sitzung auf dieSfälligeS Gesuch deS Vorstandes der hiesigen deutsch-katholischen Gemeinde mit fast Stimmeneinhelliakeit be schlössen, dieser den Mitgcbrauch ihrer Kirche zum Zwecke der Abhaltung ihres Gottesdienstes zu gestatten. ES ist dieses Zugeständniß vorerst für einen halbjährigen Zeitraum gemacht; dem Vernehmen nach ist Aussicht dafür vorhanden, daß nach Ablauf dieses Zeitraums die deutsch-katholische Gemeinde ihre gottesdienstlichen Handlungen in einer eignen Kirche zu ver richten in den Stand gesetzt sein werde. Außer Pfarrer Kerbler ist noch ein Geistlicher, dessen Name weithin bekannt ist, sür die hiesige deutsch katholische Gemeinde in Aussicht genommen. Hr. Kerbler wird übermorgen den Gottesdienst leiten und dabei ein Paar trauen und vier Kinder von Mitgliedern seiner Gemeinde taufen. 's s Frankfurt a. M., 15. Aug. In einer Correspondenz aus Dresden im Frankfurter Journal heißt es, man wundere sich, daß vr. Carove, dessen „Kosmorama" und „Neorama" sür die Deutsch-Katholiken, namentlich sür deren Vertreter, eine willkommene Fundgrube in jetziger Zeit sein dürften, aber ganz vergessen zu sein schienen, daß dieser mulhige und geistvolle Vor kämpfer und Vorangängcr der katholischen Reformer nicht von einer Ge meinde als Seelsorger berufen werde. Schon die Redaction des genannten Blattes hat in einer Note bemerkt, Carove habe seinen Beitritt zur christ- katholischen Kirche bis jetzt noch nicht erklärt. Wir können dies bestätigen, fügen aber zur nähern Erklärung noch Einiges hinzu. Carove hat allerdings in mehren seiner srühern Schriften der katholischen Reform vorgearbeitet; eS sind dies die Werke: „Neber alleinseligmachende Kirche" 1826 und 1827, „Die letzten Dinge des römischen KatholiciSmuS in Deutschland" 1832, und „Neber das Cölibatgesch" 1833. Von jener Zeit an ist er aber in seine» Glaubcnöansichten und Vorschlägen weitergeganaen; die Sphäre der deutsch- katholischen Bewegung ist ihm daher zu eng. Davon zeugen die von ihm seit 1835 veröffentlichten Schriften: „Neber kirchliches Christcnthum", „PapismuS und Humanität", „Wort des Friedens", „Neber christliche- und germanisches Staatsprincip" und das neueste seiner Geistcserzeugnisse „Emancipation und Reform der Juden" 1845. Carove ist also aus Con sequenz der neuen Gemeinde nicht beigetreten, betrachtet aber die katho lische Reform ebenso wie die Erscheinungen inmitten des Protestantismus und deS Judenthums als nothwcndige und ersprießliche Zeitbewegungen und verfolgt sie mit lebhaftem Interesse, während er fortfährt, in seinem nur der Wissenschaft und der Freundschaft geweihten Stillleben emsig zu sammeln und zu arbeiten für. kommende Tage, und zwar — wenn es sei ner Neigung nicht allzu sehr widerstreben sollte, was wir aber fast be fürchten möchten — für die kommenden Tage seines eignen Lebens. Denn betrachten wir diesen Mann in seiner noch so jugendlichen Rüstigkeit, dem man es nicht anmcrkt, daß seit jenem Tag, an welchem er vor nun 28 Jahren in der Schar begeisterter Jünglinge vom Rautcnkranz zu Eisenach mit hinaufzog zur alten LutherSburg, die Zahl seiner Lebensjahre sich ver doppelt hat, sehen wir, wie er sich treu geblieben in der Liebe zum deut schen Volk und dessen heiligsten Bestrebungen, dann müssen wir bedauern, daß er nicht stärker einwirken hilft auf das Triebrad der Gegenwart. Käme freilich bei fortgesetzter kirchlicher Bewegung noch mehr zur Ver wirklichung von Dem, was für eine deutsche Nationalkirche oder allge meinere Verbrüderung als Wunsch in manchem frommen deutschen Herzen ruht, dann würde gewiß auch er, das sind wir von ihm überzeug», sich praktisch bethätigen für die gemeinsame gute Sache, für GottcS Sache. Schriftsetzer Müller, der Markthelfer Kleeberg und der Polizeidiener Arland getödtet, sowie fünf Personen verwundet worden sind " 12. Aug. Bisher «ar die Stimmung unserer Bewohner in Bezug auf den Deutsch-KatholiciSmuS »och keineswegs im Klare». Wahrend man auf der einen Seite über die Richtung der Schnellpost unter der Redaction des abgetretenen Hrn. Chownitz bittere Klagen führte und über die Wichtigkeit lächelte, welche die Anhänger der Bewegung einem ihrer Vorstände auf eine wahrhaft hyperbolische Weise beizulcgen suchten, unterstützt man, namentlich neuerdings, die OrtSgcmcinde allzu kräftig, als daß länger an der wärmsten Sympathie für dieselbe gezwei felt werden könnte. Abgesehen von der Vergünstigung, welche ihr der StiftungSrath durch Ueberlassung der sogenannten DreifaltigkeitSkirche hat zu Theil werden lassen, bethäligt die Bürgerschaft in diesem Augenblick ihr Interesse dadurch, daß sie in einer schon reich bedachten Subscriptions- liste zur Uebcrreichung einer silbernen Kanne auffodert, und eine andere Anzahl hiesiger Einwohner, der sogenannte bürgerliche Lesezirkel, wird der Gemeinde in den nächsten Tagen einen vortrefflich gearbeiteten silber nen Kelch mit Hostienteller zum Geschenk machen. — Von Riedlingen aus wird in einem hiesigen Blatte gegen das Gerücht, als wollten von dort 40 Familien auf einmal zum Deutsch-Katholicismus übertreten, vom Stadtrath und Pfarramt protestirt und hinzugefügt, daß bis jetzt nur ein einziger — und nicht einmal Ortsbewohner — der katholischen Kirche untreu geworden wäre. Uebertreibungen, wie sie sich namentlich daS Stuttgarter Tageblatt und die Dorfzcitung, Gott weiß, aus welcher trüben Quelle schöpfend, zu Schulden kommen lassen, sind der Sache der Bewegung offenbar mehr hinderlich als förderlich. — Gestern Abend wurde unserm hcimgekehrten Deputaten Haßler eine Nachtmusik und Gesangständchen gebracht; inglcichen war ihm zu Ehren ein solennes Mahl veranstaltet. Hr. Haßler ist ein Ehrenmann, auf dessen Wahl als Ab geordneten unsere Stadt stolz sein kann. Waren feine Reden in der Kammer auch nicht mit jener kaustischen Schärfe gewürzt, welche Hrn. Römer so berühmt gemacht Haden, so hat er nichtsdestoweniger eben so viel, wo nicht mehr, für seine Committcnten erwirkt als Jener, und der praktische Nutzen bleibt am Ende doch wol die Hauptsache. Haßler war während seiner landständischen Wirksamkeit zugleich in die Druck-, staatsrecht liche und Eisenbahn-Commission gewählt, Beweis genug, daß man auch dort seine Brauchbarkeit, seinen Fleiß und Scharfsinn anerkannte.