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I«» cenuS vorbereitet, ist neuerdings eine Immediateingabe der hiesigen Stadt verordneten an den König hinzugetreten. Auch aus der köthenerVersamm lung der Lichtfreunde, die am 15. Mai stattfindct, wird die WiSlicenus'- sche Angelegenhrit allem Dermuthen nach den Haupt- und Mittelpunkt der Berathungen bilden. Daß Wislicenus wenige Wochen zuvor eine auS Bremen von einem sehr angesehenen Theile der dortigen Einwohner schaft ihm zugegangene Äuffoderung, sich um die durch Krummacher'S Tod erledigte Steile des HauptpastorS zu bewerben, mit dem Bemerken von der Hand gewiesen, daß er seine hiesige (wir setzen hinzu: kleine und arme Dorstadts H Gemeinde freiwillig nicht verlassen werde, dürfte unter den augenblicklichen Umständen von doppeltem Interesse sowol zur Charakteri stik des Mannes als der gegenwärtigen Parteien und ihrer Ausbreitung sein. * Posen, 9. Mai. DaS allgemeine Drängen nach zeitgemäßen Re formen auf dem Gebiete der religiösen Dogmatik ist endlich bis zu un serer Jsraelitc »gemeinde gedrungen, in der sich jetzt einige Bewe gung zum Anschluß an die Erstrebnisse der berliner und brcslauer Refor matoren kund gibt; ob mit Aussicht auf Erfolg, muß vor der Hand da hingestellt bleiben, wir glauben aber, bei der inner» Beschaffenheit der hiesigen jüdischen Gemeinde, kaum. Sobald die Bewegungen in Breslau, Berlin und andern Orten hier bekannt wurden, sing cs an auch unter den hiesigen Juden, besonders der jüngern Generation, zu gähren, und man äußerte sich laut darüber, daß cs wol an der Zeit sei, den alten tal- mudischen Wust, welcher der endlichen Emanchation der Israeliten in Preu ßen einen unübersteiglichcn Damm entgegenthurme, abzuthun und nament lich einer Form des mosaischen Gottesdienstes, die mit der gegenwärtigen Bildungsstufe im Einklänge stehe, den Eingang zu öffnen. Cs wurde mit pro und contra declamirt, besonders von den Liberalen, von denen aber keiner den Muth hatte oder den Beruf in sich fühlte, an die Spitze der Bewegung zu treten und den „Schwarzen" in offenem Kampfe die Spitze zu bieten; Allen war die Sache nur Untcrhaltungsgegcnstand, die tiefere Bedeutung lag den Meisten wenigstens ganz fern, weshalb sie die Sache gehen ließen, wie sie eben gehen wollte. Endlich wagte es Einer, öffent lich hervorzutreten und in der hiesigen Zeitung einen Aufruf an -Gleich gesinnte ergehen zu lassen, worin er sie zu einer Versammlung behufs der nähern Verständigung über ihre gemeinsamen Wünsche und Strebungen einladet. Wie Viele bis jetzt beigetreten und wann die erste Versamm lung stattfindcn werde, ist noch nicht bekannt geworden; wir glauben aber, daß das ganze Unternehmen theils an der eifrigen Thätigkcit der „Schwar zen", thcils an dem generellen Jndiffercntismus der „Weißen" scheitern werde. In dem Aufrufe des Chorführers der hiesigen Reformfreunde heißt es unter Anderm, die Gerechkigkeitsliebe der Christen in Beziehung auf die beschränkte politische Lage der Juden in Preußen habe sich thatsachlich auf den letzten Landtagen kundgegeben und gewähre den Israeliten die schöne Hoffnung, daß auch für sie die Morgenröthe der bürgerlichen Frei heit bald anbrechcn werde. Die verkümmerte Kraft eines Staatsgliedes werde jetzt durch humane Mittel geweckt und wieder ins Leben gerufen; wenn die Juden jetzt das Ihrige dazu thäten, so sei begründete Aussicht vorhanden, daß die bereits morsch gewordenen Schranken zwischen Christen- thum und Judenthum bald gänzlich zusammenstürzen würden. Die Mehrzahl unserer Juden sehne sich nicht Mehr nach Palästina, das geliebte Vaterland sei ihr Palästina; auf ein sichtbares Jerusalem, auf einen sichtbaren Messias hofften sie nicht, denn Letzterer könne ihnen Herrlicheres nicht bringen, als ihnen jetzt schon gewährt werde, sofern sie cs nur richtig zu ergreifen wüß ten. Die hohe Aufklärung der Jetztzeit werde die große Mission des Messias übernehmen und sie alle zur rechten Anbetung des großen Urwcsens im Geist und in der Wahrheit führen. Die Zeit der Verheißung sei jetzt gekommen, von welcher der Prophet Zacharias sage: „Und es wird ge schehen, wie ihr vom Hause Juda und ihr vom Hause Israel ein Fluch unter den Völkern wäret, so will ich euch helfen, daß ihr ein Segen un ter ihnen werdet." Dann läßt er sich über die Nothwendigkcit der Her stellung des mosaischen Deismus vernehmen und schließt damit, daß die Juden sich erst selbsi emancipiren müßten, bevor sie vom Staat emanci- pirt werden könnten. Der Mann meint cS jedenfalls gut mit seinem Volke; wir aber, die wir die hiesigen Juden genau kennen, glauben doch nicht, daß ihm sein Werk gelingen werde, und zwar aus folgenden Gründen. Wir zählen eine israelitische Bevölkerung von circa 90Ü0 Seelen, dem Bekenntnisse nach sämmtlich Talmudistcn, wenngleich nur sehr Wenige eine genauere Kenntniß vom Talmud haben. Sie spalten sich ganz schroff in Reactionaire (Altgläubige) und Reformisten (Liberale); jene heißen auch „Schwarze", diese „Weiße". Zu jenen zählen der Oberrabbincr, die Synagogenbeamten, die Prediger, der größere Theil der ältcrn Ge neration und einige wenige Jüngere aus der niedrigsten und unwissendsten Klaffe; sie sind durchweg bornirte Fanatiker, jedem Fortschritt abhold, gänzlich unwissend, ohne äußere Bildung und größtentheilö ekelhaft schmuzig. Die Liberalen dagegen unterscheiden sich äußerlich fast gar nicht von den Christen; sie achten nicht auf die Lehren des Talmud, den sie kaum ken nen, wie sie überhaupt nur den dürftmsten Religionsunterricht genossen haben; sic sind Vernunftgläubige, das Positive derOffcnbarung für über- flüssiges Beiwerk der Religion haltend, das nur der Hierarchie zur Stütze diene; sie haben meistens christliche Unterrichtsanstaltcn besucht, haben einen ziemlichen Bildungsgrad, achten Wissenschaft und Kunst und streben nach geistiger Vervollkommnung. Die Interessen des religiösen Glaubens tre ten aber nur bei den Wenigsten so lebhaft hervor, daß sie bereit wären, für sie ein Opfer zu bringen oder wol gar ihre äußere Stellung zu ge fährden; sie sind dergestalt im Materialismus befangen, daß sich dem durch aus Alles unterordnet. Die Schuld davon trägt die Mangelhaftigkeit ihrer religiösen Erziehung und die überaus dürftige religiöse Erbauung, die sie in ihren Synagogen finden. Sie haben zwar Prediger, und dar unter einen von einem gewissen Rufe, Hrn. Pleßncr; allein diese sind «ntwcder kalte, nüchterne Exegeten, die den Verstand und das Herz leer lassen, oder es sind, wie der Letztgenannte, bombastische und verwor rene Declamatoren, die bunte Bildcr wie in einem Guckkasten vorübcr- führen, aller Klarheit der Ideen und aller logischen Consequenz der Ent wickelung aber völlig bar sind. Die Gemeinde hört den poetischen Wirr warr mit an und trägt davon so wenig nach Haus, alS hätte sie eine chinesische Rede angehort. Wo soll da die religiöse Erhebung Herkommen? Darum glauben wir auch nicht, daß die Reform bei unS Boden gewin nen werde; wenige, gewiß sehr wenige unserer Israeliten werden bereit sein, der Religion wegen sich irgend Unannehmlichkeiten im Gemeinde verband auSzusehen oder der Verbreitung der gereinigten Lehre erhebliche Geldopfer zu bringen. Sechs Tage der Woche ist der Jude angestrengt in seinem Berufe thätig, und am siebenten will er Ruhe und Ergötzung; zu einer religiösen Reformation ist daher bei uns wenigstens die Zeit noch nicht gekommen. — Die Schlesische Zeitung sagt: „In der heute angekommcnen Num mer des Frankfurter Journals heißt es in einer aus Breslau datirten Corrcspondenz: «In öffentlichen Blättern ist die Anzahl der hiesigen Neukatholikcn auf 4000, nach andern sogar auf 6000 Mitglieder angegeben worden. Wir vernehmen soeben aus sichern Quellen, daß die Summe der amtlich als Neukatholikcn Eingeschriebenen die Zahl 1030 eben erreicht.» Diese Nachricht beruht auf einem Jrrthume. Das an die Behörden vor kurzem eingercichte Verzeichniß weist 1421 Nummern nach, unter denen jedoch das Familienhaupt für die ganze Familie nur mit Einer Nummer aufgeführt ist. Man kann annehmen, daß seitdem im Durchschnitt täglich mindestens 20 neue Mitglieder, d. h. sowol Fa milien als einzelne Personen hinzugetreten sind; so haben allein heute Vormittag wieder 19 unterschrieben. Im Ganzen beträgt die Zahl der Nummern einige über 1600. Rechnet man nun durchschnittlich, was ge wiß nicht zu viel ist, die Familie zu 4 Personen, so ist es klar, daß die Gemeinde wenigstens 4 — 5000 Köpfe stark ist, von denen allerdings 12 — 16 Personen in den Schoos der römisch-kathollschcn Kirche zurückgetre ten find, und zwar, wie sie selbst im römischen Kirchenblatte ganz zer knirscht sich ausdrücken, «mit der tiefsten Reue und Beschämung.»" T panie«. Der augsburger Allgemeinen Zeitung wird aus Pari« vom 2. Mai geschrieben (was wir auch bereits aus Berlin unterm 9. Mai in Nr. IZ2 meldeten): „Es ist kürzlich ein Kurier von hier nach Wien an den Her zog Ferdinand von Sachsen-Koburg-Gotha abgegangen. Aus einer von mir sonst bewährt gefundenen Quelle erfahre ich nun und theile Ihnen mit, ohne die Bürgschaft der Nachricht zu übernehmen, daß im gegen wärtigen Augenblick Unterhandlungen zu einer Verbindung der Kö nigin Isabella mit dem jüngsten Sohne des obgenannten Herzogs, d. i. mit dem Prinzen Leopold, im Gange sind. Prinz Leopold soll der schönste und zugleich geistreichste junge Mann in der Familie Koburg sein. Der Grund meines Bedenkens bei Mittheilung dieser Nachricht ist vor züglich die schon vor Jahren geschehene entschiedene Erklärung Ludwig Philipp's gegen die Vermählung der Königin an einen andern als einen Prinzen aus den bourbonischen Dynastien. Sollte die königl. Ansicht sich jetzt in diesem Punkte geändert haben, so ist es sehr wahrscheinlich, daß die Hicrherkunft des Herzogs v. Broglie mit den armcdeutetcn Unterhand lungen in Verbindung stehe und daß man sich der Einwilligung Englands bereits versichert habe." Großbritannien. London, 7. Mai. Das Oberhaus hielt gestern nur eine kurze Sitzung, in der eine Anzahl Petitionen übergeben und mehre Bills, dabei die Zuckerzöll-, die Auctionssteuer- und Einfuhrzollbill zum dritten Male verlesen wurden und passirten.— Im Unterhau sc waren um 4 Uhr nicht 40 Mitglieder an wesend , daher Vertagung auf heute cintrat. — Der vorgestern dem Unter Hause von der Petitionscommission vor- gclegte 21. Bericht weist nach, daß bis dahin 46 Petitionen mit 15,483 Unterschriften zu Gunsten der Maynoothbill und 7629 dagegen mit 982,862 Unterschriften eingcgangen waren. Für strengere Sonntägsfeicr sind 112 mit 10,317 Unterschriften, um Verminderung der Wirths- und Brannt- weinhäuscr 722 mit 165,147 Unterschriften eingereicht worden. — Die jährliche Hauptversammlung der großen kirchlichen Mif- sionsgesellschaft wurde am 5. Mai unter Vorsitz des Earl v. Chi chester in Exeter Hall gehalten, deren großer Saal dabei gedrängt voll war. Der vom Secretair verlesene Bericht sprach von den Bestrebungen der Gesellschaft in allen Theilen der Erde; die Missionsarbcitcn in Neu seeland, dem westlichen Afrika, in Britisch-Indien und China nahmen eine hervorragende Stelle darin ein. In China waren die französischen Missionare sehr eifrig für Ausbreitung des Papismus und haben bereits 10 Bischöfe, 4 Assistenten und 144 Priester. Die Sendboten der kirch lichen Missionsgescllschaft haben indessen eine gastfreundliche Aufnahme bei den chinesischen Behörden gefunden, und im abgelaufenen Jahre hatte die Anzahl der Communicanten von 500 sich auf 10,000, mehr als in den letzten 30 Jahren, gesteigert. Das Gesammteinkommcn der Missionsgcseü- schaft war im vorigen Jahr I05,249Pf. St. oder 925 Pf. St. mehr als im vorhergehenden Jahr, und sic unterhält gegenwärtig 98 Stationen. Der Vorsitzende legte jedoch der Versammlung die Nothwendigkcit ver mehrter Anstrengungen der Gesellschaft ans Herz, indem sich das Feld ihrer Wirksamkeit beständig erweitere und, wie groß Und im Wachsen be griffen das Einkommen der Gesellschaft auch sei, doch in noch größerm Maße die Anfoderungen an dieselbe gestiegen wären.