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117« Welche» LooS ihr aber auch da- Schicksal Vorbehalten haben mag, so wäre e- wol in ihrem Interesse, wenn sie sich mancher äußern Formen begeben möchte, die zu sehr an die alte Bourbonenlinic erinnern und, abgesehen davon, an und für sich eben so widersinnige al- lästige Gegensätze mit den sonst geschmeidigen und leichten Sitten der Franzosen bilden. Nicht- steht mit diesen Sitten und fast mit der Würde des Königthums selbst in schroffcrm Widerspruch als die zwei Mal im Jahre sich wiederholenden Ceremonicn am Hofe, welche den vorgeblichen Zweck Haden, dem Könige zum neuen Jahr And zu seiner Namcnsfeier die Glückwünsche der Nation darzubringen. Zwei Mal im Jahr ist der König und die ganze könig liche Familie mehre Tage fast fortwährend auf den Beinen, um die zahl losen Staatökörpcrschaften zu empfangen, ihre obligaten und gleichförmi gen Wünsche und Complimente anzuhören und einige huldvolle Phrasen an sie zu richten. Welche Pein und Langweile für einen Festtag! Wenn die Familie Orleans nicht ganz cigenlhümlich organisirt ist, müssen diese beiden Tage die unerträglichsten und qualvollsten des Jahres für sic sein. WaS aber all diese Langweile und Pein noch weit überbietet, das ist ein Conccrt, das freilich nur ein Stündchen dauert und am Tage vor dem Namcnsfest und am 3l. Dec. von sämmtlichen Musikchören der pariser Garnison und der in der Umgebung von Paris liegenden Garnisonen in den Tuilcrien vor dem Pavillon de l'Horloge den königlichen Ohren zu Ehren gegeben wird. Ich habe soeben (l Uhr) dieses Bataillon von Musikanten, denn es waren wenigstens 6—700 M-, in den Tuilcricnhof einziehen sehen und den Anfang dieses Conccrts angchört, ohne sagen zu können, welcher Art von Ton stücken der vernommene Lärm angchörcn sollte. Man denke sich ein impro- visirtes Orchester von 6 — 700 an sich mittelmäßigen Musikern (denn alle Musikchörc der französischen Regimenter mit Ausnahme der vom 47stcn Regimcnte stehen noch ziemlich tief unter der erträglichen Mittelmäßigkeit) mit lauter Blasinstrumenten bewaffnet, denen man zwar dasselbe Noten stück vorlegt, die cs aber vorher nie zusammcngespielt haben, cs höch stens zu je 36—48 unter sich zu spielen gewohnt waren, und die auf einmal ohne Takt, ohne Zusammenwirken aus voller Lunge blasen. In einem Saale würde der stärkste Schädel diesem Ungeheuer von Conccrt unterliegen, in der freien Luft kommt man mit einem mehrstündigen Kopf? weh davon. Daß der König einem so betäubenden Lärm beiwohnen kann, würde schon allein für seine Gesundheit zeugen, wenn nicht sein ganzes Aeußerc es ankündigte. Er hörte dieses sogenannte Conccrt mit einer Heiterkeit an und zeigte auf dem Balcon eine Beweglichkeit unter den ihn umgebenden Familienmitgliedern (der Königin, den Herzoginnen von Or leans und Nemours, der Prinzessin von Joinville, dem Grafen von Pa ris, Lem Herzog von Chartres, dem Grafen von Eu, dem Herzog von Nemours), als hätte er eben erst das vierzigste Jahr erreicht. Die Kö nigin war der Zielpunkt seiner besondern Aufmerksamkeit, er machte ihr förmlich die Cour; ihr zunächst waren die genannten Enkel der Gegenstand seiner unerschöpflichen Laune, die übrigen Familienmitglieder und die Gene rale, die sich auf dem Balcon befanden, wurden nur nebenbei und gele gentlich in die Unterhaltung gezogen. Die ziemlich zahlreiche Volksmenge, welche diesem öffentlichen Familienschauspiele beiwohnte, schien daran leb hafte Theilnahme zu nehmen. Diese verflieg sich jedoch zu keiner Art von Aeußerung, denn die ausgebrachtcn vivo le roi kamen nicht von außerhalb dcS Tuilerienhofes, sondern aus dem Innern desselben hervor und rührten von den Musikchören selbst her, die das königliche Beifallklatschen mit jenem Ausruf erwiderten, wahrscheinlich dem alten Grundsätze folgend: Eine Höf lichkeit ist der andern wcrth. Schweiz. Nachdem der große Rath von Starau am 28. April beschlossen hatte, seine Gefangenen in Luzern auszulösen, sind schon Tags darauf seine Abgeordneten mit 200,000 Fr. baar dahin abgegangcn, und schon werden die Gefangenen partieweisc nach der Grenze fortgeführt. Bern hat auch am 28. April beschlossen, dem Stande Luzern die Garantie für die 70,000 Fr. Auslösungsgeldcr zu geben. In Basel sind 35,000 Fr. zu gleichem Zwecke von der Bank erhoben worden, wofür 24 Bürger von Liestal die Garantie übernommen haben. Die Solothurner hatten am 29. April den Rcgicrungsrath Reinert nach Luzern geschickt; da er aber statt des baarcn Geldes nur Werthschriften mithatle, ließ sich die luzerner Regierung auf den Handel nicht ein; sie überläßt die Gefan genen nur für baare Münze.— Das Urtel über vr. Steiger soll am 30. April in erster Instanz erfolgen. — In Nidwalden wurde der Lieutenant Franz Hermann v. Stanzbach, der sich auch unter den Freischaren befunden hatte und von Luzern unentgeltlich an die befreun dete Regierung ausgeliefert wurde, von dieser zu viertelstündiger Ausstel lung am Pranger mit einer Ruthe in der Hand, zur öffentlichen Strei chung mit Ruthen und zu 6 Monaten Zuchthausstrafe und während die ser Zeit ihm zu erthcilcndcm geistlichen Unterricht vcrurtheilt. Italien. *AoM, 2l. April. Daß das bekannte Buch des Hrn. Dupin über die Rechte und Freiheiten der gallikanischcn Kirche dem Romanis- muS gegenüber durch ein vor wenigen Tagen ausgegcbencs Jnquisitions- decret mit mehren andern französischen und deutschen Werken öffentlich verdammt worden, soll vorzüglich durch den Bischof von Lüttich, Hrn. v. Bommel, betrieben worden sein. Die Sache macht hier viel Auf sehen machen und wird dessen noch mehr in Frankreich machen, wenn das Zndexcdict dort in Umlauf kommt. Man darf gespannt sein auf Das, was der Bischof von Lüttich in Bezug auf Kirchendisciplin Ncubestim- mendes von hier nach Belgien und Frankreich mitbringcn dürfte. Er wird in allen hiesigen geistlichen Kreisen sehr sichtbar ausgezeichnet. Bekannt und noch m frischem Andenken ist cs in Deutschland, welche Rolle er während der kirchlichen Wirren in der Erzdiöccse Köln vor we ¬ nigen Iahten mit so vielem Einflüsse spickte. — Die Vernachlässigung der Gerichtspflege innerhalb der päpstlichen Lande ist bekannt und auch in Italien sprüchwörtlich. Doch ist seit einigen Jahren Manches in die sem BcrwaltungSzweige sichtlich verbessert worden, wie denn der Verlauf der Processc, auch der criminellen, außerordentlich beschleunigt wird. Einen neuen Beleg dazu gab eine vorgestern unweit dcS JanuStempelS durchs Fallbeil vollzogene abermalige Hinrichtung. Der Delinquent, Luigi Per- cossi, ein Romer von Geburt, hatte vor etwas über zwei Monaten einen Hüter bei der Zwangsarbeit im Zank erschlagen. In weniger als siede» Wochen waren alle Instanzen des neuen für dergleichen Missethäter ge gebenen Standrechts in aller Form dcS Gesetzes durchprocessirt und die Appellation abgcthan. Noch etwa zehn Raubmörder erwartet in kurzem gleiches Schicksal. Die scyöncn Frühlingstage halten zwar noch immer einige Tauscnd Fremde hier; doch haben die Soireen der Saison aufgehört. Die ste hende und gewiß auch für ein größeres Publicum interessanteste SalonS- neuigkeit dieses WintcrS war ein englischer Geistlicher Dickens, ein Sohn des Erzbischofs von Canterbury, mit seiner Familie, und deren fast bei spielloser Luxus und Aufwand. Alle großen englischen Wettrennen führte der Reverend Dickens auf den wildesten Pferden an. Es hat dieses welt liche Treiben den Römern zu vielen sarkastischen Bemerkungen, zum gro ßen Verdrusse des in der Beziehung sonst so streng und ernst denkenden englischen Publicums, Gelegenheit gegeben. Schweden und Norwegen. 's Christianis, 25. April. Unsere gute Stadt hört schon wieder auf königliche Residenz zu sein; die Prinzen Karl, Oskar und August sind schon am 16. April abgcreist, und die Königin mit den übrigen Mitgliedern der königlichen Familie wird uns auch bald verlassen. Es scheint leider, daß die ältesten Prinzen von zarter Constitution sind, wenigstens ist der Kronprinz längere Zeit unpäßlich gewesen, und nur der Krankheit Les Prinzen Gustav wegen ist ein Theil des königlichen HauscS noch hier ge blieben. Es ist zu glauben, daß die erlauchte Familie und das hiesige Publicum gegenseitig mit einander zufrieden gewesen sind. Beide Theile haben auch die beste Gelegenheit gehabt, mit einander bekannt zu werden. So haben die königlichen Personen sehr oft das Theater, Concerte und Promenaden besucht, und bei den Festen im königl. Palais oder anderswo mischten sie sich auf gewinnende, anmuthige Weise unter das Volk; die Prinzen lieben den Tanz, und selbst die Königin nahm einige Mal daran Theil. Dieses muntere und liebenswürdige Auftreten hat schon auf unsere geselligen Verhältnisse gewirkt und die cingerisscne, parisisch sein wollende Blasirthcit zurückgeschcucht; man tanzt wieder, und Polka ist un ter Len Auspicien der Prinzen Mode geworden. Der Glanzpunkt der Feste war ein Ball, von der Stadt gegeben, wo beinahe 1100 Personen beisammen waren, wahrscheinlich das glänzendste Fest, welches hier noch jemals gegeben ist; cs war auch ziemlich kostbar, das Geld war Lurch Subscription zusammcngebracht. Die königliche Familie mußte wol, we nigstens im Anfang ihres Aufenthalts, durch den übergroßen Eifer dcS Publicums, sic zu sehen, etwas beschwert ssin, besonders da die königliche Wohnung ein einstöckiges Gebäude und selbst nicht groß genug ist, um die ganze Familie aufzunchmen, weshalb die zwei ältesten Prinzen in einem gegenüberliegenden Hause wohnten und die Verbindung zwischen ihnen und der übrigen Familie über die Straße stattfinden mußte, so wie auch das Hofpersonal in der Stadt umher untcrgcbracht war. Weit entfernt jedoch, Unmuth über den Andrang der Menge zu zeigen, schie nen die hohen Gäste darin nur ein Motiv zu finden, sich desto öfter öf fentlich zu zeigen; jeden Morgen um 8 Uhr konnte man fic im Garten spazieren gehen sehcn und um 1 Uhr sah man beinahe jeden Tag den Kö nig und die Königin zusammen mit zwei von ihren Kindern im offenen Wagen ausfahren. Dieser Regel that weder eine Kälte von 20" R. noch Schneegestöber einen Abbruch; wenn fic außer der Stadt waren, stiegen sie auch oft aus und promcnirten zu Fuß. Man bewunderte solche mulhige Annahme der Gaben unscrö Winters, aber ich glaube nicht, daß der Vorgang viele Nachfolger finden wird; in diesem Punkte gleichen wir den Russen, der Winter liebt uns ausnehmend, aber die Liebe ist gar nicht gegenseitig, wir sondern uns so viel als nur möglich von dem kal ten, uns so geneigten Freund ab. Mehre wohlthätigc Anstalten, beson ders die Asyle, find von der königlichen Familie besucht und übrigen» Alles, was nur einigermaßen schcnswerth genannt werden kann, besehen und mit Nachsicht bcurtheilt worden; überall hat man den klaren und hochgebildeten Geist des Königs hochachtcn wie die Liebenswürdigkeit der Königin würdigen gelernt. Wo einem Unglücklichen zu helfen oder ein Talent aufzumuntern war, konnte man der königlichen Theilnahme ge wiß sein. Auf einer Gemäldeausstellung bemerkte er ein schönes Genre bild von dem jungen Maler Tidcmann, das Innere einer Hütte in Hardanger verstellend, und raufte cs; später soll dieser Maler auch Bestellungen vom König erhalten haben. Von Bühnenkünstlern haben Hr. Jörgensen und Frau Schrumpf, vielleicht auch Mehrc^ Merkmale der königlichen Zufriedenheit erhalten. Die Prinzen, haben in unserer Stadt ihre Studien fortgesetzt und besonders die Universität fleißig besucht, wo einige Vorlesungen über Staats- rccht, Jurisprudenz, die Landesgeschichte im Mittelalter (diese von Hrn. Wclhaven gehalten und überaus zahlreich besucht), über Chemie re. ihret wegen gehalten wurden; sic sind auch Dilettanten im Zeichnen, in der Musik rc.; auf dem obenerwähnten Balle der Stadt war von den Tän zen der eine, sagt man, vom Prinzen Gustav, ein anderer von der Prin zessin componirt. Man sah sie die freie Zeit oft auf Promenaden iw der Stadt und der Umgegend zubrinqcn. Wenige Tage vor der Abreise wohnte der König einigen Versuchen mit Kammcrladungsbüchscn bei, welcher Waffe man bei uns solche Verbesserungen