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1. Mai 1845. Donnerstag Nr. 121 Deutsche AUgemeiue Zeituug. sWHL «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» «ebe^blick. Deutschland. SS von der. Elbe. Die Berathung der Sachverständigen in Handelssachen. — Untersuchung gegen Deutsch-Katholische in Kaiern- "Aus dem Mecklenburgischen- Ständisches. V*e«Hen. 0 Berlin- Hr. Auerbach und der Handwerkerverein. * Kö nigsberg. Der Frühling. Die Deutsch-Katholiken. Die jüdischen Refor men. Adresse an Rupp. -4- Posen. Der Erzbischof. "Aus Westpreus- sen. Die Weichselniederungcn- * Von der Oder- Militair und Civil- "Köln. Oeffentlichkeit. — Hr- CzerSki. tvefterreich. pesth. Die Obergespane. Spante». Die Königin. Wrotzdeitannien. Unterhaus: Motion des Hrn. Ward. O'Connell. Die Deutsch-Katholischen in London- Das Dampfboot Berenice. Frankreich. Deputirtenkammer. Interpellation des Hrn. ThierS- Der Constitutionnel darüber. Mordthat. Hr- Mario. ""Paris. Die Ren- tenconverston. Hr- Guizot. Schweiz. Uri. Die Freischaren. Wallfahrt. Donaufürstenthümer. "Aus den Donaukürstenthümern- Das Schul wesen. , Die Geistlichen- Bereinigte Staaten. "Boston. Hr. Calhoun. Personalnachrtchten. Wissenschaft und Kunst, f Leipzig. Die Bersammlung der deutschen Schriftsteller. — Prof. GervinuS. Handel und Industrie, sKonstantinopel. Handelsnachrichten. "Leip zig. Börsenbericht. "Berlin-Generalversammlung der AnhaltischenBahn. "Hamburg. Die FlenSburg-Husum-Lönninger Bahn. — Berlin. Ankündigungen. Deutschland. SS Von der Elbe, 28. April. Der Wunsch der Einzelnen nach un mittelbarer Mitwirkung bei Regulirung der wichtigsten Angelegenheiten und Interessen des socialen Ganzen bildet einen Hauptzug in den geisti gen Richtungen unserer Tage. Diese Tendenz zeugt von einer Hohen Bildungsentwickelung sowol des Charakters als der Fähigkeiten eines Volks, denn aus ihr spricht,nicht blos der warme Antheil astet Einzel nen an der socialen Entwickelung und Vervollkommnung des Gesammt- lebenö, sondern auch das Gefühl inncrn Berufs und erlangter Befähigung dazu, das Selbstbewußtscin erreichter geistiger Mündigkeit und Kraft, die Behauptung eines geistig freien Standpunktes, auf welchem das Indivi duum fick nicht mehr bloß als willenloses Werkzeug, sondern als selbst- thätiges Organ des Ganzen betrachtet. Der edeln Anwendung dieser durch das vielfach verwirklichte Verlangen nach Mitwirkung aller Einzelnen bei den Bestrebungen des Gänzen sich ausdtückenden Zeilrichtunq verdanken wir daher die wichtigsten neuern Fortschritte, cbensowol im Reiche freier geistiger Thätigkciten überhaupt, als speciell in der politischen Entwicke lung, in der Fortbildung unserer bürgerlichen Institute und Zustände, in den religiösen Auffassungen und Bestrebungen und in den mercaytil-ge werblichen Grundsätzen und Einrichtungen. Freilich aber können auch Mis- brauch dieser Tendenz, zu weit getriebene Einmischung aller Einzelnen in die Leitung jener wichtigsten Angelegenheiten deS Ganzen, überhaupt An wendung der Kräfte am unrechten Orte, Mängel in Verthciluna und Verwendung derselbe» nach wahrem Beruf, nach rechter allseitiger Befä higung, erhebliche Nachtheile erzeugen und zuletzt zu einem Radicalismus führen, der überall den individuell eignen Willen, die Verfolgung des persönlichen Sonderinteresses an die Stelle eines über ihm stehenden Hö bern GesammtwillenS und eines Gesammtinteresscs bringen, der jede be stehende, geistige oder sociale Herrschaft bei Seite schieben und aller höhcrn Idee und über dem Willen stehenden sittlichen Pflicht vergessen möchte, um dafür die erst wahrhaft despotische Herrschaft seiner eignen Ansichten und Neigungen eiyzusetzen, was dann zur Anarchie, zur Intoleranz und zum böchsten Egoismus führen müßt«. Wende« wir diese Betrachtung heute insbesondere auf die sich seit einiger Zeit lebhaft auösprechende Theilnahmc. der commerziellen und in dustriellen Fachgenoffrn an der Entwickelung unserer gegenwärtigen Ge- werbS- und Handelspolitik an, so tritt cS uns zunächst als sehr er freuliche und dankenöwerthe Erscheinung entgegen, daß auch im deutschen Baterlande die Organe der einen wichtigen Lebensader des NatioNalwohls, des Handels und der Gewerbe, überall zuni Denken und Forschen über die Beziehungen dieses großen Theiles des Nationallebens zum Ganzen, über die Beziehungen seiner eignen einzelnen Zweige unter einander, über die Belebungsmittel desselben vom Staatsganzen aus und über die wech selseitigen Einflüsse der Blüte dieses Elements und des Bestehens der übrigen Staatselemente gelangt sind, daß die Industrie sich nicht mehr begnügt, nur die eigne Werkstatte jedes Einzelnen gewinnreicher und zeit gemäß vollkommener einzurichten, sondern auch ihre Beziehungen zum gc- sammten Nationalwohl aufsucht, diese Beziehungen zu erweitern und zu erheben strebt, ein Jneinandergreifcn, ein Zusammenwirken der Kräfte und Unternehmungen betreibt, und deshalb öffentlich und amtlich das Wort er greift. Diese Bestrebung hat durch Wort und Schrift, von Einzelnen wie von ganzen Vereinen und Versammlungen ausgehend, in Petitionen wie in Literatur und Zeitblättcrn, viele geistvolle und, was noch wichtiger ist, praktisch begründete Urtheile über die Zustände, Bedürfnisse und Aussich ten der Handels- und der Fabrikindustrie oder der betreffenden einzelnen Zweige davon, viele wichtige Anhaltcpunkte und Motive für die eigne Handlungsweise der Betheiligten, für die öffentliche Meinung und für die von den Staatsgewalten zu wählenden Maßregeln verbreitet und hier durch einen sehr werthvollen Antheil an dem zeitgemäßen Vorwärtsschrei- ten dieses Theils des Staatslebcns genommen. Wohl fühlen auch die Regierungen das Ersprießliche dieses Antheils, und er ist ihnen in der Gestalt einer sachverständigen Rathgcbung sogar bereits zum Bcdürfniß geworden. Sie sehen sHr gut ein, daß die Rücksichten, welche sie für das Gedeihen des mit so viel technischen Eigenthümlichkeitcn und speciell- praktischen Beziehungen verflochtenen gewerblichen und kommerziellen Le bens zu nehmen gedenken, vor Allem von dem Standpunkte dieses prak tisch-industriellen Lebens selbst aus beleuchtet und beurtheilt werden müs sen, und daß, wenn auch der hierbei erlangte Gesichtspunkt in vielen Maß nahmen der Regierungen nicht allein leiten kann, er dabei doch sicherlich nicht zu entbehren ist, will man nicht Gefahr laufen, einseitige oder selbst dem industriellen Nationalelcmente nachthcilige Erfolge hervorzurufen. Deshalb hat auch in Sachsen die Regierung schon längst in den die Han dels- und Gewerbspolitik betreffenden oder in den die Industrie sonst wesentlich berührenden Angelegenheiten durch ihre Organe die Meinun gen und Gutachten einzelner besonders erfahrener und unbefangen urthest Icnder Fachgenosscn vernommen und willig jede an sie gerichtete sachver ständige Stimme zum Gegenstände gründlicher Erwägung gemacht. Des wegen pflegt sie in solchen Angelegenheiten selbst amtlich die Gutachten der bestehenden Handels- und Gcwcrbscorporationen einzufodern, wie oft auch grade diese etwas mager und einseitig ausfallen mögen. Deswegen hat bekanntlich erst in den jüngstvergangenen Tagen die preußische Re gierung über einige bei der nächsten Zollconfercnz zur Sprache zu'brin gende wichtige Zolltariffragen eine Versammlung und Befragung mehrer bewährter Sachverständiger aus den verschiedenen einschlagenden Industrie zweigen veranstaltet, und steht eine ganz ähnliche Veranstaltung, nach den bereits an einige Mitglieder des Gewerbestandes gelangten Aeußerungen, nächstens auch in Dresden zu erwarten. Es ist daher entweder ein Irr thum oder ei« Ausfluß der bei den ungeduldigen Führern der Bewe gung jetzt zur Mode gewordenen, bei Allem, was nicht gleich nach Wunsch erscheint, gern einen skeptischen oder ironischen Reflex auf die Staats gewalten werfenden Sprachweise, wenn in der Versammlung deutscher Gewerbtrcidender zu Leipzig (Nr. 108) behauptet worden ist, daß man hier die Nothwendigkeit, einen solchen Gang einzuschlagcn, nicht zugeben wolle. Wir können hier nicht näher auf das Ergcbniß der berliner Confe- renz der Industriellen, soweit cs verlautet, cingchen, und wollen kein Ur- theil fällen, wünschen aber und hoffen aufrichtig, daß auch in Dresden die nämlichen Fragen von den verschiedenen cinschlagenden Seiten her gründlich beleuchtet werden mögen und als deren Ergebniß eine Ansicht sich herausbilde, welche die Wünsche der Einen zu befriedigen, ohne die Bedenken der Ändern unerledigt zu lassen geeignet sein dürfte, und daß sich hierbei eben durch unparteiliche und umsichtige allgemeinere Auffas sung, durch das Aufgehcn der Parteiansichten und Sonderintcressen in dem Zwecke des Ganzen diejenige Mitwirkung der Einzelnen beim Gc- sammtlebcn des Staats bethätigen möge, die wir oben als die edle und wahre Anwendung dieser Zcitrichtung bezeichneten. Es ist dies von der Gediegenheit der von der Regierung für diese Berathung jedenfalls aus- zuwäblcndcn Männer aus den verschiedenen dabei betheiligten, und zwar zum Theil im ganz entgegengesetzten Interesse betheiligten Nationalindu striezweigen zuverlässig zu erwarten, und wir wünschen nur, daß sie bei gründlichem und vorurthcilsfreicm Eindringen in die Sache auch Muth und Unbefangenheit genug besitzen mögen, ihre Auslassungen lediglich nach dem Sachverhältnisse selbst und nicht nach de« Partcistimmcn ihrer Branche einzurichten. Denn leider müssen wir wahrnchmen, daß diese Parteistim men, besonders die in den Zeitschriften auftretcndcn, gar sehr geeignet sind, der Unbefangenheit solcher Äcrathungen für höhere Gesichtspunkte eine harte Klippe zu bereiten, und dies mag wol auch der Grund ge wesen sein, warum bisher die Befragungen einzelner Sachverständigen der Zusammcnberufung derselben in größere, mehr oder weniger der Oeffent lichkeit anheimfallende Confcrenzen vorgezogen worden sind. Wie alle Partcistimmcn fallen auch die über die gegenwärtigen nationalökonomi schen und gewerbspolitischcn Zeitfragen, daher insbesondere auch die über die jetzt fraglichen Zolltarifsätze, so leicht und so sehr in den Feh ler der parteilichen Einseitigkeit. Sie stellen Das, was ihrem eignen