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PROGRAMMEINFÜHRUNG Max Reger (1873—1916) hat mit seinem op. 132, den ,Variationen über ein Thema von Mozart“, eins seiner vollendetsten Werke geschaffen. Er arbeitete 1913/14 an diesem großartigen Orchesterstück, das in seinem Gewicht und seiner Tiefgründigkeit einer Sinfonie gleichkommt. Im Februar 1915 wurde es in Frankfurt am Main uraufgeführt. Reger variiert auf geistvolle Weise in acht Variationen (Veränderungen) ein recht bekanntes Thema aus der A-Dur-Sonate von Mozart, das Mozart selbst schon zum Variieren geeignet fand und dazu auch verwendete. Reger nimmt die Verwandlungen dieses graziösen, lichten Themas mit den Mitteln der spätromantischen und impressio nistischen Orchester- und Kompositionstechnik vor, so daß es manchmal schwierig ist, aus dem betörenden Klangrausch die Melodie des Themas herauszuhören. Manchmal stellt er die Melodie auf den Kopf, oft läßt er zwar die Töne richtig erklingen, aber in einer rhythmisch anderen Fassung, manchmal läßt er neue Begleitstimmen hinzutreten und setzt das Ganze in eine andere Tonart, so daß etwas völlig Neues entsteht, etwas, das ganz das Regersche Gesicht trägt. Dazu ist der Stimmungsgehalt der einzelnen Variationen immer wechselnd vom süßesten Schönklang bis zur trotzigen Kraftgebärde, so daß ein ungemein farbiges Bild entsteht. Die Krönung des Ganzen ist aber zweifellos die Schlußfuge. Mit ihrem Einsatz beginnt auch eine andere Welt. In den Variationen vorher die schillernde Vielfalt des Impressionismus — in der Fuge ganz klar und ein deutig der Wunsch und Wille nach einer Kunst, die nicht zerfließt, sondern kraftvoll gebändigt ist. Die Fuge ist eine Doppelfuge, wozu Reger das Material zu beiden Themen dem Mozart-Thema entnimmt. Großartig und überwältigend ist der Schluß, wo Reger, ein Kontrapunktiker größten Formats, das Mozart-Thema noch einmal ganz aufklingen läßt und dazu beide Fugenthemen in das Klanggewebe einflickt. Diese Stelle allein würde genügen, Reger unsterblich zu machen. Tschaikowski j widmete sein weltberühmtes Klavierkonzert b-Moll, op. 23, Hans von Bülow. Es ist interessant, zu wissen, daß er dieses geniale Werk in unmittelbarer Nach barschaft vor den lyrischen Szenen ,,Eugen Onegin“, op. 24, geschrieben hat. In dem Konzert kommt Tschaikowskijs Temperament stärkstens zum Ausdruck; neben ur- russischer Sehnsucht steht eine alles überwältigende Wildheit, neben volkstümlicher Schlichtheit und Echtheit macht sich manchmal das breite, pomphafte und verschwen derische Leben der damaligen bürgerlich-adligen Gesellschaftsschichten, denen Tschai- kowskij angehörte, bemerkbar. Tschaikowskij war in formalen Dingen des musikalischen Handwerks ein bedeutender Könner; und da es ihm gelang, auch das Gefühl zu Worte kommen zu lassen, ohne daß es die Form überwucherte, könnte man ihn beinahe einen Klassiker nennen — wenn nicht seine Tonsprache durch ihre stilistischen Merkmale klar zur Romantik neigte. Er nützt in dem Konzert alle Möglichkeiten der pianistischen Technik aus: vollgriffige Akkordfolgen, harfenartige Akkordbrechungen, virtuose Läufe,