Es spricht für Szymanowskys großes Können, daß dieser dichtgewebte Instrumentalteppich die Solovioline nicht zudeckt oder erdrückt. Im Gegen teil : In fast impressionistischer Art schattiert und differenziert der Kom ponist seine reizvoll koloristischen Tonbilder, er probiert neue Klang- möglichkeiten aus, mischt die Tonarten, schichtet Akkorde übereinander oder verwirkt sie miteinander, und alles geschieht so verhalten und kultiviert, daß die technischen Artistereien der Sologeige gut zur Wirkung kommen. Fast alle geigerischen Finessen hat Szymanowsky in dieses Konzert gepackt, das trotz seiner Einsätzigkeit durch seine Tempo- und Stimmungs kontraste eine gewisse Gliederung und einen formalen Ablauf erkennen läßt. Die einzelnen Teile sind von Johannes Paul Thilman einmal treffend als „musikalische Szenen“ bezeichnet worden. Mieczyslaw Karlowicz gehört zu den kaum bekannten polnischen Komponisten der Jahrhundertwende. Er studierte in seiner Heimat, amtierte seit 1904 als Direktor der „Musikalischen Gesellschaft“ in Warschau. Zwei Jahre später zog er sich in die Berge zurück. In Zakopane lebte er allein seinem Schaffen. 1909 wurde er durch eine Lawine verschüttet. Von seinen Werken kennen wir nur die Namen: „Wiederkehrende Wellen“, „Litauische Rhapsodie“, „Traurige Mär“ und „Drei uralte Lioder“ sind die Titel einiger sinfonischer Dichtungen aus der Sagen- und Märchenwelt Polens. Der Tondichtung „Stanislaw und Anna Oswiocimowio“ Opus 12 liegt das Thema verbotener Geschwisterliebe zugrunde, das in der Literatur ver schiedentlich behandelt wurde, in alter Zeit durch Hartmann von Aue, in der Gegenwart durch Frank Thieß und Thomas Mann. Die Geschwister Stanislaw und Anna wachsen getrennt auf. Erst als gereifte Menschen lernen sie sich kennen und lieben. Sie bekämpfen ihre Liebe, die von der Welt als Blutschande und Todsünde verdammt wird. Vergeblich 1 Endlich bittet Stanislaw den Heiligen Vater um Hilfe, der urteilt verstehend, als Mensch, und erlaubt den Geschwistern die Ehe. Er weiß: Echte und wahre Liebe kann nie Sünde sein! Als der Bruder die Freudenbotschaft überbringen will, findet er seine Schwester entseelt. Schmerz überwältigt ihn. Der Tod bringt Erlösung. In einer kleinen Kapelle in Krosno werden die Liebenden beigesetzt. Erst im Tode in Liebe vereint. Neben dem 1928 verstorbenen Leos Janacek muß unbedingt Bohuslaw Martinu als der markanteste Meister der tschechischen Gegenwartsmusik bezeichnet werden. Er studierte in Prag und wurde zuerst Geiger der Tschechischen Philharmonie. Martinu war Schüler von Josef Suk, ließ sich nachhaltig von den französischen Impressionisten beeinflussen, im gleichen Maße aber auch von Strawinsky. In Paris studierte er bei Roussel weiter, wandte sich in seinem späteren Schaffen jedoch wieder nachdrücklich seinen heimatlichen Vorbildern Suk, Smetana und Dvorak zu. Nach Aufenthalten in Frankreich übersiedelte Martinu endgültig nach den Vereinigten Staaten, wo er noch heute lebt.