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ZUR EINFÜHRUNG KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Sonnabend, 15. September 1962, 19.30 Uhr Sonntag, 16. September 1962, 19.30 Uhr i. ZYKLUSKONZERT RUSSISCHE UND SOWJETISCHE MEISTER Dirigent Prof. Heinz Bongartz Solistin Bella Dawidowitsch, Moskau Modest Mussorgski Eine Nacht auf dem kahlen Berge 1839—isst Tondichtung Sergei Rachmaninow Rhapsodie über ein Thema von Paganini 1873—1943 für Klavier und Orchester Dmitri Schostakowitsch 10. Sinfonie op. 93 geb. 1906 Moderato Allegro Allcgretto Andantc-Allegro Bella Dawidowitsch, in Baku geboren, besuchte von ihrem 6. Lebensjahr an das /] s .i ■ , , • /. ir vatorium und wurde 4 Jahre später in das Staatliche Konservatorium Moskau anfgenn», “e" ‘ i‘ r ' DkP^L^Z /ä ^t r ,tl1 u " derb “ lt den L P ™’ de " "‘“Balina C-ernj-Stefanskn teilte, z "’ 1 'f u re n~en ihres Vaterlandes hinaus als Solistin bekannt und berühmt geworden und 1)5) gastierte sie mit großem Erfolg in der Deutschen Demokratischen Republik. Modest Mussorgski, der geniale russische Komponist, hat uns nicht sehr viele Werke hinterlassen. Vor allem seine Opern und seine Lieder haben sich allerdings die ganze Welt erobert. Weniger bekannt sind seine Orchesterstücke, deren bedeutendstes, „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“, unseren Zyklus „Russische und sowjetische Meister“ eröffnet. Es ist ein Jugendwerk, dessen erste Skizzen in den Jahren 1860—62 entstanden sind. In einem Brief an Balakirew, Haupt und Lehrer des „Mächtigen Häufleins“ (ein Spottname, der dann zum Ehrennamen für die Gruppe der Komponisten: Balakirew, Mussorgski, Borodin, Cui und Rimski-Korsakow wurde), vom 26. September 1860 lesen wir: „Es fand sich außerdem noch eine höchst fesselnde Arbeit, die zum nächsten Sommer fertiggestellt werden soll. Nämlich: eine vollständige Handlung auf dem ,kahlen Berge“, dem Drama ,Dic Hexen“ von Baron Mcngdcn entnommen: Hexensabbat, ver einzelte Episoden von Zauberern, ein Triumphmarsch dieses ganzen Gesindels und als Finale — eine Verherrlichung des Sabbats, personifiziert durch den Satan, den Gebieter auf dem , Kahlen berge“. Der Text ist vortrefflich. An Material gibt es schon einiges, cs könnte ein vortreffliches Stück werden . . .“ Er blieb bei dieser Meinung, auch als Balakirew, der Lehrmeister, das Werk nur bedingt an erkennen wollte. Das ergibt sich aus einem späteren Brief (24. September 1862), in dem cs heißt: „Nie werde ich aufhören, dieses Stück für anständig zu halten und namentlich für ein solches, in dem ich nach selbständigen kleineren Sachen zum ersten Male auch in einem größeren Werk mein eigenes Gesicht gezeigt habe . . . Ob Sic nun, lieber Freund, die Absicht haben, meine ,Hexen“ aufzuführen oder nicht — am allgemeinen Plan und der Ausarbeitung werde ich nichts mehr ändern — an diesen ,Hexen“, die genau mit dem Inhalt des Vorwurfs übereinstimmen und ohne Verstellung und Nachahmung geschaffen wurden . . . Meine Aufgabe habe ich, so gut ich konnte, bewältigt. Nur in den Schlaginstrumenten, mit denen ich Mißbrauch trieb, will ich vieles verändern.“ Mussorgski hat das Werk mehreren Umarbeiten unterzogen. Die endgültige Gestalt erhielt es durch Rimski-Korsakow nach dem Tod des Komponisten. Es gliedert sich in vier Teile: 1. Ver sammlung der 1 lexen, ihr Gerede und Gcklatsche; 2. Satans Fahrt; 3. Unflätige Ehrenbezeigungen vor dem Satan oder Der schwarze Dienst; 4. Hexensabbat — wildes Bacchanal. Beim Höhepunkt des I Icxensabbats läutet von fern her das Glöckchen der Dorfkirche, das die Geister der Finsternis zerstreut. — Tagesanbruch. Mit dem kahlen Berg ist ein Ort in der Nähe von Kiew gemeint, an dem sich nach dem Volks glauben die Hexen versammeln. Mussorgski nannte das Werk „ein original russisches, das aus den heimatlichen Feldern hervorgebrochen und mit russischem Brot genährt worden ist“. In der Tat: mag manches an dieser Tondichtung an Franz Liszt erinnern, mag der Einfluß von dessen „Danse macabre“ zu spüren sein (Liszt war bei den Mitgliedern des „Mächtigen Häufleins“ hochgeschätzt) -, die besondere Note erhält sie durch die original-russische Färbung. Sergei Rachmaninow, einer der größten Pianisten aller Zeiten, hat sein Instrument, das Klavier, mit einer großen Anzahl von Werken, großen und kleinen, bedacht. Sein Opus 1, das er als Student schrieb, war ein Klavierkonzert, eines seiner letzten Werke die „Rhapsodie nach einem Thema von Paganini fiir Klarier mit Orchester“, entstanden im Jahre 1934, wenige Jahre vor seinem Tode. Er starb am 28. März 1943, am Vorabend seines 70. Geburtstages in Kalifornien, fern der Heimat, nach der er sich zurücksehnte, der er in seinen letzten Werken tönende Dcnmkäler schuf. Die Paganini-Rhapsodie ist vielleicht Rachmaninows bedeutendstes, jedenfalls sein eigenartigstes Klavierwerk. Es ist neben dem „Totentanz“ von Franz Liszt und den „Sinfonischen Variationen“ von Cesar Franck das einzige Klavier-,, Konzert“ in Variationenform. Das Thema entnahm Rachmaninow der a-Moll-Caprice von Paganini, die ein merkwürdiges Schicksal hat: Sic ist weniger in ihrer Originalgcstalt als durch die Bearbeitungen von Liszt und Brahms bekannt geworden. Hört man das Thema, kann man verstehen, daß cs diese großen Meister zur Bearbeitung verlockte. Es ist klar, einfach, leicht zu behalten und bildet so einen sichtbaren (hörbaren) Ariadne-Faden durch das Labyrinth der Variationen — bei Rachmaninow sind cs nicht weniger als 23, denen eine weitere — merkwürd’ger Fall! — als Vorspann dem Thema vorausgeht. Trotz dieser Vielzahl sind die Variationen leicht zu übersehen. Denn man kann sic in drei Grup pen zusammenfassen, ebenso wie die kurz zuvor entstandenen Corelli-Variationen für Klavier.