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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Sonnabend, 20. Januar 1962, 19.30 Uhr 7. Außerordentliches Konzert Sonntag, 21. Januar 1962, 19.30 Uhr Philipp Emanuel Bach 1714-1738 Franz Liszt 1811 - 1886 DIRIGENT Siegfried Geißler SOLIST Stanislav Knor, Prag Konzert für Orchester D-Dur Allegro moderato Andante lento molto Allegro Konzert für Klavier und Orchester A-Dur Adagio sostenuto assai Allegro agitato assai Allegro moderato Allegro deciso Marziale un poco mene allegro Allegro animato PAUSE Peter Tschaikowski 1840 - 1893 Konzert für Klavier und Orchester b-Moll op. 23 Allegro non troppo c molto maestoso Andantino simplice Allegro con fuoco Carl Philipp Emanuel Bach, der sogenannte Berliner oder Hamburger Bach, wurde 1714 in Weimar geboren. Er studierte gleichsam spielend Komposition, Klavier und die Rechte nebeneinander, und mit ihm beginnt die Reihe der Kompo nisten, die sich auch literarisch betätigen. Philipp Emanuel wirkte in Berlin und Ham burg, wo Lessing zu seinen Freunden zählte, Johann Friedrich Voß und Friedrich Wil helm Klopstock. 1788 starb Philipp Emanuel, und in einem öffentlichen Nachruf würdigte man ihn als eine der größten Zierden der Tonkunst. Es ist fast unmöglich, das Gesamtwerk auch nur annähernd zu umreißen: Uber 200 Klavierwerkc finden wir verzeichnet, an die 50 Klavierkonzerte, 20 Sinfonien, die gleiche Zahl Passionen, Kammermusik und rund 250 Lieder. An der Entwicklung der Sonatenform, an der Entwicklung der Themen und der thematischen Arbeit war Phi lipp Emanuel maßgeblich beteiligt. In seinem sinfonischen Schaffen finden wir den Weg zu Beethoven und seinen Sinfonien vorgezeichnet. In der Reihe der Bachschcn Söhne ist er einer der kühnsten, er griff weit über seine Zeit hinaus, und mit ihm stehen wir unmittelbar am Tore der Klassik. Das Konzert D-Dur ist dreisätzig. Aus der Partitur, die von dem russischen Kom ponisten Maximilian Steinberg für kleines Orchester eingerichtet wurde, geht nicht hervor, um welches Original es sich handelt. Wahrscheinlich um eines der vielen Kla vierkonzerte bzw. um eines der Konzerte mit Cembalo und einzelnen Blasinstrumenten, denn die Blasinstrumente beteiligen sich in erster Linie am Konzertieren der Concertino gruppe, die aber nicht als solche gekennzeichnet ist. Auch die Geigen sind mit kon zertanten Episoden reich bedacht worden. Einem musikantisch beschwingten Anfangssatz folgt ein melodisch fließendes Andante. Ein Allegro in aufgelockerter 6 /s-Bewegung beschließt die heitere Spielmusik wirkungsvoll. Franz Liszt wurde in Raiding geboren, in einem Dorf des sogenannten Bürgen landes, das gleichsam zwischen zwei Kulturen liegt. Auch Joseph Haydn stammte aus dieser Landschaft. Bei ihm dominierte der österreichisch-deutsche Einschlag, bei Franz Liszt hingegen der ungarische. Später weilte der Meister nur ganz selten in seinem Vaterland, er ließ sich stärkstens, von der deutschen Romantik beeinflussen und ent ¬ wickelte sich schließlich als Mensch und Komponist zu einem ausgeprägten Weltbürger. Heute ist cs verhältnismäßig still um Liszt geworden. Die Jugend urteilt leicht voreilig und überheblich. Ältere Hörer vermissen seine Kompositionen schmerzlich. Bei allem Für und Wider: Liszt verdient nicht, ganz in Vergessenheit zu geraten. Seine Musik läßt sich vom Menschen Franz Liszt nicht trennen. Und der Mensch Franz Liszt verdient unsere Verehrung und Bewunderung, auch heute noch. „Zwar verlieh ihm Österreichs Kaiser den Adclstitel“ - lesen wir in Kurt Pahlens „Musikgeschichte der Welt“ (Grell Füssli, Zürich, 1950) - „sein wahrer Adel aber liegt in seinem Herzen. Und wenn auch die Frauen ganz Europas in ihm die prachtvolle männliche Erscheinung bewunderten, seine wirkliche Schönheit liegt in seiner Seele. Liszt war der König der Virtuosen, aber er war mehr: ein Schöpfer!“