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Die beiden Klavierkonzerte Franz Liszts wurden in den Jahren 1839/40 konzipiert, teil weise skizziert, jedoch nicht vollendet, denn Liszt war durch seine Verpflichtungen als Klaviervirtuose so in Anspruch genommen, daß er kaum Zeit für seine schöpferische Arbeit fand. Erst 10 Jahre später - 1849 — wurden die endgültigen Fassungen beendet. Die Instrumentierung bereitete Liszt einige Mühe, so daß er — bezeichnend für seine Gewissenhaftigkeit und den künstlerischen Ernst! — die Hilfe seines Schülers L. Raff in Anspruch nahm. Doch läßt sich dessen Einfluß heute nicht mehr klar umgrenzen. Das erste Konzert wurde von Liszt selbst uraufgeführt. Dirigent war Hector Berlioz. Die Uraufführung des zweiten in A-Dur fand 1857 in Weimar statt. Solist war der Liszt- Schüler H. v. Bronsart, Dirigent der Komponist. Liszt versuchte in diesem Konzert, e i n Thema aufzustellen, das dann in den lang samen wie in den schnellen Teilen, die pausenlos ineinander übergehen, verarbeitet wurde. Im Schlußteil vereinigte er das Thema mit allen Varianten. Durch diese Form neuerung wollte Liszt „eine auf sich selbst gestellte Musik ohne Rücksicht auf irgendein Programm“ erreichen. Als typisch ungarisch könnte man das Temperament und die rhapsodische Freizügigkeit bezeichnen. Durch Liszts „Erfindung von Motiven als plastischen Einheiten, fähig zur unendlichen Umformung im Verlaufe eines Werkes“ wurde er zum Schöpfer jener neuen Form, die (nach Richard Wagner) „in jedem Augenblick diejenige ist, die nötig ist“. Das b-Moll-Kiavicrkonzert op. 23 vom Jahre 1875 hatte Peter Tschaikowski für Nikolai Rubinstein geschrieben, der ihn, den er als Theorielehrer an das neugegrün dete Moskauer Konservatorium berufen hatte, in sein Haus aufnahm und von dem er bedingungslose Gefolgschaft erwartete. Tschaikowski, der als Pianisten Nikolai über dessen Bruder Anton Rubinstein stellte, gedachte das Werk auch dem Erstgenannten zu widmen. Dieser aber erklärte das Werk für nicht spielbar und verlangte Änderungen. Daraufhin durchstrich der Komponist die Widmung an N. Rubinstein und dedizierte es Hans von Bülow. Dieser setzte sich in Amerika und Europa für das Werk ein, in Moskau spielte es erstmals Tschaikowskis Schüler Sergej Tanejew. Rubinstein, den Bülows Erfolge mit dem Konzert nicht ruhen ließen, nahm es schließlich auch in sein Repertoire und erspielte ihm in Rußland und im Auslände bedeutende Erfolge. Schreibt auch Tschaikowski im Hinblick auf die Konzeption des Konzerts: „Prinzipiell tu ich mir Gewalt an und zwinge den Kopf, Klavierpassagen auszudenken“, so widerspricht solche von versteckt sich äußernden Krankheitssymptomen diktierte Aussage dem Zu schnitt des Werkes, das, die reichen Mittel der Klaviertechnik nutzend, doch das virtuose Element dem sinfonischen Geschehen einordnet und so überzeugend das Erbe Liszts und Schumanns den Charakteristika der Persönlichkeit Tschaikowskis unterstellt. Nicht immer wurde in der Vergangenheit Tschaikowskis Anteil an der Betonung des nationalen Elements der russischen Musik voll gewürdigt. Gewiß: bei Mussorgski oder auch Rimski-Korsakow tritt es deutlicher in den Vordergrund, zumal diese nicht in gleichem Maße mit der Verarbeitung italienischer, französischer oder deutscher Einflüsse zu schaffen hatten. Aber wenn schon nicht durchgehend, so äußern sich doch auch im b-Moll-Konzert nationale Bestandteile, und das nicht nur im Hauptthema des ersten Satzes oder im Schlußsatz, wo Volkslieder (Gesang der Blinden, ukrainisches Früh lingslied) die thematischen Konturen bestimmen, sondern auch im Einfangen mancher Stimmungen und der ihnen entsprechenden Weiterführung thematischer Bestandteile. Gerade die hierdurch in Erscheinung tretende Eigenart des Pcrsönlichkeitsstils dürfte bewirkt haben, daß das b-Moll-Konzert zu den Werken gehörte, die Tschaikowskis Ruhm im Auslande festigen halfen. (W. B.) LITERAT URHINWEISE: Ph. Em. Bach in „Musik in Geschichte und Gegenwart", Bd. 1, Kassel 1950 Voelker: Franz Liszt, Der große Mensch (Weimar 1955) Zagiba: Peter Tschaikowski (Wien 1953) VORANKÜNDIGUNG: 3-/4. Februar 1962, jeweils 19.30 Uhr 9. Außerordentliches Konzert Dirigent: Prof. H. Bongartz Solist: Radu Aldulcscu, Bukarest 7. Außerordentliches Konzert 111-9-5 lt<i 009 92/62