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2!SV — Am 2. Scpt. überreichten Deputationen aus den bedeutendsten Städten dcS Herzogthums Schleswig der Ständeversammlung Petitio nen gegen die Gewerbeordnung. Der Präsident entgegnete den De putationen, die Ständcvcrsammlung werde die in den Petitionen vorgc- tragcncn Gründe in Erwägung ziehen, dabei ihrer Ucberzeugung folgen und nur wirklich überzeugenden Gründen Gehör geben. Sollte aber dem Wunsche der Petenten vielleicht nicht entsprochen werden, so möchten sic bedenken, daß die Aufhebung des Gcwcrbczwangs nicht blvs dem Lande, sondern auch den Städten selbst zum Heile gereichen werde, wie jede srcic Entwickelung der Kräfte in ihren Folgen sich segensreich erweise. — Es ist jetzt entschieden, daß die Stände nicht um Verlängerung ihrer Scs- sionszcit nachsuchcn werden. — Der Koblenzer Anzeiger berichtet aus Koblenz vom 31. Aug.: „Heute kam ein 60 Köpfe starker Zug Auswanderer aus dem benach barten Hcrzogthum Nassau hier au, um sich nach Nordamerika zu bege ben. Dieselben führten auf zwölf schwer beladenen Karren die nöthiqcn Hausgeräthschaftcn und Handwerkszeugc verschiedener Gewerbe bei sich. Cs waren viele Professionistcn unter ihnen." 6. Scpt. In der letzten Versammlung der Bürger schaft wurde über die Elbschiffahrtsvcrträge wacker gekämpft, wo von wir das Erqcbniß bereits gemeldet haben (Nr. 252). Im Pelri- kirchspiele sprach Präses Halle sehr kräftig für die Ratification, und Hr. Johns jun. dagegen. Im Katharincnkirchfpiel erhoben sich vier Commcrz- deputirte für die Annahme, während im Kirchspiele Jacobi nur unbedeu tende Bemerkungen zu Gunsten derselben gemacht wurden. In Michae lis hielten die Freunde und Gegner der Annahme beinahe sich die Wage, und in Nicolai wurde mit Kraft gegen dieselbe gesprochen. Im Ganzen waren zwei Kirchspiele für und drei gegen die Annahme, oder in Stim men ausgcdrückl 109 gegen >45. In Folge dieser Ablehnung schlug der Se nat eine Commission zur Besprechung dieser Angelegenheit vor, worauf drei Mitglieder aus jedem Kirchspiele gewählt wurden. Unter diesen Mitgliedern sind, so viel man weiß, nur drei Freunde der Ratification, was der Sache keinen günstigen Ausgang versprechen würde, wenn man nicht wüßte, daß eben durch diesen Umstand die einflußreichsten Köpfe gewonnen werden kön nen. Die erste Zusammenkunft der Commission fand schon gestern statt und dauerte füns Stunden. Man glaubt, daß ihre Arbeiten in wenigen Tagen vollendet sein dürften, worauf die Sechziger am 9. Scpt. aber mals und die Bürgerschaft einige Tage später versammelt werden würden, um den Gegenstand zu erledigen. Sollte der Ausgang wiederholt ableh nend sein, so sieht man der Wahl einer großen Commission entgegen, um auch das letzte Mittel nicht unversucht zu lassen, obgleich cs nicht den An schein hat, daß der Senat mit seinen Ansichten durchdringen werde. Da jedoch in der letzten Bürgerschaft die Ratification nur von zwei oder drei Stimmen in Michaelis abhing, weil nicht die absolute Stimmenmehrheit, son dern die Kirchspiele entscheiden, so knüpft man die Hoffnung daran, daß in der dritten und letzten Versammlung die Sache doch noch gewonnen werden dürfte, obgleich diese Hoffnung schnell vereitelt werden kann, wenn die Versammlung der Bürgerschaft zahlreicher wird, was im vorliegenden Falle fast mit Bestimmtheit zu erwarten steht. Sollte übrigens auch der dritte Antrag des Senats abgclehnt werden, so soll eine aus höchstens 20 Per sonen bestehende Deputation, wovon die Hälfte durch das Loos aus dem Senat und die andere Hälfte in gleicher Weise aus einem Ausschüsse von Bürgerschastsbcrechtigtcn zu nehmen ist, die Sache unverbrüchlich und definitiv entscheiden. Preußen. B Berlin, 6. Sept. Wenn man die nunmehr beendigten Festlichkeiten in Königsberg für ihren Kern an sich vorüberzichen läßt, und Das jenige zu ignorircn versteht, was bei dergleichen Bcgevenheitcn immer als Spcctakel und als Decoration figurirt, gleichsam als Delikatesse für den großen Haufen und die vornehmen Leute, fo wird man sich überzeugen, daß diejenige Auffassung der Dinge, die wir neulich in diesen Blättern als specisische Tendenz der altpreußischcn und der königsbcrgcr Richtung hervorgehobcn, sich durch die Ereignisse vollkommen bestätigt, und zwar in einer Weise bestätigt, wie wir sie so scharf ausgesprochen und so ful minant gar nicht erwarteten. Sehr erfreulich ist cs, daß der König durch die Ordensertheilung an Lobeck und Burdach jene Richtung, die doch im mer noch manchen Misliebiakcitcn ausgesetzt war, gleichsam staatlich zu emancipiren und in vollem Maße anzuerkennen geruhte; cs ist die Rich tung des freien Geistes und der freien Wissenschaft für den protestan tischen Norden, die der König auch großsinnig hervorgehobcn, als er an seinen und seines Hauses Wählspruch: Vorwärts! erinnerte und als er in begeisterten Worten der Albertina den Wunsch zuricf, daß sie ein Herd des Lichts für den Norden in „alle" Zukunft verbleibe. Es kann nun von einer sykophantischen Deutung dieses „Lichts" nicht mehr die Rede sein, nachdem Lobeck, aufs neue mit Huld von seinem Monarchen geschmückt, in deutscher Sprache die berühmte Festrede gehalten, w'orin er klar und deutlich die Freiheit der Wissenschaft von einer finstern Propaganda bedroht erklärte und in dem klaren Blicke des Fürsten die Hoffnung er blickte, welche die drohende Nacht der Barbarei nicht zerstören würde. Lobeck gehört, namentlich seinem Aeußern zufolge, jenen deutschen Gelehrten an, die wir einmal im Allgemeinen charaktcrisirt haben; dem Scheine nach find sie untcrgegangcn in der Rumpelkammer und in der Sylbenstechcrei der Vergan genheit, sic gleichen einer ausgctrocknctcn Pflanze im Herbarium. Aber in der Seele ist cs licht und lebenSwarm geblieben, es bedarf nur der Anregung und des rechten Moments, um einen Frühling von Liebe aus ihnen em porblühen zu lassen. Nicht blos Griechenlands und Latiums Heroen ha ben sie gewürdigt und verstanden; dem deutschen Vatcrlandc, den Be strebungen der Neuzeit gehören sic an, wenn sie cs auch verschmähen, das große Wort auf dem Markte des Tages zu führen, und wenn sie auch lie ben, die Glut und das innere Leben durch eine originelle und oft absto ßende Form zu verhüllen. An dergleichen Figuren war Königsberg von jc her reich; zu ihnen gehörte auch der verewigte Dinter, und wer die alten Herren im Frack, in kurzen, faltigen seidenen Hosen und in Schu hen mit Schnallen erblickte, der glaubte eine verbrauchte Antiquität vor sich zu sehen. Aber, der Herr wußte aufs schärfste, wer und was er war, die Augen leuchteten gewaltig über das scheinbar ironische Masken- spicl, der klare Geist hielt die brechende, scurrile Figur zusammen; und Jener hatte erkannt, daß künftige Jahrhunderte für bas Walten in der Schule an seine Wirksamkeit geknüpft waren. Der Norden und der Sü den lieben cs, plastische Figuren zu zeichnen, indcß in den Mittelzonen die Menschen mehr in vermittelten Formen sich bewegen. Es ist ein an- muthigcs Spiel von mannichfachen Verknüpfungen, daß ein Pflcgcsohn Dinter's den Königsbergern die Bedeutung dcs Zuges entwickelte, den man eben im Begriffe stand, nach dem Hause Burdach's zu unternehmen; Hr. v. Auerswald, der die gediegene Anrede an Burdach hielt, ist ein Spielgcnosse unseres erhabenen Monarchen. Wunder genommen hat es uns, daß in jenen denkwürdigen Tagen nicht auch die Erinnerung an Ha mann auftauchtc, der ebenfalls Königsberg mit dauerndem Ruhme ge schmückt hat. Wie übrigens die fernsten Kreise an die Uniocrsitätsfeier- lichkeit in Königsberg die Verherrlichung der freien Wissenschaft knüpfen, geht aus dem Gratulationsprogramm hervor, das die breslaucr Universi tät erlassen hat und in welchem folgende fulminante Stellen von der über wiegendsten politischen Bedeutung Vorkommen, wie sie in solchem Ernst und Nachdruck von einer gelehrten deutschen Körperschaft wol selten aus gesprochen sein mögen. Nachdem Rector und Senat jener Universität die geistige Verwandtschaft Königsbergs und Breslaus mit den Worten er örtert hat: „Kam practer commune illucl stuclio, um fatorumgue consoctium, quo 6ermanicao ^caclomiao omnes tamquam brmissimo nlchuo »moris vin- culo contmoei so fatentuc, Liberi kmo vestra« cum nostrn Viaclrina etiam «in- Aularis urmeüam necessituclv sortisquo similituclo et olim kuit et nunc ent."*) knüpft sic an Georg Sabinus an und sagt Folgendes zur Würdigung der scythischen Nachbarschaft und der an Breslau und an Königsberg geket teten gemeinschaftlichen Mission: „Äajus tame» et xravius illucl ost, quoä iu terris Lorussicis et öran- senbnc^icis, quae jam tum 8abini Maxime »per» coslescedant, ztcnöemme vestra ac nostra praecipuae secles eorum stucliorum kuerunt, quibu» non solum verlor clivinarum rvrum coxnitio conlirmata et propa^ata ost, secl reliqnao quoque kumanae intellij-entise partes, restituta antiqua inxenio- rum libertate, quasi acl novam vitam excitatae ingentia ceperunt incre- menta. Lt vestra quiclem ^csclemia cum esset in oris illis constituta, in quibu» 8abinus proktebatur ol> 8c^tbicac Zentis vicinitatem vix civilem vivencli rativnem letzibus clisciplina et imporiis retineri Posse, Kane sikk glariam immortalem peperit, quoll promotis quasi erucliti orkis knibus es secit, ut expulsa Pristina seritato Ooxussia vestra eas etiam terra«, quae jam antea insi^ni kumsnitatis laucle sloruissent, eaclem iaucie vel, aequa- ret vel superaret Kölns vero postquam k'rancosurtv Vratislaviam tra- llucti sumus, similis Stativ obtixit; utrigue enim 8c;-tkicLe, quam 8abiuus «licekat, Aenti vicini in ipsis Lermaniae ünibus quasllam quasi litteraria» excubias aßimus et vestro exemplo tacimus quoll vos et jam cluclum se- cistis et »unc quoque constankissime a^iti«, ut, quam e propinquo intue- mini kominum vitam tristi torpore oppressam et praetextam potius inani quallam kumanitatis specie quam ingenuo liberal!« erullitionis amore ae- quabiliter periusam, eam quonmm vmenclare non licet, certe a kuibus nostri« arceati«. bl quo niunere Koc vvkis commoclum rellunllat, quoll quanto lontzius estis ok locorum situm ab reliquae Oermaniae littersrio commercio remoti, tunto icl ipsum stucliosius amplectimini et llekenllitis meliusque qusuti illucl sacienclum «it sentitis quam ii qui in meclia 6er- mania clegunt. (juamokrem 6t etiam necessario ut acrius cloleati», «icubi animaclvertitis existere, qui ?allallium illucl Oermaniae, liberum sanae eruclitivni« cultum sunestis manikus sttrectare aucleant, sivo illi praepos- tera quallam opinionv clecepti statuunt aeternum illucl kumanao intelli- tzentiue veluti tlumen subito tarllgri Posse et in ipsorum sallaci sapientia conquiescere, sive privata cupiclitate llucti eas ipsas arte« clolvse impiiß- nant v-nculisque üqecti« etiam evertere conantur, cpisrum fucatum quen- «lam amore,» prae se serunt. Hase atque talia »tulli« quonism intor ip«a patriae viscera versantur, plus quam ,>uaevis barbaria extimescenlla sunt ma)vremc;ue clesiclersnt llili^entiam et sortituclinem bonorum omnium, in- ter quos insignem locum vos jam llullum obtineti«. 8oculum enim sere e.st, quocl Albertina vestra immortale sibi clecus Kantium et aclolescentem aluit et cleincle virum «enemcpie tenuit, quum ille litteris omnibus optima pkiiosopkiae arma praeberet, quibus clivinum liberumque animorum mv- tum, in persectam rerum omnium speciem intentum, ab omni injuria pos- teri perpetuo llekenllerent. Isis vos vestigiis etiam nunc constantissime inceclitis eoque sacitis, ut cluclum partam ^lbertinae vestrae gloriam non solum conservetis secl etiam augeatis omnesque kabeatis vel allmiratore« vel amico», qui rempublicam litterariam salvsm esse volunt." **) *) Denn zu der innigen Gemeinschaft der Strebungen und Geschicke, von welcher alle deutschen Hochschulen sich, wie durch ein festes Liebesband, ver bunden fühlen, kommt für eure Albertina und unsere Viadrina noch eine besondere Verwandtschaft und Achnlichkeit dcs Schicksals, so ehedem wie jetzt. Größer und wichtiger aber, daß eure und unsere Hochschule in den preußischen und brandenburgischen Landen, die schon damals hauptsächlich durch Sabinus' Wirken verbunden wurden, die vornehmsten Sitze jener Studien waren, durch welche nicht nur die reinere Erkenntniß der Religion befestigt und verbreitet wurde, sondern auch die andern Gebiete des menschlichen Wis sens, nach hergestellter Geistesfreiheit, wie zu neuem Leben erweckt, einen mächtigen Aufschwung nahmen. Eure Universität, in Gegenden gelegen, von denen Sabinus erklärt, daß sich ob der Nachbarschaft scythischen Bolksthums kaum durch Gesetze, Zucht und Herrschaft eine Ordnung und Sitte des bür-